Unterbrochene Lieferketten Aufbauhersteller in Bedrängnis

Mercedes-Benz eVito / eSprinter Foto: Daimler

Der Verband ZKF schlägt Alarm: Lieferschwierigkeiten der Industrie bringen Aufbauhersteller in finanzielle Bedrängnis.

Der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) mit Sitz in Friedberg/Hessen vertritt bundesweit rund 500 von über 1000 mittelständischen Aufbauhersteller, die als Unternehmen des Handwerks individuelle Aufbaulösungen für Nutzfahrzeuge produzieren. Wichtig zu wissen: 95 Prozent der von der Nutzfahrzeugindustrie ausgelieferten Lkw und Transporter sind unvollständig für den späteren Transporteinsatz und werden von einem Aufbauhersteller mit Auf- und Umbauten ergänzt. Hierzu gehören Transporter wie auch Schwerlast-Lkw jeder Klasse. Kunden dieser Um- und Aufbauten sind beispielsweise Speditionen, Handwerker, Bundeswehr oder auch Kommunen und damit Feuerwehr, Rettungsdienste und viele mehr.

Lieferschwierigkeiten der Industrie

Der ZKF beobachtet, dass seit etwa einem Jahr die Automobilindustrie vorzugsweise Fahrzeuge mit großen Margen produziert. Die restliche Produktion wurde weitestgehend heruntergefahren und das Instrument der Kurzarbeit genutzt. Den Aufbauherstellern werde von der Lkw-Industrie mitgeteilt: „Das liegt daran, dass nicht genügend Ersatzteile wie Kabelbäume lieferbar sind, die bis vor dem Krieg noch in der Ukraine gefertigt wurden.“ Aus vertrauenswürdigen Quellen hat der ZKF nach eigenen Angaben erfahren, dass beispielsweise die vorhandenen Kabelbäume vorzugsweise an Produktionswerke im Ausland geliefert werden, weil es nur in Deutschland die Möglichkeit der Kurzarbeit gibt.

Lieferung auf bis zu 24 Monate verlängert

Die offiziellen Begründungen der Lieferkettenunterbrechung führen laut ZKF dazu, dass die Mitgliedsbetriebe keine Überbrückungshilfe erhalten, denn diese sind an die Bedingung geknüpft, der Umsatzausfall müsse coronabedingt sein. Zudem werde die Produktion von Aufbauten immer mehr zu einem wirtschaftlichen Risiko für Aufbauhersteller. Die Mitgliedsbetriebe haben gefüllte Auftragsbücher und halten personelle und materielle Kapazitäten vor, können jedoch nach Angaben des ZKF unverschuldet nicht produzieren, weil sich die Lieferung von Fahrgestellen von etwa drei Monaten auf bis zu 24 Monate verlängert hat. Die aktuell stark steigenden Kosten für Material und Energie und die voraussichlich erhöhten Lohnkosten aufgrund der vorstehenden Tarifverhandlungen nehmen den Mitgliedsbetrieben des ZKF den Verbandsangaben nach die Luft. Durch die verzögerten und unkalkulierbaren Lieferzeiten für Lkw-Fahrgestellen kann derzeit kein Unternehmer abschätzen, ob ein heute angenommener Auftrag zur Auslieferung kostendeckend produziert werden kann. Das Fazit des ZKF: Die Automobilindustrie werde gefördert und mache dabei große Gewinne, während man den Mittelstand am ausgestreckten Arm verhungern lasse.

Höhere Belastungen

Parallel zu den nicht vorhandenen Fahrgestellen müssen die Fahrzeugbau-Betriebe aktuell auch noch Mehrbelastungen wie teilweise exorbitante Nachzahlungen bei Strom und Gas schultern. Hierbei werde nach Ansicht des ZKF voraussichtlich auch die zukünftige Preisbremse nicht viel helfen. Darüber hinaus führe eine nicht planbare Belieferung mit Bauteilen und Rohmaterial zu einer ineffizienten und damit nicht kostendeckenden Produktion. ­Die zwangsläufig erhöhte Lagerhaltung führt zu steigendem Finanzierungsaufwand, denn der Aufbauhersteller finanziert die Ware, die erst viele Monate später verbaut werden kann. Möglicherweise sei die Gewährleistungsfrist der Lieferanten abgelaufen, bevor die Teile eingebaut werden können, befürchtet der ZKF.

Massiv steigende Energie-, Material- und Lohnkosten können durch langfristige Vertragsbindungen nicht an die Kunden weitergegeben werden.­ Bei öffentlichen Ausschreibungen zum Beispiel für Feuerwehrfahrzeuge, sind Festpreise und verbindliche Lieferzeiten – oft mit Vertragsstrafe – gefordert, die keine Preis-Gleitklausel zulassen. Der Lieferant eines Komplettfahrzeugs erhält von der Automobilindustrie für das Fahrgestell jedoch keinen verlässlichen Lieferzeitpunkt, inzwischen oftmals auch keinen Preis. Das Risiko trage der Mittelständler, sofern er sich überhaupt noch in der Lage sehe, an einer öffentlichen Ausschreibung teilzunehmen. Die in den vergangenen beiden Jahren verordneten Corona-Schutzmaßnahmen verursachten in den Betrieben bereits in erheblichem Maß Umsatz-Ausfälle und Mehrkosten, die nach Ansicht des ZKF noch lange nicht kompensiert werden konnten. Der ohnehin belastende Fachkräftemangel im Handwerk werde zusätzlich dadurch befeuert, dass andere nicht von Corona oder vom russischen Angriffskrieg betroffene Unternehmen – vornehmlich aus der Industrie – nun die 3.000 EUR Inflationsprämie zahlen können und Mitarbeiter teilweise dorthin abwandern. Dies führe zu einem personellen Ausbluten der Betriebe.

Forderung an die Bundesregierung

Der ZKF fordert daher von der Bundesregierung unter anderem Überbrückungshilfen und Zugangserleichterungen für das Kurzarbeitergeld. Als Berufs- und Wirtschaftsverband sehen wir die große Gefahr, dass durch die derzeitige Situation handwerklich geprägte Unternehmen des herstellenden Karosserie- und Fahrzeugbaus in Deutschland diese Krise nicht überstehen werden, steuerzahlende Unternehmen aufgeben müssen und hochqualifizierte Arbeitsplätze verloren gehen. Die Wertschöpfung der derzeit noch in Deutschland produzierten Aufbauten würde demnach als Konsequenz in europäische Nachbarländer verlagert werden.

Der ZKF

Der Zentralverband Karosserie- und Fahrzeugtechnik (ZKF) ist der Berufs- und Wirtschaftsverband für die Unternehmen des Karosserie- und Fahrzeugbaus mit 3.200 Betrieben, rund 40.000 Beschäftigten und etwa 3.700 Auszubildenden. Der ZKF ist ordentliches Mitglied im Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK).

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