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Spediteure fordern Kurskorrektur Ärger über Mauthammer

Foto: Matthias Rathmann

Deutschlands Spediteure wollen sich nicht einfach mit der vom Kabinett beschlossenen Mauterhöhung abfinden. Was sie planen und kritisieren.

Nur den Humor nicht verlieren, heißt die Devise. „Wir bezahlen bald doppelt so viel keine Maut“, sagte der Prokurist einer Spedition am Rande einer Verbandsveranstaltung vorigen Freitag in Rust (Ortenaukreis) mit einem Augenzwinkern. Denn während seine Elektro-Lkw bis Ende 2025 von der Maut befreit bleiben, fällt für Diesel-Lkw bald die doppelte Gebühr an.

Es ist daher eher Galgenhumor: Denn das Gros seines Fuhrparks besteht aus Diesel-Lkw, wie auch 98 Prozent des Lkw-Bestands in Deutschland: Und sie werden, sollte die nun von der Bundesregierung beschlossene neue CO2-abhängige Maut den Bundestag passieren, von Dezember an kräftig zur Kasse gebeten. Die Bundesregierung erwartet Zusatzeinnahmen von jährlich sieben bis acht Milliarden Euro.

Spediteure empfinden Mauterhöhung als Zumutung

Die bei den Mitgliederversammlungen des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV) und seines Landesverbands, des Verbands Spedition und Logistik Baden-Württemberg (VSL), versammelten Transport- und Logistikunternehmer empfinden das Mautpaket als Zumutung, das zur Unzeit inmitten einer Rezession kommt, auf das sie keinerlei Einfluss nehmen konnten und über dessen Inhalte sie bis zuletzt im Unklaren geblieben sind – so jedenfalls die Stimmen der Unternehmer. Entsprechend erhitzt war die Stimmung und entsprechend dominierte ein Thema die Veranstaltung.

„Nach dem Heizungshammer kommt der Mauthammer“, erklärte VSL-Präsident Dr. Micha Lege, Geschäftsführer der Spedition Wiedmann & Winz aus Geislingen an der Steige. Die Bundesregierung lege für die Ermittlung der Mautsätze einen CO2-Preis von 200 Euro je Tonne zugrunde – als einziges Land in Europa und mit dem maximal zulässigen Satz. „Das hat uns alle kalt erwischt.“ Lege verwies auf das Handelsblatt, das Ende November Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit den Worten zitierte, wenn die Maut stärker nach dem CO2-Ausstoß differenziert werde, müssten auch andere Fahrzeuge zur Verfügung stehen. „Das muss synchron laufen. Ansonsten ist das kein fairer Umgang.“ Das Angebot an alternativ angetriebenen Fahrzeugen sei noch immer bescheiden. Leges Folgerung daraus: „Der Verkehrsminister ist zu 100 Prozent umgefallen.“ Es sei Vertrauen verloren gegangen. Statt 100 Prozent Wissing habe man nun 100 Prozent Habeck.

Foto: Regina Sablotny/Wiedmann&Winz
VSL-Präsident Dr. Micha Lege: Der Verkehrsminister ist zu 100 Prozent umgefallen.

Die Speditionsverbände wollen nun nach Möglichkeiten suchen, Nachbesserungen im Sinne der Branche zu erreichen. Dafür wollen sie beziehungsweise ihre Unternehmen in den nächsten Wochen gezielt auf die Bundestagsabgeordneten in den Wahlkreisen zugehen und ihnen die Folgen der Mauterhöhung verdeutlichen. DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster appellierte, den Korrekturbedarf konkret zu benennen und nicht im Nebulösen zu bleiben. Er betonte, dass es nicht darum gehe, draufzuhauen, vor leeren Regalen zu warnen oder der Bundesregierung auf Social Media die rote Karte zu zeigen. Der Wunsch nach Nachbesserungen berge für die Verbandsstrategie auch Risiken: Je länger die politische Auseinandersetzung und die Aussprache zum Mautgesetz im Parlament dauere, desto später werde es verkündet und desto kürzer sei der Zeitraum für Preisgespräche und IT-Anpassungen.

Dr. Jörg Mosolf, Chef der gleichnamigen Automobilspedition aus Kirchheim unter Teck, hatte auf der VSL-Mitgliederversammlung eine solche Initiative ins Spiel gebracht, die auf Information und Gespräche mit den Abgeordneten setzt. „Wir müssen stärker Flagge zeigen“, forderte er. Mosolf erläuterte, sein Haus sei bereit, für eine solche Kampagne 50.000 Euro zur Verfügung zu stellen und ermunterte seine Unternehmerkollegen, sich anzuschließen. „Viele wissen gar nicht, welche Dimensionen und Folgen das Mautgesetz hat“, bestätigte Markus Olligschläger, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL), in einer Wortmeldung.

Weitergabe der Mautkosten kein Selbstläufer

Problematisch ist die drastische Mauterhöhung laut DSLV und VSL aus mehreren Gründen: Zum einen wird die Weitergabe kein Selbstläufer. Laut VSL-Präsident Lege macht sie bei Teil- und Komplettladungen rund elf Prozent der Gesamtkosten aus. Hinzu kämen in seinem Unternehmen weitere neun Prozent Kostensteigerungen, sodass eine Preisanpassung von einem Fünftel erforderlich ist. Hinzu kommt: Verlader werden nach Überzeugung der Unternehmer keine Maut auf Leerkilometer zahlen. Die lassen sich aber bei Spezialverkehren nicht vermeiden, wie Michael Schaaf, Geschäftsführer von Bay Logistik aus Waiblingen, ausführte. „Bei einem Leerkilometer-Anteil von 25 Prozent werden wir einen Teil der Maut selbst schlucken müssen“, sagte er.

. Foto: DSLV
DSLV-Präsident Axel Plaß: Das ist Steuereintreibung mit grünem Deckmäntelchen.

Das sieht sein Kollege Mosolf nicht anders: „Wir müssen davon ausgehen, dass wir die Kosten diesmal nicht so leicht durchreichen können, wir kennen viele Unternehmen aus der Automobilindustrie, die Sparprogramme haben“, bestätigte der Automobilspediteur. Nach Einschätzung der Verantwortlichen im Bundesverkehrsministerium (BMDV) sind die Mehrkosten bezogen aufs Endprodukt kaum wahrnehmbar – bei einem Anteil von 0,1 Prozent am Produktpreis. „Das Glas Nutella wird nur unwesentlich teurer“, erklärte Michael Theurer (FDP), parlamentarischer Staatssekretär im BMDV, in seinem Vortrag. DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster entgegnete, angesichts von sieben Milliarden Euro Mautzusatzkosten im Jahr, sei dieser Verweis nicht zulässig und liefere ein falsches Bild. „Irgendjemand muss diesen hohen Betrag zahlen. Und dies wird am Ende der Verbraucher sein.“.

Ein weiteres Problem ist laut DSLV-Präsident Axel Plaß, Chef der Zippel Group aus Hamburg, dass die Maut die beabsichtigte Lenkungswirkung nicht entfalten wird. „Allein der Bundeshaushalt wird profitieren, die Klimabilanz des Straßengüterverkehrs bleibt unverändert.“ Denn weder stünden – wie skizziert – die erforderlichen alternativ angetriebenen Lkw in ausreichender Zahl bereit, noch gebe es Anreize zum Umstieg auf die Schiene. „Wir verzweifeln an einem desolaten Schienennetz“, sagte Plaß, der bei der Zippel Group das Gros seiner Hauptläufe per Bahn bewegt. Die Mauteinnahmen sollen, wie es im Gesetzentwurf heißt, „ganz überwiegend in die Schiene investiert werden“.

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Staatssekretär Theurer verteidigte dieses Vorgehen. „Seien Sie froh, dass das Geld nicht in die Rente fließt, sondern in den Verkehrssektor“, erklärte er an die Adresse der Spediteure. Dass ein CO2-Zuschlag kommen würde, stehe im Koalitionsvertrag. Sollte die Weitergabe an die Kunden misslingen, empfiehlt er Spediteuren, auf das BMDV zu verweisen: „Sagt, die sind schuld, Ihr müsst bezahlen!“

Ärgerlich ist für die Unternehmer beim Mautpaket ferner, dass die im Koalitionsvertrag ausgeschlossene Doppelbelastung nicht vermieden wird. Spediteure müssen also sowohl den CO2-Preis aus dem nationalen Emissionshandel als auch die CO2-Maut schlucken, ohne einen Ausgleich zu bekommen. Und ebenfalls ein Aufreger für alle Mautzahler: Es herrscht Unklarheit darüber, was moderne Diesel-Lkw, die CO2-effizienter als vor 2020 in den Verkehr gebrachte Fahrzeuge sind, eigentlich an Maut bezahlen müssen. Der Gesetzentwurf sieht für sie drei CO2-Effizienzklassen zu, die Zuordnung erfolgt aufgrund des Vecto-Regimes. Erst ein Fahrzeugkalkulator gibt Aufschluss darüber, was das in einem Fuhrpark konkret heißt. „Dieser Kalkulator hätte schon vor Wochen veröffentlicht werden können“, sagte Huster..

Foto: DSLV/Regina Sablotny
DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster: Der Mautkalkulator hätte schon vor sechs Wochen gemacht werden sollen.

Nur bei einem Punkt machte Staatssekretär Theurer der Branche noch Hoffnungen – dass sich das BMDV für eine baldige Zulassung von HVO stark macht. Eine Forderung von DSLV wie VSL ist es, auch alternativen Kraftstoffe – neben HVO 100 auch Bio-LNG und Bio-CNG – einen Vorteil zu bieten. Das muss laut DSLV-Hauptgeschäftsführer Huster aber über das Steuerrecht passieren, über die Maut lasse sich das nicht bewerkstelligen. Insgesamt ist die Ernüchterung über den Mauthammer enorm – „das ist Steuereintreibung mit grünem Deckmäntelchen“ – so das Urteil von DSLV-Vertreter Plaß. Sein Unternehmen befördert zu normalen Zeiten auch viel Rundholz. Da der Transportpreis höher ist als der Warenwert, bleibt das Holz derzeit liegen. Und das dürfte ab 1. Dezember erst recht der Fall sein.

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