Unkalkulierbare Gefahren infolge der globalen Klimakrise. Experten warnen in Davos vor existenziellen Verlustrisiken.
Klima- und damit verbundene Umweltprobleme stellen ganze Geschäftsfelder und Lieferketten infrage. Ein neuer Bericht des Weltwirtschaftsforums spricht von einem „Notstand unseres Planeten“. Das World Economic Forum (WEF) hat seinen „Global Risk Report“ bereits vor dem Eintreffen der Elite aus Wirtschaft und Politik in Davos vorgelegt. Kurzfristig wird darin besonders auch vor sozialen und geopolitischen Spannungen gewarnt.
Schwerwiegende Umweltprobleme erwartet
Langfristig rangieren schwerwiegende Umweltprobleme hinsichtlich ihrer Wahrscheinlichkeit erstmals auf den fünf vordersten Plätzen der globalen Risiken und stellen Cyberangriffe oder Datendiebstahl in den Schatten. Für die Einschätzung hatte das WEF mehr als 750 Experten und Entscheidungsträger weltweit zu ihren größten Sorgen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit und der Auswirkung von Risiken befragt.
Die Interessenvertreter befürchten Überschwemmungen oder Stürme, die Menschenleben fordern und erhebliche Schäden an Eigentum und Infrastruktur verursachen. Auch ein Scheitern der Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen von Regierungen und Unternehmen, von Menschen verursachte Umweltkatastrophen sowie das Artensterben und der Zusammenbruch von Ökosystemen werden als große Risiken gesehen. „Der Klimawandel schlägt härter und schneller zu als von vielen erwartet“, betont der Bericht. So liege die Geschwindigkeit des Artensterbens 10- bis 100-mal über dem Schnitt der vergangenen zehn Millionen Jahre und beschleunige sich weiter. Das könne zum Zusammenbruch von Ernährungs- und Gesundheitssystemen und zur Unterbrechung kompletter Versorgungsketten führen.
Spannungen nehmen zu
Erschwerend kommt hinzu, dass geopolitische Turbulenzen und der Rückzug aus dem Multilateralismus die gemeinsame Bewältigung globaler Risiken gefährden. 78 Prozent der Befragten gingen davon aus, dass wirtschaftliche Konfrontationen und eine innenpolitische Polarisierung 2020 zunehmen, gleichzeitig wird eine Abkühlung der Konjunktur prognostiziert. Wirtschaftliche und soziale Stabilität seien aber wichtig, um die Risiken anzugehen, und die Zusammenarbeit zwischen Staatsoberhäuptern, Unternehmen und politischen Entscheidungsträgern sei mehr denn je erforderlich.
Der Bericht, der unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Strategieberater Marsh & McLennan erstellt wurde, weist darauf hin, dass die politischen Entscheidungsträger die Ziele für den Schutz der Erde mit denen für die Ankurbelung der Volkswirtschaften abgleichen müssten. Für Firmen gelte es, existenzielle Verlustrisiken zu vermeiden. „Unternehmen werden verstärkt von Anlegern, Aufsichtsbehörden, Kunden und Mitarbeitern unter Druck gesetzt, ihre Widerstandsfähigkeit gegen zunehmende Klimaschwankungen unter Beweis zu stellen“, sagt Marsh-&-McLennan-Chef John Drzik. Dank des wissenschaftlichen Fortschritts könnten Klimarisiken nun genauer modelliert und in Risikomanagement sowie Geschäftspläne einbezogen werden.
Auf Kundenwünsche eingehen
Die ebenfalls an der Erstellung des Reports beteiligte Zurich Insurance Group hält es für unerlässlich, dass Unternehmen und Politiker den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und nachhaltigeren Geschäftsmodellen beschleunigen. „Wir beobachten bereits, dass Unternehmen pleitegehen, weil sie ihre Strategien nicht einem Umsteuern der Politik und veränderten Kundenwünschen anpassen“, sagt Chief Risk Officer Peter Giger. Jeder müsse seinen Teil zur Minderung der Risiken beitragen. „Das ist nicht nur eine wirtschaftliche Notwendigkeit, das ist einfach richtig.“
In dem fast gleichzeitig erschienenen Strategiepapier „Climate risk and response“ (Klimarisiko und Reaktion) schlägt der Unternehmensberater McKinsey drei Schritte vor: das Klimarisiko in alle Entscheidungsprozesse einzubeziehen, die Maßnahmen zur Anpassung schneller und umfangreicher zu gestalten und die Wirtschaftsweise so umzustellen, dass das CO2-Risiko nicht zunimmt.
IT als Risiko
- Nach Klima- und Umweltproblemen wird am meisten ein Zusammenbruch der Informationsinfrastruktur befürchtet
- Die Fragmentierung der digitalen Welt, der ungleiche Zugang zum Internet, das Fehlen eines Regulierungsrahmens auf globaler Ebene und die Unsicherheit im Cyberraum bergen allesamt beträchtliche Risiken
- Dabei ist die künstliche Intelligenz zum neuen Schauplatz für den geopolitischen Wettbewerb geworden