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Interview: Ausblicke in Sachen Klimaschutz Güterverkehr muss teurer werden

Foto: David Ausserhofer

Prof. Andreas Knie, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, sagt, wie sich Güterverkehr auf der Straße klimaverträglicher machen lässt.

trans aktuell: Herr Professor Knie, was muss getan werden, damit insbesondere der Güterverkehr auf der Straße klimaverträglicher wird?

Prof. Andreas Knie: Wir müssen die Preise anheben. Der Güterverkehr ist einfach viel zu billig. Solange der Transport keine relevante Größe am Warenwert hat, werden wir unter den Gütern irgendwann ersticken.

Aber die Zeche zahlen dann ja letztlich die Verbraucher. Wie wollen sie denen das nahe­bringen?

Das ist ganz einfach – indem man ihnen sagt, dass das Fahren auf deutschen Autobahnen Schritt für Schritt mehr kostet. Der Verkehr kann Teil des CO2-Emissionshandels werden, die deutsche Regierung könnte auch sofort die Maut erhöhen. Die Maut, die wir jetzt haben, ist nicht der Rede wert. Notwendig wäre das Vier- bis Fünffache.

Das wird zu einem Aufschrei führen.

Das glaube ich nicht. Denn der Kunde weiß sehr gut, was läuft. Aber warum soll er nicht fünf- oder sechsmal eine Bestellung hin und her schicken, wenn das umsonst ist? Oder warum sollte er nicht im Winter Himbeeren essen, auch wenn sie aus Südafrika kommen? Der Kunde hat die Freiheit, das auch weiterhin zu tun, aber dann kostet es halt mehr. Das wird er sich gut überlegen.

Wie bleiben wir aber global wettbewerbsfähig?

Wir in Deutschland können über das reden, was wir kontrollieren können, und das ist unser deutscher Raum. Den können wir gestalten, und das sollten wir auch. So lange wir das diskriminierungsfrei tun, müssen wir dabei auch nicht auf die EU achten. Deutschland ist, gerade was den Verkehr angeht, ein bedeutendes Land und könnte viel mehr tun. Die globalisierte Welt können wir nicht ändern, aber die Regeln bei uns sehr wohl.

Sie hören sich an, als würde Sie das Thema ziemlich nerven.

Nun ja, es steht seit 20 Jahren auf der Agenda, aber nichts passiert. Und alle sagen, die Menschen machten da nicht mit. Als Sozialwissenschaftler haben wir aber gelernt, dass man die Menschen durchaus überzeugt, wenn man ihnen den Sachverhalt richtig erklärt. Man muss ihnen sagen, dass es ein Problem gibt. Nicht nur mit dem abstrakten Klima, das inzwischen im Alltag wahrnehmbar ist, sondern auch mit den überfüllten Autobahnen, auf denen die rechte Spur – für den Kunden hautnah erfahrbar – immer dicht ist. Der Zustand ist doch unerträglich. Erst recht, wenn man sich vorstellt, wie viele Parkplätze noch gebaut werden müssen, um all die Lkw unterzubringen.

Und jetzt?

Wir müssen uns bewusst werden, dass dieser Zustand nicht vom Himmel gefallen ist. Seit den 30er- oder 40er-Jahren galt die Maxime, dass Mensch und Stückgut sich frei bewegen müssen, denn das garantiere wirtschaftliche Prosperität. Auch für die EU ist der freie Warenverkehr eine tragende Säule, und wir haben alle Grenzen und Behinderungen abgebaut. So weit, so gut. Aber jetzt haben wir zu viel davon. Diese Situation wurde politisch erzeugt und muss politisch gelöst werden.

Sehen Sie da eine Zukunft für die Verkehrskommission?

Nein, denn so eine Kommission muss politisch geführt werden. Man braucht dafür ein Ziel und muss wissen, wohin die Reise gehen soll. Wir wollen CO2 reduzieren, aber vor welchem Hintergrund? Dazu bräuchten wir eine Debatte, und dann könnten wir überlegen, welche Instrumente wir einsetzen. Vielleicht wollen wir ja mit unserem überbordenden Wohlstand so weitermachen wie bisher, auch wenn das unsere Kinder die Zukunft kostet. Wenn wir das nicht wollen, dann müssen wir handeln. Das Handeln aber kommt nicht, weil jeder Angst vor dem Kunden hat. Wir dürfen uns da nichts vormachen – in dieser Kommission sitzen Lobbyisten mit ihren eigenen Interessen, die dort ihre Politik machen. Als Garnitur kam der eine oder andere kritische Geist dazu, Umweltverbände waren nur am Rande dabei, und der Wandel war dort nicht eingebunden.

Zur Person

  • Prof. Dr. Andreas Knie forscht zu den Themen Verkehr, Innovation sowie Technologie- und Wissenschaftspolitik
  • Seit 2017 leitet er die Forschungsgruppe Wissenschaftspolitik am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
  • Von 2006 bis 2018 war er Geschäftsführer des Innovationszentrums für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel
  • Zudem ist der Soziologe einer der Autoren der Bücher „Erloschene Liebe? Das Auto in der Verkehrswende“ und „Die digitale Mobilitätsrevolution. Vom Ende des Verkehrs, wie wir ihn kannten“
Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
trans aktuell 08 2019 Titel
trans aktuell 08 / 2019
5. April 2019
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