Lkw-Fahrer in Polizeikontrolle Vorgeführt

Foto: Achtung Kontrolle, Montage: ETM
Meinung

Eine Polizeikontrolle auf der A2 bei Braunschweig wird im Privatfernsehen gezeigt und taucht in den sozialen Medien wieder auf. Viele Lkw-Fahrer empören sich über den Umgang mit dem Kollegen. Sogar die BG Verkehr kritisiert das Verhalten der angeblichen Freunde und Helfer in Bezug auf die Arbeitssicherheit. Die Pressestelle der Polizei will jedoch kein Fehlverhalten erkennen.

Ich gebe zu, ich schaue sehr selten Privatfernsehen, und daher bleiben mir in der Regel auch die meisten Beiträge der Reihe „Achtung Kontrolle“ auf Kabel 1 verborgen. Auch wenn es darunter sicherlich einige handwerklich gut gemachte Sendungen gibt, wie mir ein Kollege kürzlich auf Facebook versicherte. Dort war vergangene Woche ein Filmausschnitt einer höchst fragwürdigen Polizeikontrolle an der A2 bei Braunschweig aufgetaucht. Sie wurde mehrfach geteilt und führte zu vielen Kommentaren, vor allem erboster Lkw-Fahrer, und einigen Abwiegelungen durch in den sozialen Medien ebenfalls aktive Polizeibeamten. Teilweise kochten die Wogen richtig hoch.

Niederländischer Lkw mit zu viel Licht

Es ist daher an der Zeit für eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Thema. Auch wenn das nicht so einfach ist. Denn es geht um das viel diskutierte Thema Lkw-Zusatzbeleuchtung. In der von einem TV-Team mit Genehmigung der zuständigen Pressestelle begleiteten Polizeikontrolle haben, so heißt es wortwörtlich, „die Polizisten Saskia Heitmann und Marian Laudin auf der A2 bei Braunschweig bei einem niederländischen Lkw nicht nur unzulässige Scheinwerfer entdeckt“. Es ist müßig, darüber zu debattieren, ob sie den Lkw zufällig entdeckt oder gezielt aus dem Verkehr gezogen haben. Sie lotsten ihn jedenfalls auf eine Raststätte.

Müllcontainer ersetzt Leiter

Nach einer durchaus lockeren Aufklärung des Fahrers über seine Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten, bei der sich der Polizeibeamte bei den Bußgeldern sogar recht generös zeigt, fordert er den Fahrer auf, das zusätzliche Licht an Ort und Stelle zu demontieren. Da der Fahrer keine Leiter dabei hat und in der Tankstelle keine findet, schlägt ihm der Polizist, es ist deutlich zu hören, allen Ernstes vor, den Lkw neben eine Garage und vor einen Müllcontainer zu fahren.

Halsbrecherisch vorgeführt

Dort, ich kann es nicht anders beschreiben, wird der niederländische Fahrer vor laufender Kamera und demzufolge einem größeren TV-Publikum regelrecht vorgeführt. Nicht nur assistiert der Polizeibeamte dem Fahrer, auf den Container mit dem sofort nachgebenden Deckel zu steigen, er kommentiert es noch mit Bemerkungen wie „hoffentlich fällt er jetzt nicht in den Müll“ und, als der Fahrer im wahrsten Sinne höchst halsbrecherisch die Lampen erreicht, mit „Größe zahlt sich aus“. Die Kollegin steht sprachlos daneben.

Video zum Thema
Kampf gegen Beleuchtung: Gefahr für die Festivalkultur
Behörden entziehen Betriebserlaubnis

Der Heilbronner Fachanwalt für Verkehrsrecht, Matthias Pfitzenmaier, dem ich den Film zur Begutachtung geschickt habe, antwortet: „Für die Aktion, dass der Fahrer unter Zuhilfenahme einer Mülltonne und Gefährdung seiner Gesundheit die Scheinwerfer in einer abenteuerlichen Aktion hat abschrauben müssen, wird sich die Polizeidienststelle, die hier zuständig ist, auf Nachfrage sicherlich entschuldigen. Aus rechtlicher Sicht ist diese Vorgehensweise aus meiner Sicht unzulässig und unverhältnismäßig und wird dem vorliegenden Verstoß nicht gerecht.“

Pressestelle billigt das Vorgehen

Weit gefehlt. Auf meine konkrete Nachfrage antwortet die Pressestelle zunächst auf die Frage, warum der Lkw überhaupt aus dem fließenden Verkehr gezogen wurde: „Die Scheinwerfer waren für den Gebrauch so nicht zugelassen, somit lag ein Erlöschen der Betriebserlaubnis des Fahrzeuges vor. Daher wurde dem Lkw-Fahrer die Weiterfahrt untersagt, bis die Scheinwerfer nicht mehr gebraucht werden konnten.“

Und auf die Frage, warum die Polizei nicht nur angeregt hat, dass der Fahrer auf den Müllcontainer steigt, sondern sich vor laufender Kamera auch noch darüber lustig gemacht hat, dass der Fahrer dabei sogar in den Müll fallen könnte, heiß es: „Die Beamten haben sich vor Ort weder lustig gemacht, noch waren sie dem Fahrer gegenüber arrogant oder überheblich. Sie haben sich vor Ort um eine pragmatische Lösung bemüht, damit der Fahrer schnellstmöglich seine Fahrt fortsetzen konnte. Häufig sind die Fahrer ja einem enormen Zeitdruck ausgesetzt. Das Warten auf einen Service und die anschließende Nachkontrolle durch die Polizei hätte sicher einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand und nicht unerhebliche Kosten für den Lkw-Fahrer bedeutet. Zu keiner Zeit wurde er aufgefordert, den Container als Aufstiegshilfe zu nutzen. Der Fahrzeugführer hat sich selbst für diese Lösung entschieden.“

BG kritisiert fehlende Arbeitssicherheit

Besonders dieser letzte Satz ist, auch in den Augen des Fachanwalts, der sich den Film daraufhin noch einmal angesehen, eine, freundlich gesagt, etwas verquere Wahrnehmung der Situation vor Ort. Auf meine Bitte haben sich auch die Unfallpräventionsexperten der BG Verkehr aus Hamburg diese umstrittene Szene angesehen und sind schnell beim Aspekt der Arbeitssicherheit zu einem eindeutigen Schluss gekommen: „Der bei der Demontage der Scheinwerfer als Aufstieg beziehungsweise Arbeitsfläche genutzte Müllcontainer ist eindeutig kein geeignetes Arbeitsmittel für diese Tätigkeit. Die Arbeiten hätten entweder in einer mit Arbeitsbühnen ausgerüsteten Werkstatt oder von einer mobilen geeigneten Arbeitsbühne aus erledigt werden müssen.

Alternativ hätte bei einem entsprechend geeigneten Untergrund eine Leiter verwendet werden können, die den Anforderungen von TRBS 2121-2 genügt (TRBS = Technische Regeln für Betriebssicherheit). Nach einer Auswertung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sind allein im Jahr 2014 324 Lkw- Fahrer bei Abstürzen aus über einem Meter Höhe so schwer verunfallt, dass für sie eine Unfallrente gezahlt werden musste. Auch wenn die meisten dieser Unfälle nicht am Fahrerhaus zu verorten waren, sondern auf der Ladefläche oder am Aufbau, gehen die Fahrer bei solchen Arbeiten wie im Film gezeigt ein hohes Risiko ein.“

Ausländische Fahrzeuge und die StVZO

Warum sich der niederländische Fahrer auf diesen Film überhaupt eingelassen hat, lässt sich nicht klären, daher will ich darüber auch nicht weiter spekulieren. Allerdings stellt sich nach genauer Betrachtung der verkehrsrechtlichen Aspekte die Frage, ob er die Lampen überhaupt hätte demontieren müssen. Dabei ist laut Pfitzenmaier bei einem im europäischen Ausland zugelassenen Lkw folgender Sachverhalt zu beachten: Als Ansatzpunkt für eine Bewertung, ob der Zustand des Fahrzeugs ordnungswidrig ist oder nicht, gilt zunächst Paragraf 20 der Fahrzeugzulassungsverordnung. „Danach dürfen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zugelassene Fahrzeuge vorübergehend (ein Jahr) am Verkehr im Inland teilnehmen, wenn für sie von einer zuständigen Stelle des anderen Mitgliedstaates eine gültige Zulassungsbescheinigung ausgestellt und im Inland kein regelmäßiger Standort begründet ist.“

Aufgrund der ergänzenden Regelungen in der Straßenverkehrszulassungsverordnung (StVZO) müssen im Ausland zugelassene Fahrzeuge bei der vorübergehenden Teilnahme am Straßenverkehr im Inland in Gewicht und Abmessungen den Regelungen der StVZO entsprechen, sie müssen über Sicherheitsgurte verfügen und es müssen die Vorschriften über die Ausstattung und Benutzung von Geschwindigkeitsbegrenzer beachtet werden, darüber hinaus Vorschriften zur Reifenprofiltiefe. „Des Weiteren müssen die Fahrzeuge betriebs- und verkehrssicher sein“, sagt Pfitzenmaier.

„Hier wiederum wird verwiesen auf Paragraf 23 der Straßenverkehrsordnung (StVO), und es ist in der Tat dann so, dass hier trotz im EU-Ausland möglicherweise ordnungsgemäßer Zulassung dann eine Ordnungswidrigkeit in Deutschland begangen wird, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit vorliegen kann, die durch die Ausrüstung der Fahrzeuge begründet ist.“

Erlöschen der Betriebserlaubnis fraglich

Was die Fahrzeugbeleuchtung angeht, dürfte es so sein, dass grundsätzlich die Regeln, die über die internationalen Vorschriften Deutschland gelten, auch für die Niederlande gelten. Dies wären dann insbesondere die Richtlinien, die in Paragraf 49a StVZO genannt sind inklusive der ECE Regelung Nr. 48 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen (UN/ECE). Dazu sagt Pfitzenmaier: „Dennoch dürfen dann die Polizisten im Braunschweiger Fall nur dann eingreifen, wenn eben diese erhebliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit vorliegt und nicht schon dann, wenn die Beleuchtung nach der StVZO nicht vorschriftsmäßig ist. Dies, die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit, dürfte aufgrund der Zusatzscheinwerfer im Frontbügel des Lkw jedoch nicht der Fall gewesen sein. So gesehen wäre dann auch die Ausstellung des Bußgeldes nicht rechtens, umso weniger dann die Aufforderung an den Fahrer, die Leuchten abzubauen oder zu deaktivieren.“

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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