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Mehr Tempo in den Behörden Bürokratie bremst Klimaschutz aus

Foto: Ansorge Logistik 15 Bilder

Elektro-Lkw kommen nur langsam auf die Straße. Ein Grund sind die langen Bearbeitungszeiten bei den Förderanträgen. Die Geduld von Ansorge-Logistik-Chef Wolfgang Thoma hat ein Ende. Gegenüber der Fachzeitschrift trans aktuell sagt er, was nun passieren muss.

trans aktuell: Herr Thoma, Transport- und Logistikunternehmer, die in alternative Antriebe investieren wollen, müssen lange warten. Sie kritisieren die lange Bearbeitungszeit ihrer Förderanträge im Bundesamt für Logistik und Mobilität. Wie groß ist die Geduld eines Spediteurs?

Unsere Geduld geht zu Ende. Wir sind die Getriebenen, sollen die CO2-Emissionen im Verkehr reduzieren und bei der Bekämpfung des Klimawandels eine entscheidende Rolle einnehmen. Andererseits lässt uns die Regierung im Stich, weil sie uns Fördermittel nur mit sehr großer Zeitverzögerung zur Verfügung stellt. Damit bremst die Bürokratie den Klimaschutz aus, weil die Branche die Flottenerneuerung nicht mit dem nötigen Tempo forcieren kann.

Über welche Wartezeiten reden wir?

Beim ersten Förderaufruf des KsNI-Programms haben wir am 21. September 2021 einen Antrag gestellt, der am 1. März 2022 positiv beschieden wurde. Wir reden über eine Bearbeitungsfrist von einem halben Jahr. Wir haben ein Fahrzeug beantragt, das nun – ein Jahr später – in der Auslieferung ist. Und nun erleben wir im zweiten Förderaufruf den gleichen Antragsstau. Ganz offensichtlich hat das BALM auf die hohe Resonanz beim ersten Förderaufruf nicht reagiert. Mitte August 2022 haben wir unsere Anträge gestellt. Und was haben wir seitdem gehört? Nichts.

Das Förderprogramm als solches ist aber nicht Gegenstand Ihrer Kritik?

Das Förderprogramm ist gut, doch das Bearbeitungstempo verstört. Ich begrüße es sehr, dass die Politik im Kampf gegen den Klimawandel attraktive Fördermaßnahmen wie das KsNI-Programm mit einer 80-prozentigen Förderung aufgelegt hat. Aus Eigenmitteln könnten Speditionen Investitionen von 350.000 bis 400.000 für einen Elektroschlepper kaum aufbringen, das ist bei normalen Frachtraten nicht drin. Was an dem Ganzen massiv stört, ist der Bürokratismus.

Wie viele Fahrzeuge möchten Sie bestellen – im Fall von positiven Förderbescheiden?

Ansorge Logistik wird zehn Elektrozugmaschinen bei MAN und Volvo Trucks ordern. Die Lieferzeiten liegen bei drei bis vier Monaten, Volvo könnte sogar bis Mai liefern. Nur können wir nicht bestellen, solange keine Förderbescheide vorliegen. Also sind wir gezwungen, bis dahin weiter CO2 in die Luft zu blasen – was wir gerne vermeiden wollen.

Foto: Matthias Rathmann
Elektrisch unterwegs: Wolfgang Thoma, Geschäftsführender Gesellschafter von Ansorge Logistik, schwebt eine Null-Emssions-Lieferzette vor - durch die Kombination aus Elektro-Lkw im Vor- und Nachlauf und Schiene im Hauptlauf.
Was muss passieren?

Es braucht bei den Behörden mehr Entbürokratisierung und Digitalisierung. Flottenbetreiber reichen ihre Anträge digital ein, ob sie danach in der Behörde digital bearbeitet werden, steht auf einem anderen Blatt. Ich bin der Überzeugung, dass die Bundesregierung – wenn sie 1,6 Milliarden Euro für klimafreundliche Lkw bis 2024 mobilisiert – auch ihre Bundesämter mit IT-Tools für eine zügige Bearbeitung ausstatten muss. Der Klimaschutz kann kein halbes Jahr warten, bis ein Antrag bewilligt ist.

Haben sie Verständnis für das BALM, das ja offenbar von einer Antragsflut überrascht wurde?

Überhaupt nicht. Wenn die Verantwortlichen im BALM wissen, dass eine Antragsflut auf sie zu schwappt, müssen sie sich darauf einstellen und ihren Apparat entsprechend stärken. Wir haben nach einem halben Jahr keinerlei Informationen zum Bearbeitungsstatus unserer Anträge. Rufen wir an, erhalten wir die vage Auskunft, sie seien in Bearbeitung. Damit können wir nichts anfangen: Wir brauchen, um zu investieren, einen positiven und rechtskräftigen Förderbescheid. Unternehmer müssen erwarten dürfen, dass ein Förderantrag innerhalb von drei Monaten bearbeitet wird, das wäre eine akzeptable Frist.

Lesen Sie auch Zugmaschine Elias mit 200 Kilometer Reichweite Ansorge Logistik baut eigenen E-Lkw Was bedeutet die fehlende Planbarkeit wiederum für Ihre Lieferanten?

Sie hängen genauso in der Luft – und uns im Nacken. Doch den Herstellern ist die Problematik ja genauso bewusst, sie versuchen, über ihre Netzwerke Einfluss zu nehmen, um den Antragsstau aufzulösen. Doch sie sind genauso machtlos. Es ist ein Jammer, denn die Technik ist verfügbar, die Lieferfähigkeit wäre gegeben und wir könnten sofort loslegen.

Apropos loslegen: Wie würden sich die zehn neuen Elektro-Lkw in den Ansorge Logistik-Fuhrpark einfügen und was wären ihre Einsatzgebiete?

Die Fahrzeuge wären auf Shuttle-Strecken in der Werksver- und -entsorgung mit Entfernungen von etwa 120 Kilometern im Einsatz. Da die Elektro-Lkw immer wieder zu uns zurückkehren, können sie bei uns Strom aus der hauseigenen Photovoltaik-Anlage beziehen, wir sind also nicht auf ein öffentliches Ladenetz angewiesen. Prädestiniert sind sie auch für den Einsatz im Vor- und Nachlauf zum Kombinierten Verkehr. Hier geht es um überschaubare Distanzen von 50 bis 100 Kilometern zu den nächsten Kombibahnhöfen. Die Kombination mit der Bahn hat ihren besonderen Charme: So lässt sich durchgängig eine Zero-Emission-Lieferkette gestalten.

Lesen Sie auch Elektro- und Wasserstoff-Lkw Warten auf den Förderbescheid Wie sieht es in Ihrem Unternehmen mit Blick auf die Ladeinfrastruktur aus?

Wir verfolgen einen ganzheitlichen Einsatz, der neben den Fahrzeugen auch die Ladeinfrastruktur, eine hauseigene Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 1,7 bis 1,8 Millionen kWh im Jahr sowie Speichermöglichkeiten umfasst. Teilweise speisen wir den Strom ins öffentliche Netz ein, ab Mitte des Jahres wollen wir das Gros aber für die Eigenversorgung nutzen. Der Plan ist, dass wir bis dann fünf Ladestationen haben. Jede Station verfügt über eine Speicherfähigkeit von 1.400 kWh. Was die Fahrzeuge angeht, streben wir in den nächsten 12 bis 13 Monaten eine Flotte von 10 bis 15 Elektro-Lkw an.

Wie lange reichen die Erfahrungen mit der Elektromobilität bei Ansorge Logistik schon zurück?

Auf den Weg gebracht haben wir unsere Elektrifizierungsstrategie 2016 mit den Planungen zum Elias. Dabei handelt es sich um eine mit den Partnern MAN, Toni Maurer und Sensor-Technik Wiedemann umgerüstete TGX-Zugmaschine, im Einsatz mit rund 200 Kilometern Reichweite ausgerichtet auf Vor- und Nachläufe im Kombinierten Verkehr. Die Idee dahinter war es, mit einer Eigenentwicklung die Mobilitätswende voranzubringen. Die Hersteller waren damals allesamt noch nicht lieferfähig. Ein zusammen mit MAN und Quantron/Dintec aufgebauter, optimierter Elias-Nachfolger – das war das Fahrzeug des ersten Förderaufrufs – kommt in diesen Tagen zu uns. Optimiert wurde er vor allem hinsichtlich der Batterie- und Steuerungstechnik. Aktuell haben wir im Fuhrpark einen schweren Volvo FH Electric im Einsatz.

Zur Person

  • Wolfgang Thoma ist seit 1993 Geschäftsführender Gesellschafter bei Ansorge Logistik in Biessenhofen.
  • Thoma, Jahrgang 1955, studierte Rechtswissenschaften in Augsburg und erhielt danach seine Zulassung als Anwalt.

Wunsch nach Anpassung im Förderprogramm

Ansorge Logistik-Chef Thoma begrüßt das KsNI-Förderprogramm. An einer Stelle spricht er sich aber für Anpassungen aus: Das Programm berücksichtigt bei der CO2-Ersparnis von Sattelzugmaschinen nur ein Gesamtgewicht von 18 Tonnen. Dass eine Zugmaschine 40 Tonnen Gesamtgewicht schultern, also auch einen Trailer mit 25 Tonnen Nutzlast ziehen kann, sei dabei unberücksichtigt. Thoma spricht von einem systematischen Mangel. Der 40-Tonnen-Zug mit höherer CO2-Effizienz pro Tonne sei schlechter gestellt als ein Verteiler-Lkw, zum Beispiel ein Dreiachser mit 26 Tonnen Gesamtgewicht. „Die Nutzlast müsste berücksichtigt werden“, fordert Thoma.

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