Präventive Alkoholkontrollen Volle Treffer

Jan Bergrath Foto: Jan Bergrath
Meinung

Zum dritten Mal führte das Verkehrskommissariat Walldorf eine großangelegte präventive Alkoholkontrolle auf drei Rastanlagen an der A5 und der A6 durch. Das Ergebnis: 33 Fahrer waren zum Ende des Sonntagsfahrverbots immer noch betrunken. Und mindestens zehn hätten nicht im Lkw übernachten dürfen.

Es ist schon beinahe Routine: Bei der dritten großangelegten präventiven Alkoholkontrolle des Verkehrskommissariats Walldorf am 9. Dezember auf drei Rastanlagen der Autobahnen A5 und A6 rund um das Kreuz Walldorf wurden ab 21.00 Uhr – also kurz vor Ende des Sonntagsfahrverbotes und vor Beginn der möglichen Weiterfahrt – insgesamt 485 dort stehende Lkw überprüft. Die Fahrer von 126 weiteren Lkw konnten laut Polizei nicht kontrolliert werden. Entweder, weil diese die Tür nicht geöffnet haben, also möglicherweise fest schliefen, oder weil diese nicht in oder an ihrem Fahrzeug angetroffen wurden.

Trauriger Spitzenreiter mit 2,3 Promille

Am Ende der rund vierstündigen Kontrolle lautete das buchstäblich ernüchternde Ergebnis: 33 potenzielle Fahrzeugführer standen noch unter Alkoholeinfluss von mindestens 0,5 Promille. Davon waren 15 Fahrer mit Alkoholwerten von über einem Promille deutlich alkoholisiert. Der "Spitzenreiter" hatte knapp 2,3 Promille in der Atemluft.

Die Nationalitäten blieben wie bei den drei letzten Kontrollen im Wesentlichen gleich: Die Lkw-Fahrer kamen aus Bulgarien, Polen, Litauen, Tschechien, Rumänien, Türkei, Slowakei, Slowenien, Ukraine und Weißrussland.

Streife rettet verletzten polnischen Fahrer mit Alkoholvergiftung

Besonders erschreckend: Als eine Streife bereits um 17.00 Uhr auf der mit 340 Lkw komplett überbelegten, erst vor vier Jahren erweiterten und modernisierten Tank- und Rastanlage Kraichgau-Süd an der A6 die Fahrzeuge zählten, baten drei leicht alkoholisierte osteuropäische Fahrer die Polizeibeamten um Hilfe. Denn sie vermissten einen polnischen Kollegen. Die Beamten fanden den Fahrer schließlich auf dem Kabinenboden seines Lkw in seinem Erbrochenen liegend und verständigten den Notarzt, der den ihn Lebensgefahr schwebenden Fahrer mit einer schweren Alkoholvergiftung ins Krankenhaus einlieferte. Mittlerweile wurde der Fahrer ins Klinikum Heilbronn verlegt. Dort wurden schwere Verletzungen am Kopf festgestellt. Ob diese durch einen möglichen Sturz aus dem Lkw herrühren oder Folge eines weiteren Kapitalverbrechens unter betrunkenen Fahrern aus Osteuropa sind, wird nun ermittelt.

Frachtpapiere beschlagnahmt bis nüchterne Weiterfahrt möglich

Allen alkoholisierten Fahrern wurde die Weiterfahrt untersagt und deren Frachtpapiere beschlagnahmt. Die Fahrzeugschlüssel wurden ihnen aufgrund der kalten Witterung belassen. Eine Nachkontrolle der Polizei Walldorf am Montagmorgen ergab noch bei fünf dieser Fahrer Promillewerte, die eine anhaltende Untersagung der Weiterfahrt erforderlich machten. Der "Spitzenreiter" der Nacht hatte am Montagmorgen immer noch 0,94 Promille. Die Frachtpapiere blieben bis zur Erlangung der Nüchternheit der jeweiligen Betroffenen weiterhin in polizeilicher Verwahrung.

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Landesweite Aktion der Polizei

Kontrollen wie die des Verkehrskommissariats Walldorf gab es am vergangenen Sonntag erstmals landesweit im Bereich aller zwölf baden-württembergischen Polizeipräsidien. Das konkrete Ergebnis des Innenministeriums aus Baden-Württemberg wird nachgereicht.

Für die Polizei lautet die schreckende Erkenntnis, die diese Form der potentiellen Gefahrenabwehr allemal begründet: „Nach nunmehr drei Großkontrollen wissen wir, dass bis zu zehn Prozent der meist osteuropäischen Fahrer ein Alkoholproblem haben“, so Polizeidirektor Dieter Schäfer. „Richtig beängstigend werden die Gefahrdimensionen, wenn wir das Problem auf die tägliche Durchfahrtsmenge von 20.000 Lkw am Walldorfer Kreuz ummünzen. Denn geschätzt 70 Prozent dieser Fahrer sind Osteuropäer.“

Einer von ihnen hat den dringenden Appell allerdings nicht gehört: Bereits am Samstag gegen 15 Uhr strandete ein weißrussischer Fahrer auf einem litauischen Lkw mit 1,8 Promille auf dem Grünstreifen einer Landstraße in der Metropolregion Rhein-Neckar.

Verstoß gegen das Verbot, die regelmäßige Wochenruhezeit im Lkw zu verbringen

Für mich persönlich der beinahe interessanteste neue Aspekt: Erstmalig wurden bei den Kontrollmaßnahmen auch die bestehenden Sozialvorschriften mit Schwerpunkt des unerlaubten Verbringens der regelmäßigen Wochenruhezeit im Fahrzeug überprüft.

Bei den zeitintensiven Kontrollen durch speziell ausgebildete Beamte konnten bei zehn der 15 stark alkoholisierten Fahrern Verstöße festgestellt werden. Oder anders gesagt: diese Fahrer hätten zu diesem Zeitpunkt eigentlich gar nicht im Lkw sein dürfen. Das ist auch in Deutschland seit September 2017 durch eine Ergänzung im deutschen Fahrpersonalgesetzt verboten. Immer wieder habe ich seither die Kontrolltaktik des Bundesamtes für Güterverkehr, BAG, in Frage gestellt.

Die sieht im Prinzip bis heute so aus: Wenn die Straßenkontrolleure sich an einem Sonntag zu einer Kontrolle auf eine Tank- und Rastanlage aufmachen, dann lassen sie sich lediglich den Tagesausdruck aus dem digitalen Tacho zeigen. Ist der im Lkw angetroffene Fahrer dann noch innerhalt der 45 Stunden Ruhezeit, so passiert ihm nichts. Erst wenn der Fahrer zum „Tatzeitpunkt“ länger als 45 Stunden im Lkw ist, wertet es das BAG als Verstoß. Denn laut Definition aus der VO (EG) 561/2006 muss die reduzierte wöchentliche Ruhezeit mindestens 24 Stunden betragen, sie kann demzufolge allerdings bis zu 44 Stunden und 59 Minuten dauern. Heißt: Erst ab der 45sten Stunde im Lkw bekommen der Fahrer und gleichzeitig sein Unternehmer ein Bußgeld. 500 und 1.500 Euro.

Daraus resultieren auch die mageren Kontrollergebnisse: Seit Einführung des Verbots bis zum 31.07.2018 hat das BAG an 30 Sonntagen Kontrollen durchgeführt. Dabei wurden sonntags 4.254 Fahrzeuge überprüft. Sage und schreibe 23 Fahrer wurden beanstandet. Angesichts der von mir immer wieder angeführten Tatsache, dass im Transitland Deutschland am Wochenende entlang der wichtigsten Autobahnen alle Lkw-Parkplätze belegt sind gibt die BAG-Auswertung offenbar ein vollkommen falsches Bild der tatsächlichen Lage.

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Grund für die hohe Trefferquote der Polizei

Anders die Kontrolleure der Polizei: Sie haben nämlich, so wie es auch in Belgien gemacht wird, anhand der Fahrerkarte die letzten 28 Tage ausgewertet und sich so ein Gesamtbild über die wöchentlichen Ruhezeiten der Fahrer verschafft. Auf Grund der zeitintensiven Kontrollen konzentrierte sich die Polizei dabei ausschließlich auf 15 der ertappten alkoholisierten Fahrer.

Zehn der betroffenen Fahrer hatten an diesem Wochenende nachweislich ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit im Lkw verbracht oder mussten sie dort zwangsläufig vollenden, da sie die Woche zuvor bereits verkürzt hatten.

Die Verkehrspolizei Walldorf jedenfalls schätzt, dass an diesem Wochenende ein erheblicher Teil der 611 rund um das Kreuz Walldorf auf Rastanlagen stehenden Fahrer ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit eingelegt haben.

Die Wochenruhezeit-Taktung

Entscheidend ist für die Polizei die Taktung, die nur anhand der Daten der Fahrerkarten zu erkennen ist. Hiernach hat der Lkw-Fahrer in zwei jeweils aufeinander folgenden Wochen entweder zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten von 45 Stunden oder eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit und eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 Stunden einzuhalten. Demnach ist eine Ruhezeit von mindestens 45 Stunden am Stück nur alle zwei Wochen nötig. Sie muss außerhalb des Lkw erfolgen.

Am Ende kommt das BAG ins Spiel

Das BAG wurde von meiner kurzfristigen Anfrage auf dem falschen Fuß erwischt und will sich erst am Donnerstag dazu äußern. Ich werde die Antwort ebenfalls nachreichen. Ironie der Geschichte: Als für Ausländer zuständige Bußgeldbehörde muss sich das BAG nun in Kürze mit den Anzeigen der Polizei für die zehn osteuropäischen Fahrer, die unerlaubt in Kraichgau-Süd im Lkw übernachtet haben, befassen.

Das Fazit des Innenministeriums Baden-Württemberg

Innenministerium Baden-Württemberg Foto: Innenministerium Baden-Württemberg

"Trotz regionaler Unterschiede kann festgestellt werden, dass der (übermäßige) Alkoholkonsum vor Ende des Sonntagsfahrverbots kein lokales Phänomen ist", heißt es aus Stuttgart. Und weiter: "Grundsätzlich ist für das Kontrollverhalten zu sagen, dass die Kontrollen des gewerblichen Güter- und Personenverkehrs stets ganzheitlich stattfinden, sodass auch die Überprüfung der Fahrtüchtigkeit ein fester Bestandteil jeder Kontrolle ist." Mit der Kontrollaktion sei das Phänomen bei den Dienststellen noch deutlicher bewusst gemacht worden, sodass die Erkenntnisse in die örtlichen Konzepte einfließen und künftig besonders im Fokus stehen würden. Im Rahmen der künftigen landesweiten Verkehrsüberwachungsaktionen mit dem Kontrollschwerpunkt Alkohol und Drogen im Straßenverkehr sollen diese flächendeckenden Kontrollen wiederholt werden.

Das BAG verteidigt seine Kontrollpraxis

"Nach dem Inhalt Ihres Beitrages ist davon auszugehen, dass die Polizei bei der Kontrolle für eine evtl. Anzeige nicht nur die tatsächlich eingelegte Ruhezeit zugrunde gelegt hat, sondern auch die einzulegende Ruhezeit", heißt es in der nun vorliegenden Antwort aus Köln. Und weiter: "Das BAG vertritt in Übereinstimmung mit dem BMVI die Auffassung, dass eine Ahndung wegen des Verstoßes nach § 8a Abs. 1 und Abs.2 FPersG voraussetzt, dass eine reguläre Wochenruhezeit eingelegt worden ist und nicht, dass sie eingelegt werden musste. Auch muss diese nachweislich im Fahrzeug verbracht worden sein."

Sprich: Auch wenn ein kontrollierter Fahrer zwangsläufig seine regelmäßige Wochenruhezeit im Lkw verbringt, ahndet das BAG dies erst, wenn er die vollen 45 Ruhestunden in seiner Kabine erreicht hat. Kein Wunder, dass die Trefferquote so gering ist.

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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