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Scania-Lkw bei Fahrner und Huettemann Oberleitungs-Lkw starten im Ländle

Foto: Verkehrsministerium Baden-Württemberg 10 Bilder

Nach vier Jahren Vorlauf hat Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann die dritte Teststrecke für Oberleitungs-Lkw offiziell eröffnet.

Der Oberleitungs-Lkw kann nun auch in Baden-Württemberg rollen. Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und die Staatssekretärin im Bundesumweltministerium (BMU), Rita-Schwarzelühr-Sutter, gaben am Montag die elektrifizierte Strecke im Murgtal bei Rastatt für den Verkehr frei. Die Pilotstrecke auf der B462 ist insgesamt 18 Kilometer lang. Darauf befinden sich auf beiden Fahrtrichtungen ein 2,6 und 0,8 Kilometer langer Abschnitt mit Oberleitungen. Die Kosten für das Projekt belaufen sich auf knapp 28 Millionen Euro, wovon das BMU mit 26,4 Millionen Euro aus dem Förderprogramm „Erneuerbar Mobil“ den Löwenanteil schultert, den Rest steuert das Land Baden-Württemberg bei. Die Testphase soll über drei Jahre laufen.

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Im Beisein zahlreicher Projektpartner und Pressevertreter bezeichnete Schwarzelühr-Sutter den Start als wichtigen Schritt auf dem Weg zum Klimaschutz. Durch die kürzlich erfolgte Anpassung des Klimaschutzgesetzes müsse der CO2-Ausstoß bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken, bis 2045 müsse Deutschland klimaneutral sein. Dabei brauche es sowohl die elektrifizierte Bahn als auch den elektrifizierten Güterverkehr auf der Straße. Rein batterieelektrische Lkw im Fernverkehr könne sie sich noch nicht vorstellen. „Wir brauchen für Brummis Lösungen, die jetzt umsetzbar sind“, sagte die Staatssekretärin. Die Erkenntnisse der Feldversuche mit Oberleitungs-Lkw in Hessen und Schleswig-Holstein zeigten, dass die Technik funktioniere und die Fahrer sie gerne nutzten. Das sei auch ein Pluspunkt bei der Fahrerakquise.

Auf der B462 im Murgtal über Kreuzungen und Brücken

Landesverkehrsminister Hermann hob die Besonderheiten des Feldversuchs in Baden-Württemberg hervor: Da wäre einmal das besondere Streckenprofil – der ewayBW, so der Name der elektrifizierten Strecke, verläuft durch Kurven, über Brücken und Kreuzungen und damit unter anderen Voraussetzungen als die beiden Feldversuche auf der A1 in Schleswig-Holstein und der A5 in Hessen. Ein weiteres Merkmal des baden-württembergischen Projekts ist die Integration weiterer Antriebstechnologien in den Feldversuch, der vom Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung und weiteren wissenschaftlichen Einrichtungen begleitet und ausgewertet wird.

So wird Daimler mit einem rein batterieelektrischen Lkw, einem eActros, am Versuch mitwirken. Ebenso wird sich ein Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw der Häuser Iveco und Nikola daran beteiligen, was frühestens im nächsten Jahr erfolgen dürfe. Und offiziell ist nun auch, dass Iveco einen mit Biomethan betriebenen LNG-Lkw ins Rennen schicken wird. Aktuell stehe man darüber noch in den Abstimmungen mit dem Energielieferanten, teilte ein Iveco-Sprecher am Rande gegenüber eurotransport.de mit.

64 Lkw-Umläufe mit Papier am Tag

Was Hermann an den Bedingungen auf der B462 ebenfalls imponiert, ist, dass die Oberleitungs-Lkw in einem Reallabor erprobt werden könnten. Auf der Bundesstraße wird an sieben Tagen der Woche Papier transportiert – täglich 64 Umläufe. Die Oberleitungs-Lkw fahren also keine zusätzlichen Verkehre, sondern beteiligen sich am Transport des Aufkommens, das ohnehin bewältigt werden muss. In Summe legen die Oberleitungs-Lkw pro Jahr nach der Kalkulation seines Hauses rund 250.000 Kilometer unter dem Fahrdraht zurück.

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Grünen-Politiker Hermann machte zur Eröffnung aber auch keinen Hehl daraus, dass ihm Planung und Bau der Strecke zu lange gedauert haben. Vor fast vier Jahren hatte er bei der Spedition Fahrner in Kuppenheim mit der damaligen Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) die Pläne für das Oberleitungs-Projekt im Murgtal der Öffentlichkeit vorgestellt. „Wenn wir für alles so lange brauchen, können wir den Klimaschutz vergessen, dann ist der Klimaschutz gelaufen“, sagte er und erinnerte an die vielen Proteste, die die Umsetzung des Projekts erschwerten.

Hermann kann sich vorstellen, eines Tages rund ein Drittel des Autobahnnetzes zu elektrifizieren. Wissenschaftler waren im Projekt Straton vor einem Jahr zu dem Schluss gekommen, dass mit 4.000 Kilometer elektrifizierter Strecke 80 Prozent des schweren Güterverkehrs abgedeckt wären. „Wenn wir nun für die vier Kilometer vier Jahre gebraucht haben, dürfen wir für die 4.000 Kilometer aber nicht 4.000 Jahre brauchen“, warnte er und appellierte an alle am Projekt Beteiligten, die Akzeptanz des Oberleitungs-Lkw zu verbessern. „Was wir hier erlebt haben, war unterirdisch und unsachlich“, erklärte der Minister und warnte davor „alles kaputtzureden, ehe wir loslaufen“.

Landesgesellschaft Trapico hält Oberleitungs-Lkw im Pool

Wie in Hessen sollen auch in Baden-Württemberg insgesamt fünf Oberleitungs-Lkw von Scania auf die Straße kommen. Zur Eröffnung waren drei Fahrzeuge vor Ort, wovon eines aber der Technologiekonzern Siemens und das andere die VW-Konzernforschung stellten. Verzögerungen infolge von Corona und Engpässen bei der Materialversorgung mit Halbleitern machen sich auch hier bemerkbar, sodass Scania einen Liefertermin für August anstrebt. Anders als in Hessen und Schleswig-Holstein laufen die Fahrzeuge nicht direkt bei den Praxispartnern, sondern in einem Pool bei der Landesgesellschaft Trapico. Diese stellt die Lkw dann den Logistikdienstleistern Fahrner und Huettemann zur Verfügung.

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Beide Unternehmen zeigen sich offen für die Erkenntnisse der nächsten Jahre. „Wir möchten neutral testen, welche Vorteile dieses Fahrzeugkonzept bei den bekannten Einsatzbedingungen bringt“, erläuterte Dieter Fahrner, Geschäftsführer von Fahrner Logistics, gegenüber eurotransport.de. Das Fahrzeug werde wie jeder andere Diesel-Lkw ganz normal disponiert, an sieben Tagen die Woche.

„Wir sehen als Logistikdienstleister unsere Verantwortung und öffnen uns gerne neuen Technologien“, sagte Manfred Köhler, Geschäftsführer von Huettemann Logistik, gegenüber eurotransport.de. In der Huettemann-Gruppe teste man auch den Einsatz von LNG-Lkw und von Lang-Lkw. „Wenn man es nicht ausprobiert, wird man nicht zu Erkenntnissen kommen“, sagte er.

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Und auch Siemens begrüßte den Start des dritten Feldversuchs. Das Unternehmen baute in Hessen und Schleswig-Holstein die Oberleitungs-Infrastruktur auf, in Baden-Württemberg im Zusammenspiel mit dem Unternehmen SPL. „Die neue Anlage im Murgtal ist ein wichtiger Meilenstein, um die Einsatzreife des Systems zu belegen und weitere Erfahrungen für einen breiten System-Roll-Out zu sammeln“, erklärt Hasso Grünjes, Head of eHighway bei Siemens Mobility, der zur Eröffnung ebenfalls vor Ort war. „Die auf der Schiene bewährte elektrische Oberleitung kann auch auf der Straße das Rückgrat eines klimafreundlichen Güterverkehrs werden. Das eHighway System unterstützt als dynamische Ladeinfrastruktur verschiedene Antriebstechnologien und ergänzt das stationäre Laden.“

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