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Mehr Fairplay in Transport und Logistik Schluss mit Sozialdumping auf der Straße

Foto: BALM/Peter-Paul Weiler

Sozialdumping beenden, Strafen bei Verstößen erhöhen, Fahren mit 17 ermöglichen, Bürokratie beim Führerschein abbauen – wie die Ampel-Fraktionen die Transport- und Logistikbranche stärken wollen.

Die Not ist groß. Wer ein besseres Umfeld für die Transport- und Logistikbranche schaffen und die Berufe in dem Sektor attraktiver gestalten möchte, muss nicht nur an einer Baustelle, sondern gleichzeitig an vielen Baustellen arbeiten. Dass der Handlungsbedarf riesig ist, belegt aktuell auch ein gemeinsamer Antrag der Ampel-Fraktionen im Bundestag, der mit der Mehrheit der Stimmen von SPD, Grünen und FDP verabschiedet wurde. Die Linke enthielt sich, Union und AfD votierten dagegen, sie hatten eigene Anträge ins Parlament eingebracht.

In dem Papier mit dem Titel „Transportlogistik für Deutschland sichern – mit fairen Arbeits- und Wettbewerbsbedingungen im Straßengüterverkehr“ machen die Ampel-Fraktionen gleich an acht Stellen Handlungsbedarf aus, wenn es darum geht, die Rahmenbedingungen für die Branche zu verbessern. Aktiv werden muss die Bundesregierung „im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel“ demnach auf folgenden Feldern: bei den Arbeitsbedingungen, den Kontrollen, dem Image, der Zuwanderung, der Fahrerqualifizierung, bei Lkw-Parkplätzen sowie mit Blick auf Schiene und Wasserstraße. Der aufgelistete neunte Punkt lässt sich kurz abhandeln: Zum Schluss ihres Papiers formulieren die drei Fraktionen den Wunsch, dass der Verkehrsausschuss bis Ende 2024 über die Fortschritte in den aufgeführten acht Handlungsfeldern informiert wird.

Fahrer seit mehr als zehn Jahren nicht mehr kontrolliert

Der Aussprache im Bundestag waren mehrere Anhörungen in diesem und im vergangenen Jahr vorausgegangen, in denen Branchenvertreter von Verbänden, Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen ihre Sicht der Dinge dargestellt und Empfehlungen ausgesprochen hatten. Thomas Fiala, Hauptkommissar im Polizeipräsidium Köln, etwa hatte die aus seiner Sicht unzureichende Kontrolldichte des Lkw-Verkehrs kritisiert. Er höre, dass einzelne Fahrer zehn Jahre und länger nicht mehr kontrolliert worden seien. Auch seien die Bußgelder bei Verstößen im europäischen Vergleich „geradezu lächerlich und nicht abschreckend.“

Prof. Dr. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), hatte bei den Anhörungen appelliert, Sozialdumping und Nomadentum entschieden zu bekämpfen. Nun lobt er, dass das Parlament den Ball aufgenommen habe. „Die Bundesregierung muss jetzt zügig Taten folgen lassen, denn die Situation in der Branche ist sehr ernst“, sagte er in einer Reaktion auf den beschlossenen Ampel-Antrag. „Und sie wird durch den geplanten Lkw-Mauthammer ab Dezember nicht leichter.“

Was nun passieren muss

Auf folgende acht Punkte zielt der gemeinsame Antrag der SPD-, Grünen- und FDP-Fraktionen nun konkret ab:

1. Bekämpfung wettbewerbsverzerrender und unfairer Arbeitsbedingungen
- durch eine wirksamere Kontrolle des Mindestlohngesetzes bei grenzüberschreitenden sowie bei Kabotage-Verkehren
- durch eine bessere Berücksichtigung der sozialen Bedingungen sowie der Tariftreue bei öffentlichen Vergaben
- durch eine Verbesserung der Situation an den Laderampen, auch was Zugang von Fahrern zu Sanitär- und Pausenräumen angeht
- durch Prüfen, wie Lkw-Kabinen vergrößert werden können – etwa um ein Modul für Dusche oder WC

2. Kontrollen in der Transport- und Logistikbranche intensivieren
- durch mehr Personal bei den Kontrollbehörden, Schulungen und Bündelung von Kompetenzen
- durch eine effektivere Nutzung der Daten aus den digitalen Kontrollgeräten
- durch konsequenteres Ahnden von Verstößen gegen Sozial-, Arbeits- und Steuerrecht in der Transport- und Logistikbranche, zum Beispiel durch „empfindliches Anheben“ der Bußgelder

3. Image und Beschäftigungssituation verbessern
- durch arbeitsmarktpolitische Strategien mit der Bundesagentur für Arbeit
- durch Förderung von Maßnahmen, um Frauen den Einstieg in die Logistikberufe zu erleichtern
- durch Unterstützung von Mittelständlern, die bei der Fahrerausbildung kooperieren

4. Zuwanderung erleichtern
- durch Prüfen, wie der Sprachkatalog beim Führerscheinerwerb um weitere Sprachen wie Albanisch oder Serbisch erweitert werden kann
- durch Ableisten der Berufskraftfahrerqualifikation in den Sprachen, in denen auch der Führerschein erworben wird
- durch eine vereinfachte Anerkennung ausländischer Führerscheine
- durch eine vereinfachte Visa-Erteilung für Fahrer aus Drittstaaten

5. Berufskraftfahrerqualifizierung entbürokratisieren
- durch Reduzierung der Praxisstunden beim Führerscheinerwerb
- durch einfachere Führerscheinverlängerung
- durch begleitetes Fahren ab 17 im Rahmen der Berufskraftfahrerausbildung
- durch Aufheben des Wohnortprinzips bei Führerscheinerwerb und Berufskraftfahrerqualifikation

6. Lkw-Parkplatzsituation verbessern
- durch Optimieren des Parkraums, Modernisieren und Zertifizieren von Parkplätzen
- durch Freigabe von Pkw-Parkplätzen für Lkw-Parkplätze in den Nachtstunden
- durch Installation von energiesparender Beleuchtung
- durch Planung einer Tank- und Ladeinfrastruktur von alternativ angetriebenen Lkw, die nicht den bisherigen Parkraum einschränkt
- durch bessere Ausstattung mit sanitären Einrichtungen
- durch Erstellung eines ganzheitlichen Konzepts zur Verbesserung von Sauberkeit, Sicherheit und Servicefreundlichkeit von unbewirtschafteten Rastanlagen
- durch Verhinderung der Nutzung von Rastanlagen als Dispositionsfläche
- durch Erhöhung der Lkw-Kapazität mithilfe von Telematik
- durch Ausweitung von Förderprogrammen, um Investitionen in Parkraum zu erhöhen
- durch Berücksichtigung von Parkflächen bei Neu- und Ausbau von Gewerbegebieten, dann mit Zugang zu Trinkwasser sowie sanitären Einrichtungen

7.Schienengüterverkehr stärken
- durch Festhalten am 25-Prozent-Ziel bis 2030, Aus- und Neubau von Knoten, Korridoren
- durch Vorantreiben von Maßnahmen zur Elektrifizierung und Digitalisierung
- durch europaweite Einführung der digitalen automatischen Kupplung bis 2030
- durch Förderprogramme, unter anderem bei den Trassenpreisen

8. Wasserstraße stärken
- durch Beseitigung von Engpässen, Modernisierung und Anpassen von Brückenhöhen
- durch Sanierung und Ausbau von Schleusen
- durch Nutzung von alternativen Antrieben und Kraftstoffen auch in der Binnenschifffahrt
- durch weitere Vernetzung mit dem Straßengüterverkehr

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