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trans aktuell-Symposium Fahrer im Mittelpunkt

YPTA Young Professionals Truck Award Foto: Thomas Kueppers

Beim trans aktuell-Symposium zur Aus- und Weiterbildung von Berufskraftfahrern im Rahmen des Young Professionals Truck Award (YPTA) berichteten die Referenten von ihren Erfahrungen und lieferten kreative Praxisansätze.

Die Situation könnte dramatischer nicht sein: Um das prognostizierte Güterwachstum der nächsten Jahre zu bewältigen, müssten in Deutschland jährlich 20.000 neue Berufskraftfahrer eingestellt werden. Um diese überhaupt zu rekrutieren, ist Kreativität gefragt – beim Symposium von trans aktuell auf dem Nürburgring präsentierten Unternehmen ihre Praxis-Lösungen unter dem Motto "Gute Berufskraftfahrer finden und binden". Auf dem Außengelände führte der ETM Verlag, in dem trans aktuell erscheint, seinen 3. Young Professionals Truck Award durch. Dabei dürfen angehende Berufskraftfahrer den aus ihrer Sicht besten Fernverkehrs-Lkw küren. 

Erschwert wird die Fahrersuche laut Peter Lüttjohann, Leiter des Referats Güterverkehr und Logistik beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), durch die oft negative Darstellung des Berufs: Standen früher Lkw-Fahrer im Mittelpunkt von Kultserien im Fernsehen, würden heute in den Medien nur die Probleme gezeigt. "Wir müssen wieder die Botschaft geben, dass Fahrer unverzichtbar sind", sagte Lüttjohann – zumal für den Logistik-Weltmeister Deutschland.

Jugendliche wollen ihre Freizeit flexibel gestalten können

Eine angemessene Bezahlung oder Arbeitszeiten, die eine flexiblere Freizeitgestaltung ermöglichen – das lockt Jugendliche. "Einstellungsbedingungen sind zwar Sache der Unternehmer – jedoch will die Politik diese angemessen unterstützen", betonte Lüttjohann.
Zur Sicherung des Nachwuchses im Güterkraftverkehr hat das Ministerium eng mit dem Gewerbe, Verdi, den Sozialverbänden und der Bundesagentur für Arbeit zusammengearbeitet.

Geplant sind unter anderem Werbemaßnahmen für den Fahrerberuf in neuer Form, die gezielt Jugendliche ansprechen, und Infoveranstaltungen direkt bei Unternehmen, um Jobvermittlern bei den Arbeitsagenturen den Arbeitsalltag zu erklären.
Ein anderes Format ist für Arbeitgeber vorgesehen, die sich über die bestehenden Fördermaßnahmen informieren wollen – etwa das Vier-Phasen-Modell der Bundesagentur für Arbeit zur Qualifizierung von Zuwanderern. Entsprechende Pilotveranstaltungen fanden bereits statt und werden auf ihren Nutzen hin evaluiert. "Der Berufskraftfahrer hat auf alle Fälle dank der Wachstumsprognosen einen sicheren Arbeitsplatz. Trotz der Modelle zum autonomen Fahren – ganz im Gegenteil, das macht das Ganze noch spannender", sagte Lüttjohann und appellierte an die Unternehmer: "Bilden Sie aus!"

Nicht nur große Firmen und Mittelständler sollten ausbilden

Dabei ist es auch wichtig, dass nicht nur die großen Firmen und Mittelständler ausbilden. Es koste auch gar nicht so viel, sagte Adalbert Wandt, Präsident des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL): "Wir brauchen aber dringend auch Ausbildungsbetriebe mit fünf bis zehn Lkw, die Ausbildung etwa im Verbund mit anderen und mit Werkstätten anbieten."

Den Fahrerberuf sieht Wandt auf Dauer – ebenso wie Hubertus Goldkuhle, zuständig für die Verbandsbetreuung von Mercedes-Benz Lkw in Deutschland. Er warb dafür, beim Fahrzeugkauf nicht nur Kraftstoff- oder Betriebskosten im Auge zu haben, sondern etwa neue  Features wie einen Abbiegeassistenten auch als Pluspunkt bei der Fahrergewinnung einzusetzen. Die technischen Fortschritte, etwa im Rahmen der Konnektivität, seien dabei auch ein Element des autonomen Fahrens von morgen. Dies und das Platooning von Lkw helfe dabei, so Goldkuhle, dass mehr Waren auf der vorhandenen Infrastruktur befördert werden können. "Wir wollen den Fahrer  nicht ersetzen." Stattdessen würden dessen Aufgabengebiet und Möglichkeiten erweitert, zudem stärke das autonome Fahren das Image und die Zukunftsfähigkeit des Berufes.

BGL-Präsident Wandt ist überzeugt, dass es auch künftig intelligente Fahrer braucht – wer sonst könne den ansonsten autonom fahrenden Lkw zwischen den Pkw auf der Autobahn-Auffahrt einfädeln? "Was ich mir aber vorstellen kann, sind etwa automatisierte Rangierarbeiten – etwa in einem Hub der Pakethersteller." Was dem Fahrerimage abträglich ist, ist laut Wandt das gesunkene Lohnniveau, der große Be- und Entladeanteil der Arbeit und die Behandlung an der Rampe – dies müsse zusammen mit den Verladern geändert werden.

Die angenehmen Seiten des Fahrerberufs zeigte Reinhard Buchsdrücker auf, Projektleiter Fahrsimulation bei Dekra. Gemeinsam mit Journalist Jan Bergrath entwickelte er praktische Rezepte für unterwegs und packte alle in ein Kochbuch. Auch informierte er über Neuerungen beim Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz (BKrFQG): Maximal 25 Teilnehmer in den Schulungen, weniger Frontalunterricht und individuellere Einheiten seien unter anderem das Ergebnis. Die Vorträge machen deutlich: Ein Patentrezept zur Fahrergewinnung gibt es nicht, aber es lohnt sich, an den verschiedensten Punkten anzusetzen.

Kreative Praxisansätze aus der Branche

Die Kinder von heute sind die Fahrer von morgen: So lautet der Ansatz der Göppinger Schwarz Gruppe, die 105 Fahrer beschäftigt, darunter 14 BKF-Azubis. "Wir machen regelmäßig Aktionen zum toten Winkel in den Grundschulen – die Schüler lernen die zur Schwarz Gruppe gehörende Wackler Spedition schon früh kennen", sagt Schulungsleiter Manfred Hanitsch. Auf Talentsuche geht er ebenso in den Fahrschulen und bei Bildungsträgern, wo er auch anbietet, eine Unterrichtsstunde zu halten. Der Einstieg in die Ausbildung ist dann meist ein einwöchiges Praktikum im Rahmen der Schwarz-Akademie: "Wir erkennen so die Schwächen, gleichzeitig lernt der Praktikant, ob der Beruf der richtige ist."

Ausbilder nur "nebenbei" sein, das ist laut Hanitsch schwierig. Die meisten Azubis kommen nach seiner Erfahrung nicht mehr ohne gezielte Förderung aus. Das bedeutet für ihn, seinen Auszubildenden auch mal Matheaufgaben zu geben und die Ergebnisse zu kontrollieren sowie Fragen zu beantworten, die in der Berufsschule unbeantwortet bleiben. Zu den Aufgaben gehören auch die Erstellung eines Versetzungsplans zwischen den einzelnen Abteilungen, innerbetriebliche Schulungen, E-Learning und weitere gemeinsame Veranstaltungen. Entsprechend müssen Ausbilder und Trainer qualifiziert sein, die sich mit der Ausbildung beschäftigen, sagt Hanitsch.

Der Logistikdienstleister Dachser aus Kempten geht noch einen Schritt weiter. Seit 2015 gibt es eine Dachser-Tochterfirma für den Bereich Service und Ausbildung sowie die neu geschaffene Stelle des Fuhrparkmanagers. Dieser stellt den Ansprechpartner für sämtliche Schnittstellen und vor allem für die Fahrer und BKF-Azubis dar. Nicht zuletzt die Transportunternehmen von Dachser profitieren vom neuen Konzept. "Wir nehmen ihnen nicht die Fahrer weg – sie bilden mit uns gemeinsam aus und beschäftigen die Absolventen nach der Ausbildung", erklärte Hendrik Jansen, Geschäftsführer der Tochterfirma Dachser Service und Ausbildung.

Zur Fahrergewinnung nutze man auch erfolgreich soziale Netzwerke wie Facebook. Momentan arbeiten 39 der insgesamt 41 Dachser-Standorte in Deutschland mit dem Konzept. "Vor allem müssen wir am Fahrer-Image schrauben", erklärte Jansen. Termindruck, die genaue Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten, aber auch das teilweise nachlässige Aussehen und Auftreten mancher Fahrer mache den Beruf für den Nachwuchs nicht attraktiv. Die oft als zu niedrig eingestufte Bezahlung sieht er dagegen nicht als Hauptgrund.

Dachser setzt auf ein langfristiges und nachhaltiges Konzept

Dachser wolle mit der eigens gegründeten Firma den Beruf wieder attraktiv machen und setze auf ein langfristiges und nachhaltiges Konzept. "Die Qualität steht im Fokus, nicht die Quantität", sagte Jansen. Fünf Azubis auszubilden, von denen drei die Ausbildung abbrechen, sei nicht das Ziel.

Von null Abbrüchen berichtete Richard Küppers, Betriebsleiter bei Emons Transporte in Köln. Emons bildet an 22 Standorten 23 Fahrer-Azubis aus und setzt dabei vor allem auf traditionelle Werte. "Wir sind ein reiner Familienbetrieb mit insgesamt 2.450 Beschäftigen an den weltweit 90 Standorten und messen unseren Fahrern eine hohe Bedeutung bei", erklärte Küppers. Die Wertschätzung drücke sich durch modernes Equipment aus, Fahrereinweisungen und -qualifikationen, Fahrtrainings, ein Prämien- und Bonussystem sowie das Emons-Nach­wuchs­programm.

"Wir besuchen unter anderem Messen, Schulen, werben auf Facebook und unterstützen die Rhein-Flanke, ein Projekt für Jugendarbeit und Flüchtlingshilfe", umschreibt Küppers die Aktivitäten zur Fahrergewinnung. Über Rhein-Flanke konnten auch Flüchtlinge bei Emons integriert werden. Das Engagement zahlt sich aus: Emons heimste mehrere Auszeichnungen als bester Ausbildungsbetrieb für Berufskraftfahrer ein. Zudem bleiben laut Küppers die meisten Azubis nach der Lehre der Firma erhalten, die auch weiterhin genügend Bewerbungen bekommt. "Nicht jeder erhält einen Vertrag", sagte Küppers. Wie bei Dachser zähle statt Masse Klasse.

Initiative Fair Truck der Logistik-Initiative Hamburg

Um Qualität geht es auch der Initiative Fair Truck der Logistik-Initiative Hamburg und mehreren Speditionen. BKF können über die Website www.fair-truck.de oder per App die registrierten Unternehmen bewerten. Kriterien sind etwa die Sicherheit der Fahrzeuge oder eine faire Bezahlung. "Wir geben damit den Fahrern eine Stimme", erklärte Initiator Werner Gliem. Das erhöhe die Attraktivität des Berufs. Die Fahrer müssen sich zwar registrieren, die Bewertung erfolgt aber anonym. Ebenso haben die bewerteten Unternehmen keine Veröffentlichung der Ergebnisse zu befürchten.

Zu den Unternehmen, die sich über die Plattform beurteilen lassen, gehört auch Hermes Deutschland. Andreas Schuchardt, zuständig für das bundesweite operative Geschäft, wirbt für mehr Partner: "Uns fehlen mehr als 20.000 Fahrer in Deutschland, wir müssen den Berufsstand aufwerten." Die Partner unterschreiben einen Codex für den fairen Umgang mit Fahrern. "Die Kritik war bisher immer konstruktiv, ein Mitarbeiter kümmert sich um die Missstände", sagte Schuchardt. Die Logistik-Initiative Hamburg prüft die Kritik ebenfalls. Bisher schneiden die Partner-Firmen durchweg gut ab. "Klar, wenn es im Unternehmen nicht gut läuft, melde ich mich nicht bei einer solchen Plattform an", erklärt Schuchardt. Weitere Partner wären wünschenswert, denn gute Fahrer bekommt nur, wer auch ein gutes Arbeitsumfeld bietet.

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