MAN TGS im Vergleich Alt gegen neu mit Elastomerfahrwerk

MAN TGS Vergleich Hendrickson Foto: Michael Kern 19 Bilder

Zwei MAN-Vierachser erlauben eine Zeitreise der besonderen Art: Der Blick auf ein älteres Semester zeigt, was sich bei den Neuen so getan hat. Und ein Blick auf die Hinterachsaufhängung erhellt, was das Werk künftig als Option anbieten könnte.

Wer bei der Premiere als Ehrengast dabei war, der sollte auch bei der Wiederaufnahme des Stücks nicht fehlen. Und so war FERNFAHRER natürlich wieder zu Gast beim Unternehmen Fischer Weilheim in Weilheim a. d. Teck, als dieses zum zweiten Mal die gängige Achs­aufhängung der Tandemachse hinten durch die Ultimaax genannte und mit Gummiblöcken arbeitende Achsaufhängung des US-Unternehmens Hendrickson ersetzte.

Das Besondere daran: Der aufgebockte Kandidat ist einer der ersten ausgelieferten Vierachser der neuen Generation von MAN und deshalb einer genaueren Inspektion allemal wert. Da trifft es sich gut, dass dessen mit der gleichen Achsaufhängung versehener Kollege, den wir schon getestet hatten, ebenfalls parat steht, gehört er doch zu einer Generation, die schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat. Das ruft förmlich danach, mal einen direkten Vergleich zu ziehen zwischen dem, was heute geboten ist, und dem, was lange Jahre der Standard war.

Nebenbei bemerkt: Es handelt sich bei diesem Altgedienten nicht um die 2018 eingeführte Zwischengeneration, sondern um jenen TGS, der mit dem Euro-6-Facelift ab 2013 das Bild der MAN-Kipper prägte.

Elastomer-Aufhängung statt klassischer Federn

Doch widmen wir uns erst einmal dem Phänomen der neuen Hendrickson-Achsauf­hängung. Fischer in Weilheim ist mittlerweile fast schon eine Art Brückenkopf für diese hierzulande noch etwas exotische Technik. Das Unternehmen hat mittlerweile nicht nur zwei eigene, sondern auch den einen oder anderen MAN-Kipper aus der Nachbarschaft mit dieser ganz speziellen Achsaufhängung versehen.

Womit sich gleich die Frage stellt, warum das denn immer MAN sind. Die Antwort ist simpel: Der Zuschnitt des Ganzen passt derzeit einzig und allein auf MAN-Tandemaggregate mit trommelgebremsten Außenplanetenachsen. Machbar sei aber, versichert Hendrickson, eine Änderung des Profils allemal, sodass auch andere Kandidaten bedient werden könnten.

Und wie zu hören ist, wird nicht nur die von Fischer verwendete Lösung wohl eines nicht allzu fernen Tages direkt bei MAN via MAN Individual bestellbar sein. Auch andere Hersteller haben es anscheinend ernsthaft auf diese interessante, aus den USA stammende Technik abgesehen.

Bis heute schon mehr als 100.000-mal verkauft, schiebt diese spezielle Federung jenseits des Großen Teichs schon länger Dienst bei Fahrzeugen von Freightliner wie Navistar. Genauer gesagt: seit 2012.

Elastomer-Kegel federn mit progressiver Kennlinie

Genau so simpel, wie die Amerikaner ihre Technik gern haben, schaut Ultimaax von Hendrickson auch aus. Kernstück des Ganzen bildet eine Art massiver, portalförmiger Bock, dessen oberen Träger 14 Schrauben fest mit dem Fahrzeugrahmen verbinden. Zwischen ihm und seinem unteren Pendant sitzen zwei massive Elastomer-Kegel, deren Aufgabe es ist, Stöße in beladenem Zustand abzufedern. Im Gegensatz zu Parabelfedern ist ihre Kennlinie nicht linear, sondern progressiv.

Und das heißt: Während die Parabelfeder ab einer gewissen Last bricht, federn diese Gummipilze im oberen Gewichtsbereich einfach immer munter weiter. Ganz verschleißfrei geht das allerdings nicht vonstatten. Etwa alle fünf Jahre wird ein Tausch fällig, der aber simpel zu bewerkstelligen ist.

Weitere Besonderheit des Ultimaax-Konzepts von Hendrickson: Handelt es sich um Leerfahrt, haben diese Gummipilze Ruhe. Das bisschen, was es dann noch zu federn gilt, übernimmt zur Rechten wie zur Linken jeweils ein Paar in der Senkrechten angeordneter Gummipuffer. Sie hören auf den Namen „Scherenfedern“, weil sie holperndes Ungemach auch dadurch dämpfen, dass sich die Lagen vertikal gegeneinander verschieben.

Insgesamt bringt das einige Vorteile. Besonders schätzt Fischer allgemein, dass diese Lösung das Fahrzeug gleich einmal um fünf bis sechs Zentner leichter macht als den Original-MAN mit Parabelfedern an der Hinterachse. Das minimiert die Gefahr der Überladung immens.

Stabil und ohne Aufschaukeln

Fahrer Dirk Stark, der mittlerweile rund 40.000 Kilometer mit dem Erstlingsfahrzeug heruntergeschrubbt hat und Anwärter auf den nagelneuen Umgerüsteten ist, betont immer wieder, wie gut ihm die Straßenlage gefalle. „Keinerlei Schlagen mehr, besonders bei Leerfahrt“, sagt er und fügt an: „Das Fahrwerk ist in jeder Lebenslage und spe­ziell auch beim Kippen sagenhaft stabil, es schaukelt überhaupt nichts auf.“

Auch Fuhrparkleiter Peter Beer, der die im März vergangenen Jahres installierte Technik intensiv beobachtet, ist voll des Lobes. „Ich bekomme nur positive Rückmeldungen“, sagt er und meint damit nicht nur die Fahrerseite. Denn die Werkstatt melde obendrein „quasi null Verschleiß an den Gummi­teilen“, und das Kurvenverhalten sei dank einer Art Mitlenk-Effekt so günstig, dass die Reifenabteilung sogar von „merklich weniger Abrieb“ berichte.

Es wundert also wenig, dass Fuhrparkleiter Peter Beer sowie Uwe Brandt, Leiter des Servicecenters, heute schon als übereinstimmendes Fazit ziehen: „Jederzeit wieder, und natürlich auch gern gleich ab Werk.“

Neues Design mit dreiteiligem Stahlstoßfänger

So viel zur Zeitreise in die Zukunft. Jetzt aber drehen wir den Blick um 180 Grad und schauen mal genauer hin, was sich anhand dieser zwei ganz besonderen Kandidaten beim MAN-Kipper von heute im Vergleich zu dem von gestern getan hat.

Den Kabinenrohbau ins Visier genommen, ist das so gut wie nichts. Das heißt: Hier wie da sind knapp 4,8 Kubikmeter umbauter Raum geboten, und es bleibt bei der einst M-­Kabine, jetzt bei dem NN genannten Fahrerhaus bei 2.240 Millimeter Außenbreite sowie einer ­Gesamtlänge der MAN’schen Benjamin-­Kabine (außen) von 1.880 Millimetern.

Geändert hat sich aber einiges beim Design. Verschwunden ist da zum Beispiel der einst so MAN-typische isolierte Plakettengrill, der nun einem raumgreifenden Gebilde gewichen ist, dem es sehr um Folgendes geht: eine Brücke zum dreiteiligen Stahlstoßfänger zu schlagen, um der Front ein besonders wuchtiges Gesicht zu geben. Da hilft der neue, dreiteilige Stahlstoßfänger nach Kräften mit, der mit weit stärkerem Pinselstrich als beim Vorgänger aufgetragen ist.

Er ist geprägt von wulstigen Elementen, wohin das Auge auch schaut. Das erinnert zum einen an pures Muskelspiel. Zum anderen, die raffiniert geschnittenen Scheinwerfer mit in Betracht gezogen, blickt einen da aus dieser neuen Kipperfront aber auch eine Art Echse mit kalten Augen an.

Geänderter Radlauf und neuer Einstieg

Wer das Fahrerhaus von der Seite inspiziert, dem fällt auf den ersten Blick gleich der ­geänderte Radlauf und auf den zweiten Blick ein vollkommen neuer Einstieg auf. Nicht nur, dass die Stufen sich nun griffiger anfühlen und nicht mehr aus Lochblech bestehen: Die ganze Skala ist vorteilhaft ein Stück weiter nach hinten gerückt. Das ermöglicht mit weniger Schieflage einen direkteren Weg hinein in die gute Stube.

In der Stube geht es, ist der Zündschlüssel erst einmal gedreht, merklich leiser zu als in der Kabine des Vorgängers. Daran wird auch die relativ neue Technik des Motors ihren Anteil haben, die nun allerdings schon aufs Jahr 2019 zurückgeht. Dem D26, der in beiden hier verglichenen Kandidaten werkelt, hat MAN nicht nur in allen Leistungsstufen zehn PS und 100 Nm mehr an Drehmoment spendiert. Gesunken ist auch dabei das ­Motorgewicht von knapp 1.150 auf nur noch rund 1.080 Kilogramm. Denn der neue Motor kommt mit sogenannter direkter Ladeluftkühlung daher und braucht keine extra Niedertemperaturkühlung mehr.

Zurück zum einstufigen Turbo

MAN ging zudem den Weg zurück zum robusten einstufigen Turbo und kombinierte dies mit einer reduzierten Abgasrückführungsrate, die ihrerseits für einen leicht verbesserten Verbrauch steht. Insgesamt glänzt der MAN-Kipper von heute nicht nur mit einem kultivierteren Motor, sondern auch mit einer deutlich besseren automatisierten Schaltung. Schneller und komfortabler zugleich gehen die Gangwechsel beim neuen 35.470er im Vergleich zum altgedienten 35.460 vonstatten.

Foto: ETM
MAN TGS im Vergleich: Technische Daten

Es hat sich natürlich, auch was den Fahrerarbeitsplatz angeht, in der Kabine einiges getan. Beim Blick nach draußen vermerkt das Auge sehr erfreut, dass die Spiegel nun etwas versetzt angeordnet sind und vor allem auf der Beifahrerseite mehr Raum zwischen A-Säule und Spiegelkante klafft.

Weniger erfreulich ist, dass sich im Rückraum des Fahrers am MAN-typischen Brachland nichts geändert hat. Es ist weder eine Konsole hinter den Sitzen zu sehen noch sind Finessen wie ein Staufach außen oder eine Notliege zu haben.

Die Musik spielt vorn. Da hat zum Beispiel der Verstellbereich des Lenkrads mächtig zugelegt. Highlight dabei: In Ausstiegsposition nach oben weggeklappt, legt sich der Volant vollkommen in die Horizontale. Und andersherum lässt er sich jetzt auch ganz schön sportlich-steil stellen.

Praktischere Lösungen für den Fahrer

Wie schon für den neuen Einstieg gilt generell: Es ist vieles um einiges praktischer geworden bei den neuen MAN. Vollkommen verschwunden ist beim gefahrenen Exem­plar aus dem Parterre die antiquierte Konsole mit Automatikdrehschalter und Handbrems­hebel. Stattdessen obliegen die Automatikfunktionen nun einem ganz neu konzipierten, rechten Lenkstockhebel. Und es gibt eine elektronische Handbremse, deren Schalter sich schlank und nahtlos ins Arrangement des neuen Armaturenträgers einfügt.

Dieser schwingt sich elegant und cockpitförmig um den Fahrer herum, ohne allzu raumgreifend ins Kabineninnere vorzupreschen. Den Ausleger dominieren statt der vorher zu einem Block zusammengefassten Kippschalter nun noble Drucktaster, die zudem sinnvoll in Funktionsgruppen unterteilt sind.

Passé ist somit überhaupt das blockige Wesen der Armaturen des Vorgängers, der den knappen Raum in der kurzen Kabine in einer Hinsicht allerdings besser zu nutzen wusste als sein Nachfolger, hielt er doch mittig immerhin einen Riesenaschenbecher samt Schublade parat, was dem Nachfolger beides fehlt. Der hat in dieser Hinsicht einzig zwei ausziehbare und variabel einstellbare Becher-/Flaschenhalter zu bieten sowie eine Versenkung für den heute üblichen und selbstredend unbeleuchteten Wander­aschenbecher.

Womit der Neue seinerseits aber stark punktet, das ist die Drehstellerbedienung der Multi­mediaabteilung im Sekundärdisplay – von MAN Smart Select genannt. Wie die Sache funktioniert, erschließt sich auch ganz ohne Informatikstudium.

Neues Multimediasystem: Kein überfrachtetes Lenkrad

Und dieses Auslagern all der Multimediafunktionen hat darüber hinaus den Vorteil, dass die nun in zwei Clustern zusammen­gefassten Lenkradtasten nicht überfrachtet sind, sich also die Arbeit folgendermaßen teilen können: linker Hand Fahrtechnisches wie Tempomat, rechter Hand sitzt die Regie für Bordcomputer und Lautsprecherwesen. Womit der Neue fast noch stärker punktet als mit Smart Select, ist die überaus gelungene und tief im Armaturengemäuer versenkte digitale Instrumentierung. Zwar nur als Option erhältlich, hebt sie sich aber schön ab von der herkömmlichen Instrumentierung, die in ihrem Design à la aufgeschlagenes Buch ja noch auf den F90 zurückgeht.

Platzsparend rahmen auf Halbkreise reduzierter Tacho (wohltuend mit deutlicher Fünferskalierung versehen, die anderswo schon verschwunden ist) und Drehzahlmesser das mittige Display ein, das sachlich gehalten ist – und dennoch eine besondere Art von Kino liefert. „Vorhänge“ nennt MAN das Verfahren, bei dem der mittige Teil der drei Display­streifen zur einen Seite rückt, um bei Bedarf der Gegenseite mehr Raum zu gewähren.

Links von der digitalen Instrumentengrube sitzt der Drehschalter für das Licht – genau da, wo man ihn erwartet. Und unten in der aufgeklappten Tür sitzt schließlich dort, wo man sie nicht erwartet, doch glatt noch eine kleine, aber feine Schalterleiste. Ihre Bestückung lässt sich zum Teil frei konfigurieren, umfasst aber grundsätzlich die Aktivierung der Warnblinkanlage

Sehr von Vorteil ist es beim Kipper, dort einen zweiten Schalter für den Nebenabtrieb heimisch zu machen. Das kann so manche Klettertour ins NN-Gehäuse und wieder heraus sparen, etwa nach Inspektion des hinteren Geläufs. Und so wird es generell einfacher, die Kipperei von außen und mit mehr Übersicht abzuwickeln, als es innen via Spiegel oder verdrehtem, aus dem Fenster he­rausgestrecktem Kopf möglich ist.

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