Alaska-Highway Truckertraum im hohen Norden

Foto: Werner Stumreiter 27 Bilder

Werner Stumreiter hat sich einen Traum verwirklicht. Zusammen mit seiner Ehefrau Rita ist er seit einigen Jahren Trucker in Nordamerika. Von seinen Erlebnissen auf dem Alaska-Highway erzählt er exklusiv für eurotransport.de

Ich hätte es wissen müssen: Bisons sind unberechenbar!  Aber die Versuchung, zwei Bisons bei einer Rangelei im Morgengrauen zu filmen, ist einfach zu groß. Ich stoppe meinen Peterbilt aber während ich hektisch meine Kamera suche, haben es sich die beiden Kolosse anders überlegt: Sie rasen plötzlich auf meinen Truck zu und es sieht ganz so aus, als würden sie meinem schönen „Pete“ ein paar gewaltige Dellen verpassen. Schnell entscheide ich mich, die Kamerasuche sein zu lassen, einen größeren Gang einzulegen und mit schleifender Kupplung das Weite zu suchen …
 
Dieses Erlebnis hatten meine Frau Rita und ich vor ein paar Jahren auf dem Alaska-Highway. In der Zwischenzeit sind wir ihn schon mehrmals gefahren. Wir haben Grizzlys, Schwarzbären, Wölfe, Elche, Karibus, Steinböcke und viele andere Tiere gesehen und aus gebührendem Abstand fotografiert. Und wir haben Nordlichter am Nachthimmel flackern sehen. Der Highway ist Sommers wie Winters eine der Traumstraßen der Welt.

Alaska-Highway: Strategische Straße im 2. Weltkrieg

Gebaut wurde diese Straße in Rekordzeit von acht Monaten von mehr als 10.000 US-Soldaten. Im Dezember 1941 hatten die Japaner Pearl Harbour überfallen, und die USA fürchteten, dass sie auch Alaska überfallen könnten. Am 6. März 1942 begann der Bau. Für die Streckenführung gab es keinen Plan. Das Land war noch gar nicht kartographiert. Erkundungsflugzeuge und Militärs bestimmten wo es lang geht.
 
Weihnachten vor drei Jahren stellte uns Phil, unser Dispatcher vor die Wahl, eine Ladung nach Laredo/Texas oder eine nach Whitehorse/Yukon zu bringen. Rita tendierte zu 40 Grad plus, ich zu 40 Grad minus. Sonne konnten wir immer haben, dachte ich, aber auf den Spuren von Jack London wandeln? Und außerdem: Zu Weihnachten gehört Schnee! Also, ging es die 1.420 Kilometer von Dawson Creek/British Columbia in Richtung Norden nach Whitehorse.

Winterpackage ist unbedingtes Muss

Wer in den hohen Norden fährt sollte ein Winterpackage dabei haben. Ausreichend warme Kleidung, ausreichend Essen und Trinken, Spaten, Schneeketten, und einen Elchfänger vor dem Kühler. Jährlich hauchen da oben unzählige Elche und gut ein Dutzend Bisons ihr Leben am Elchfänger aus. Wir haben keine Moose Bar vor dem Kühler, drum gab uns Phil noch den Rat, keinesfalls einem Elch auszuweichen. Schließlich könne es Tage dauern bis Dr. Hook, der Abschlepper, kommt und einen aus dem Graben zieht. Ein weiterer wichtiger Tipp: Den Tank höchstens bis zur Hälfte leerfahren. Bei Schneesturm kann es sein, dass man drei Tage eingeschneit ist. Und da muss der Motor am Laufen gehalten werden, sonst kriegt man den vielleicht nicht wieder an.
 
Bis Grand Prairie gibt es an der Strecke ganz normale kanadische Prärie zu sehen. Allmählich verschwinden die Zäune, der Gegenverkehr wird seltener. Es wird einsam. Dawson Creek ist der Anfang des Alaska Highways. Eine Goldgräberstadt, aber das Gold hier ist zähflüssig, schwarzbraun und stinkt. Allmählich hört die Landwirtschaft auf. Nur die Strommasten und die Postkästen am Straßenrand erinnern daran, dass hier irgendwo  Leute leben.
 
Am Heiligen Abend um 14 Uhr sollten wir in Whitehorse anliefern. Wir hatten also ausreichend Zeit. Ein paar Stunden Schlaf waren drin. In Watson Lake machten wir Halt, das Thermometer zeigte 42 Grad unter Null. Also Motor auf 1.100 Umdrehungen stellen, im Standgas wird er kalt und versottet. Ohrstöpsel rein.

42 Grad unter Null: Öl wird so hart wie Asphalt

Nach zwei Stunden wache ich auf, ich vermisse das Rattern des Kühlers. Raus in die Kälte, nachsehen. Der Deckel des Ölbehälters hat sich gelöst und das Motoröl ist ausgelaufen, solange bis ein Sensor den Motor abgestellt hat. Das ausgelaufene Öl ist fest wie Asphalt. Keine Chance irgendwo eine Werkstatt zu finden. Selbst, wenn ich genügend Öl gehabt hätte, der Motor wäre bei diesen Temperaturen nicht gestartet. Also: Gas geben und hoffen, dass die Temperatur im Laderaum in den nächsten vier Stunden nicht allzu sehr absinkt. Der Kühler funktioniert ja hier als Heizer.

Bei Walmart kennt man das Problem, wir sind nicht die ersten, denen die Trailerheizung kaputtgeht. Also wird die Entladung vorgezogen. Trucker laden in Kanada nicht selber ab, deshalb können wir uns Whitehorse mit der Zugmaschine ansehen.
 
Von Whitehorse aus wurden die Goldgräber  und Glücksritter von Dawson City während des Goldrauschs ab 1898 von sieben Raddampfern, baugleich den Mississippi-Steamern, mit allem Nötigen versorgt. Einer steht am Ufer des Yukon als Museum. Viele Häuser sind noch aus dieser Zeit.

Es wird wärmer, circa minus 25, und das ausgelaufene Öl wird allmählich wieder flüssig und tropft in den weissen Schnee. Gegen 14 Uhr ist unser Trailer leer, und wir machen uns auf den Weg in den Süden. Rückladungen von hier oben gibt es keine. Es wird schon allmählich dunkel, mein linker Blinker geht nicht, aber wen juckt das wohl hier oben. Ich muss nach links auf den Alaska-Highway nach Süden einbiegen. Zu spät bemerke ich, dass das Auto hinter mir ein Polizeiauto ist.

Ein Honeybear macht Schwierigkeiten

Constable Tayler, eine hübsche Frau in den Dreißigern, kommt richtig wütend auf mich zu. Ich stelle mich unwissend. Als ich vor fünf Minuten meine Abfahrtskontrolle gemacht habe, ist der Blinker noch gegangen, behaupte ich. Dagegen kann sie nichts machen. Aber Tayler ist nicht auf den Kopf gefallen. Kein Ticket, aber ohne linken Blinker hier oben in der Einsamkeit des Nordens sei es viel zu gefährlich, sagt sie. Und Werkstätten hätten jetzt auch keine mehr auf. Wir sollten zurück auf den Walmartparkplatz und morgen früh in die Werkstatt. Der Honeybear, so werden in Kanada weibliche Cops genannt, organisiert per Funk einen zweiten Streifenwagen – und so fahren wir im Konvoi die 500 Meter zurück zum Parkplatz.
 
Rita und ich sehen uns an, besser hätte es nicht laufen können. Wer kann schon Weihnachten am Yukon River feiern. Whitehorse hat ein paar schöne Restaurants,  richtige Saloons, es gibt gutes Bier aus einer örtlichen Brauerei, Rentierbraten, Steaks, Lachs …
 
Tatsächlich kommt am Weihnachtstag, morgens um acht Uhr, es ist noch stockdunkel, ein Mechaniker. Wir fahren, diesmal ohne Polizeibegleitung, in die geheizte Werkstatt einer Spedition. Der Mechaniker und ich, wir kommen ins Gespräch. Seine Firma bringt im Winter Kupfererz von einer Mine weiter nördlich nach Skagway, am Pazifik, von dort wird es nach China verschifft.

Ice Road Trucker: Werner will’s ausprobieren

Die Route führt teilweise übers Eis. Wir bezahlen zwei Dollar die Meile, lockt John, der Mechaniker. Einen Winter könnte man das doch ausprobieren, denke ich, aber Rita ist entschieden dagegen. Sie will nicht ins Eis einbrechen und ertrinken. Frauen … John sagt, dass seit Bestehen der unzähligen Ice Roads lediglich ein Trucker tödlich verunglückt ist. Aber vier Stunden Tageslicht und bei 20 Meilen pro Stunde durch eine verschneite Ebene tuckern, das ist Ritas Sache nicht. Na, ganz ehrlich, meine auch nicht.
 
Das Blinkerrelais ist schnell gewechselt. John teilt Constable Tayler per Telefon mit, dass unser Truck wieder verkehrssicher ist. Wir machen uns auf den Weg, das kurze Tageslicht zu nutzen. Übermorgen werden wir wieder in der Zivilisation sein, in Edmonton, der Erdölstadt. Es gäbe da noch zwei weitere Walmarts im Norden, in Yellowknife/Yukon und einen in Labrador City.  In Labrador, da sollen noch große Karibuherden zu sehen sein. Schau‘n wir mal.

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