Interview mit Designchef Holger Koos The Look of Löwe

Foto: MAN 11 Bilder

Das Design von MAN folgt auf innovative Art der unverwechselbaren Tradition des Hauses: ausdrucksstark, charismatisch, eigenständig und damit ganz nah am Charakter des Konzernwappentiers. Gedanken von Chefdesigner Holger Koos zum Look-and-feel des neuen Löwen-Flaggschiffs.

Design ist das wohl populärste Instrument im Orchester eines Fahrzeugbauers: Jeder kann es ­sofort erkennen, alle können mitreden, und doch beherrschen nur wenige das ausgewogene Spiel mit Material, Formen und Farben. MAN-Chefdesigner Holger Koos prägt seit vielen Jahren das Aussehen der MAN-Lkw und -Busse und begeistert sich wie am ersten Arbeitstag für die Gestaltung eines neuen Fahrzeugs.

Design ist mehr als nur elegante Formensprache, es ist, so erklärt Holger Koos mit raumgreifenden Gesten, ein integrierter Bereich der Entwicklung, liefert Konzepte, Antworten und Ausblicke über die klassische Formgebung hinaus.

Welchen Wert hat Design heute?

Eine der Hauptaufgaben ist es, die Marke zu visualisieren. Wie wollen wir als Marke wahrgenommen werden – vom Kunden, von der Gesellschaft, von den Finanzmärkten …? Das ist unser Markenkern, unsere Identität. Wir können über das Design unser Profil transportieren. Die Gestaltung der Fahrzeuge ist im Grunde der größte Multiplikator unseres Markenleitbildes, also ein sehr mächtiges Instrument. Das betrifft zum Beispiel bei der Elektromobilisierung die Kenntlichmachung der Fahrzeuge als E-Trucks. Damit nimmt man in der Gesellschaft sofort wahr: MAN entwickelt Zero-Emission-Fahrzeuge, ist technologisch ganz vorne dabei und hat Antworten auf die aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen. Auch darüber wird das Markenimage transportiert.

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Der Löwe als Symbol der Kraft.
Der gestalterische Auftritt heute ist Ihre Arbeitsleistung von gestern. Wie weit muss der Designer heute in die Zukunft sehen?

Das Design ist ein in die Entwicklung integrierter Bereich. Es entsteht nicht im Elfenbeinturm, sondern ist immer die logische Konsequenz aus dem gemeinsamen Arbeiten von technischer Entwicklung und Gestaltung. Design entwickelt auch vielfach bereits Konzepte, wie beispielsweise den 2006 aufgebauten Zukunftstruck Concept S, bei dessen Gestaltung und konzeptioneller Ausrichtung unser Team mehrere Jahrzehnte nach vorne geschaut hat: Was braucht ein Fahrer, aber was braucht ebenso ein Spediteur? Wie werden die Fernverkehrsstraßen der Zukunft aussehen, sind die Fahrer unter Umständen sogar mehrere Wochen unterwegs? Wie wird die Technologie der Zukunft aussehen? Das geht weit über die Formensprache des Designs hinaus. Wir sehen uns als Visionäre, die weit nach vorn schauen. Also nicht nur bis zur nächsten Modellgeneration, sondern zwei Schritte weiter. Wir schauen rund 15 bis 20 Jahre voraus. Je ferner die Zukunft, desto unschärfer ist das Bild natürlich.

Wobei der neue TGX heute wirklich scharf aussieht! Ein echter Charakter inmitten vieler oft konform gestalteter Nutzfahrzeuge. Was war das Geheimnis für den spannungsvollen Auftritt des neuen Flaggschiffs?

Wir haben ein so intensiv wirkendes Bild des Löwen in unserer Marke. Wir müssen das Thema auch im Design intensiv spielen und das Löwenhafte visualisieren. Die neu gezeichneten Scheinwerfer sind das Thema Augen, der Ausdruck. Die dynamisch geneigten Linien, der grimmige Blick, der Mund, die Lefzen – das ganze Fahrzeug stellt einen Löwen auf dem Sprung dar. Seitlich haben wir die Aerodomes, die drei Versickungen in der Seitenwand. Die verstärken die Struktur, wirken aber als Element, etwa wie der Prankenhieb eines Konkurrenten. Er kriegt auch mal was ab im Kampf mit einem anderen Löwen, er hat sich durchgesetzt! Jedes gestalterische Element übernimmt eine Funktion, wie die Windleitleiste unter der Tür. Damit wird die Luftströmung unter der Tür durchgeführt und reduziert so Spritzwasser, hält aufgewirbelten Schmutz oder Salzwasser von den Türgriffen fern. Auf diese Weise konnten wir den sogenannten Schmutzkeil nach hinten drücken – eine Besonderheit des TGX.

Formgestaltung und technische Detaillösung gehen Hand in Hand.

Ein gutes Beispiel dafür ist der neu gestaltete Aufstieg mit nun zwei rahmenfesten Stufen. Damit konnten wir den Einstieg näher ans Rad und mehr in die Körpermitte legen und ermöglichen so ein komfortableres Einsteigen. Oder das Bedienfeld unten in der Türverkleidung. So eine smarte Lösung wurde seit Langem vom Fahrversuch und von unseren Kollegen aus dem Bereich HMI (Human Machine Interface, Mensch-Maschine-Interaktion) gefordert. Viele Lösungen kommen aus dem ­Gespräch mit Praktikern: Wir haben einen 100 Millimeter hohen Motortunnel, warum? Wir haben lange diskutiert. Wenn wir ihn weglassen, müssten wir den Wagenboden anheben. Viele Fahrer haben uns aber gesagt: Wir finden das o. k., das trennt den „Schmutzbereich“ vom Wohnbereich …

Was ist Ihr persönliches Design-Highlight am neuen MAN?

Auf das kleine Gitter im Kühlergrill bin ich persönlich sehr stolz. Wir haben uns da gegen eine kostengünstige Lösung im Stil eines Industriefensters durchgesetzt. Das geprägte Gitter erinnert an ein Hi-Fi-Lautsprecherelement – so attraktiv, durchdacht, intelligent und hochwertig. Im Klimawindkanal hat sich dann herausgestellt, dass sich das feine Gitter im Schnee­gestöber im Gegensatz zu konventionellen Lösungen sogar weniger zusetzt.

Für den Fahrer spielt der Arbeitsplatz hinter dem Steuer die wichtigste Rolle. Hier treffen Form und Funktion am deutlichsten erlebbar aufeinander. Im Innenraum ist uns tatsächlich ein Quantensprung gelungen. Wir haben einen größeren Lenkradverstellbereich mit einer anderen Lenksäule und ermöglichen bis zu 50 Grad Lenkradneigung, der Sitzverstellweg wurde um 50 Millimeter vergrößert. Wir haben jetzt den Instrumententräger leicht dem Fahrerplatz zugeneigt, ohne dabei zu weit in den Innenraum einzudringen und den Durchstieg zu verbauen. So haben wir eine sehr gute Lösung geschaffen, um ohne Schultervorverlagerung die logisch nach Funktionsgruppen zugeordneten Tastergruppen zu erreichen. Wir haben zwei große Schubladen, mehrere Cupholder, Steckdosen, Handyablagen und viele Details, die von den Fahrern sehr honoriert werden.

Wobei man in der Bedienung auch neue Wege eingeschlagen hat …

Highlight der Bedienelemente ist ganz sicher der SmartSelect-Controller. Obwohl der Fahrer sich während der Fahrt auf einem luftgefederten Sitz auf und ab bewegt, sind über die ausklappbare Handauflage die sichere Eingabe und die Bedienung der gesamten Funktionen am Dreh-Drück-Steller gewährleistet. Das kann kein Touchdisplay leisten, ein absolutes Alleinstellungsmerkmal! Darüber hinaus trennen wir so die Anzeige von der Bedienebene. Funktionalität trifft hier auf Bediensicherheit, Komfort und ein haptisches Erlebnis. Das Rasten des Dreh­reglers vermittelt eine Wertigkeit, wie wenn ich das Drehschloss eines Tresors bediene.

Foto: MAN
Schon frühe Fingerübungen tragen einige Merkmale des späteren Serienfahrzeugs.
Die Arbeit des Designers geht also über die reine Form hinaus?

Ganz klar! HMI-Funktionen, Materialwahl, die Durchgängigkeit in der Abstimmung der Farben, der Haptik und der Materialanmutung sind für uns unglaublich wichtig. Das Color-Matching liegt auch in unserer Zuständigkeit. Wir steuern die Qualität der Zulieferer, um ein komplett durchgängiges Qualitätsbild außen wie innen zu schaffen.

Inwieweit kann Design sich mit dem Kostendruck in der Produktion arrangieren?

Kosten und angemessener Entwicklungsaufwand stehen bei allen Entscheidungen auch im Design ganz oben. Das betrifft Modellvarianz, Material, Entwicklungs- oder Fertigungsaufwand. Es kommt immer darauf an, abzuwägen, wofür der Kunde bereit ist bei seiner Kaufentscheidung Geld auszugeben. Wir denken auch hier in Richtung Zukunft. Nachhaltigkeit bei den verwendeten Materialien ist ein Element. Die Fridays-for-Future-Bewegung von heute ist die Zukunftsgeneration unserer Kunden und Fahrer. Sie wird die Gesellschaft von morgen ausmachen. Design muss offen sein für Technik und Menschen und innerhalb des Unternehmens immer auch etwas rebellisch … In den Bereichen sind wir breit aufgestellt: Exterieur- und Interieur-Design, Color & Trim sowie Grafik­User-Interface-Design. Hier leistet das kleine Team von Rudi Kupitza daher ganz hervorragende Arbeit.

Bei der Wahl der richtigen Farbe haben Sie selbstbewusst auf Gold gesetzt.

Das Thema Farbgebung ist im Laufe der Entwicklung zu einer wunderbaren Gesamtstory geworden. Das hat unglaublich viel Spaß gemacht und Erfolg gebracht. Fernverkehr, Traction und Distribution treten mit drei eigenen Farbtönen auf, die alle auf den Einsatzzweck begründet sind. Blau steht bei der Verteilerfahrzeugflotte für Innovation, Nachhaltigkeit, Elektromobilität. Das Graue im Baubereich signalisiert Massivität, Erdverbundenheit und robuste Technik. Die neue Fernverkehrsreihe trägt Gold für Premium, Beständigkeit, Werterhalt, Sicherheit. Gold steht hier fürs Exklusive, das Besondere und last, but not least auch für den ersten Platz im Truck of the Year-Wettstreit.

Foto: MAN
Das Design von MAN folgt auf innovative Art der unverwechselbaren Tradition des Hauses: ganz nah am Charakter des Konzernwappentiers.

Symbol der Kraft

MAN und der Löwe – das gehört für viele schon immer zusammen. Tatsächlich trägt der schwere Lkw aus Bayern die Großkatze „erst“ seit 50 Jahren an seiner Front. 1971 übernahm MAN die Lastwagenproduktion von Büssing – und neben technischen Spezialitäten und jeder Menge Nutzfahrzeug­historie auch den Löwen als Markenlogo des Braunschweiger Unternehmens. Firmengründer Heinrich Büssing hatte die Idee vom König der Tiere als Symbol schon 1913 vom Namensvetter Heinrich dem Löwen übernommen, der interessanterweise sowohl Braunschweig als auch die spätere Heimat des Büssing-Löwen, München, im 12. Jahrhundert gegründet hat. Nach dem Umzug auf den bayerischen Kühlergrill bekam der Logo-Löwe im Laufe der letzten Jahrzehnte sein Fell mehrfach neu geglättet. Er wurde stilisierter und musste zur Jahrtausendwende sogar einmal kurz um sein Überleben als Markensymbol bangen.

Design-Chef Holger Koos erkannte aber bereits früh den großen Wert der Wort-Bild-Marke; die Kombination der starken Fahrzeuge mit der kraftvollen Raubkatze war und ist an Symbolkraft nur schwer zu übertreffen. Im Rahmen der Weiterentwicklung der Lkw-Baureihen bekam der Löwe nach 2008 wieder einen neuen Look. Er legte die aufrecht stehenden Ohren an und zeigte nun deutlicher seine kräftigen Fangzähne. Mit der aktuellen TG-Baureihe bekam der silberglänzende Löwe seinen bisher wohl prominentesten Platz: direkt innerhalb eines diamantförmigen Rahmens in der Chromspange am oberen Rand des Kühlergrills.

Foto: MAN
Power Team: Design ist mehr als nur elegante Formensprache.

Power Team

Von links nach rechts auf dem Bild:
Elena Legkaya, UX-Design
Rudolf Kupitza, Leitung Design Truck
Holger Koos, Leitung Design
Ingo von Bargen, Design-Support
Kevin Martin, UX-Design
Christl Göttler, Color & Trim
Marc Schippling, Exterieur-Design
Caro Schütt, Teamleitung Color & Trim
Michael Wust, Design-Support
Marius Maier, Interieur-Design
Thomas Ochs, Teamleitung UX-Design

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