Truck Talk Podcast (2) Der Wille des Fahrers

Folge 2 zum Truck Talk Podcast beschäftigt sich mit der Rückkehrpflicht Foto: Jan Bergrath
Podcast

Götz Bopp und Jan Bergrath diskutieren im Truck Talk über die politische Kommunikation aus Brüssel zum EU-Mobilitätspaket, bei der eine Pflicht zur Rückkehr der Fahrer in die Heimat nach spätestens drei Wochen groß versprochen wurde, was aber letzten Endes „nur“ ein Recht ist, das der Fahrer allerdings nicht wahrnehmen muss.

Kaum ist der erste Teil des EU-Mobilitätspakets über die Lenk- und Ruhezeiten der Fahrer seit dem 20. August 2020 in Kraft, da zeigt sich bereits, dass der gute Wille der westlichen Politiker in Brüssel, die eine Verbesserung der miserablen Arbeitsbedingungen vor allem der osteuropäischen Lkw-Fahrer in Aussicht gestellt hatten, an den eigens dafür formulierten Gesetzestexten zu scheitern droht. Wie die belgische Polizei nun bei Kontrollen vor allem litauischer Lkw festgestellt hat, kursiert unter den Fahrern bereits eine Art Formblatt, die den Kontrollbeamten bescheinigen soll, dass sie einen Teil der Änderungen in der VO (EG) 561/2006 zwar verstanden haben, aber auf einen neuen Passus gleich wieder freiwillig verzichten wollen.

Konkret geht es um den neuen Artikel 8, Absatz 8a, der wortwörtlich heißt:

"Verkehrsunternehmen planen die Arbeit der Fahrer so, dass jeder Fahrer in der Lage ist, innerhalb jedes Zeitraums von vier aufeinanderfolgenden Wochen zu der im Mitgliedstaat der Niederlassung des Arbeitgebers gelegenen Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist und an der er seine wöchentliche Ruhezeit beginnt, oder zu seinem Wohnsitz zurückzukehren, um dort mindestens eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder eine wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden als Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit zu verbringen."

Das ist eine typische Formulierung, wie sie nach drei Jahren Verhandlungen zwischen der EU-Kommission, dem EU-Rat und dem EU-Parlament bei rund 1.500 Änderungsanträgen am Ende herausgekommen ist. Sie bedarf bereits jetzt sehr dringend einer Klarstellung durch die EU-Kommission oder letzten Endes durch den EuGH. Denn was bedeutet „in der Lage sein“ eigentlich? Fest steht: eine Pflicht, dass der Fahrer nach Hause muss, gibt es nicht. Er hat das Recht dazu. Es ist ein kleiner aber feiner Unterschied. Genauso wie die Definition, was unter den Worten „der Betriebsstätte, der er normalerweise zugeordnet ist“, Interpretationen erlaubt. Und was ist mit den Fahrern aus Georgien, aus der Ukraine, aus Weißrussland, die immer öfter von litauischen und polnischen Transportunternehmen in ganz Europa eingesetzt werden? Wie kommen sie am Ende in der gesetzten Frist wirklich nach Hause oder reicht es unter Umständen sogar, dass sie weiterhin unter denkbar nicht geeigneten Bedingungen in einer angemessenen Gemeinschaftsunterkunft auf dem Betriebsgelände einer deutschen Spedition, die zur selben Unternehmensgruppe gehört, hausen dürfen? Wenn sie es am Ende selber wollen. Jedenfalls auf dem Papier.

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Zusammen mit Fachjournalist Jan Bergrath, seit über 30 Jahren freier Autor des Truck Magazins FERNFAHRER, beleuchtet Götz Bopp in der zweiten Folge des von Mercedes-Benz Trucks unterstützten Podcast Truck Talk „Sternstunden des Mobilitätspakets“ in einem spannenden Dialog auch die Frage, was eine “angemessene Unterkunft” wirklich ist, wenn der Fahrer in der 45er Pause nicht mehr im "Einzelzimmer" seines Lkw übernachten darf, und berechnet beispielhaft, ab wann etwa ein bulgarischer Fahrer in der dritten Woche die Rückfahrt aus Amsterdam nach Sofia wieder antreten muss, um so rechtzeitig “daheim” zu sein, dass er vor dem Beginn der nächsten regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit den fälligen Ausgleich nehmen kann, sollte er in den beiden Wochen zuvor nur eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit eingelegt haben. Was ihm ja nun gestattet ist.

Die Folge 2 des Podcast bringt noch deutlicher den Widerspruch zwischen der politischen Kommunikation aus Brüssel, die eine Verbesserung der Lage vieler Fahrer zwar versprochen hat, die sich in den konkreten Gesetzestexten aber nicht immer wiederfindet, zum Vorschein. Weshalb aus dem schönen Mobilitätpaket bislang in der erste Stufe eine leider handwerklich nicht gut gemachte und sehr schwer zu kontrollierende Mogelpackung wird.

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