EU-Mobilitätspaket Niemand hat die Absicht, eine Verordnung umzusetzen

Jan Bergrath Foto: Jan Bergrath
Meinung

Es sollen mehr Güter auf die Schiene. Doch gerade im internationalen Kombinierten Verkehr wird sich an den bisherigen Zuständen vorerst nichts ändern.

Im März 2023 war ich mit Kontrolleuren des Bundesamtes für Logistik und Mobilität (BALM) im Kölner Norden und habe darüber im Blog-Beitrag BALM-Sonntag berichtet. Die damals zugesagte Nachkontrolle zusammen mit dem BALM hat leider nie stattgefunden. Bei einer persönlichen Nachkontrolle im Kölner Norden am Sonntag, dem 29. Oktober, musste ich feststellen, dass sich an den von mir im März 2023 beschriebenen Zuständen gerade im Zusammenhang mit dem internationalen Kombinierten Verkehr nicht wirklich viel geändert hat. Es sind dieselben Lkw anzutreffen wie damals.

Fahrer, mit denen ich im Beisein einer Kölner Kollegin vor Ort gesprochen habe, bestätigten, dass sie mindestens vier Wochen am Stück im Lkw fest stationiert sind und dabei dauerhaft im Lkw übernachten. Das wäre ein glatter Verstoß. Das deckt sich mit den Berichten deutscher Fahrer von anderen Standorten des KV und letzten Endes mit den Erfahrungen der Gespräche, die Mitarbeiter des DGB-Projekts „Faire Mobilität“ seit Jahren führen.

Rückmeldung des Bundesverkehrsministeriums

Da sich weder das Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM) noch die für Betriebskontrollen zuständige Bezirksregierung Köln aus Gründen des Datenschutzes zu konkreten Kontrollen äußern wollen, habe ich eine Anfrage an das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) in Berlin gestellt.

Eine Sprecherin antwortete: „Das BALM trägt durch seine umfassenden Kontrollen entscheidend zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und des Umweltschutzes sowie zur Sicherung der Marktordnung im Straßengüterverkehr bei. Das BALM nimmt seine Kontrolltätigkeit im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeiten nach § 11 des Güterkraftverkehrsgesetzes wahr. Der Straßenkontrolldienst führt in diesem Zusammenhang stichprobenweise Kontrollen auf Bundesautobahnen sowie an Bundes- und Landstraßen durch. In die Auswahl der Kontrollinhalte und Standorte fließen zudem jeweils aktuelle Erkenntnisse und Erfahrungen des Bundesamtes mit ein. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass aus datenschutzrechtlichen und kontrolltaktischen Gründen grundsätzlich weder Informationen zu laufenden Verfahren gegeben noch ortsspezifische statistische Angaben veröffentlicht werden können. Dennoch kann ich Ihnen mitteilen, dass an dem von Ihnen genannten Standort seit der von Ihnen angesprochenen Kontrolle im März 2023 weitere Verkehrskontrollen des BALM stattgefunden haben.“

Wer kontrolliert eigentlich die Kontrolleure?

Damit ist es praktisch unmöglich, als Journalist darüber zu berichten, ob die drei Schwerpunktkontrollen des BALM pro Monat wirklich ausreichen, um diese möglichen Verstöße wirklich aufzudecken. Die Antwort aus dem FDP geführten BMVD ist umso verwunderlicher, da die Fraktion der FDP um den heutigen parlamentarischen Staatssekretär Oliver Luksic aus der Opposition in einer kleinen Anfrage vom 16. März 2021 seinerzeit genau zu diesen Punkten Aufklärung haben wollte - die sie nun an verantwortlicher Position mit denselben Floskeln beantwortet.

Umsetzung erst ab 2024

Weiter heißt es aus Berlin: „Zu Ihrer Frage bezüglich der Umsetzung der Regelungen aus dem Mobilitätspaket Teil I in nationales Recht kann ich Ihnen mitteilen, dass die unionsrechtlichen Regelungen unmittelbar Geltung erlangt haben. Seitens des BMDV wird an der Anpassung der nationalen Rechtsvorschriften an die unionsrechtlichen Regelungen des Mobilitätspakets Teil I gearbeitet, entsprechende Änderungsrechtsakte befinden sich in der Abstimmung.“

Auch das ist nicht richtig, wie ich es in meiner Reportage „Außer Kontrolle“ bereits beschrieben habe. Das BALM kontrolliert immer noch nach dem bestehenden deutschen Verbot, das bereits 2017 eingeführt wurde. Doch erst die Verordnung (EU) 2020/1054, die am 31. Juli 2020 als Teil des Mobilitätspaket I veröffentlicht wurde, führt zu Änderungen an den Verordnungen (EG) Nr. 561/2006 und (EU) Nr. 165/2014, die am 20. August 2020 Geltung erlangt haben. Damit können wichtige Instrumente wie das Risikoeinstufungsverfahren praktisch nicht angewendet werden.

Verbände sollen wieder angehört werden

Die gesamte Konstruktion des Mobilitätspaketes ist extrem komplex – aber letzten Endes so konstruiert, dass eine konsequente Kontrolle wie etwa der Rückkehrpflicht des Lkw, gegen die osteuropäische Länder gerade vor dem EuGH klagen, oder des Rückkehrrechts der Lkw-Fahrer faktisch immer Möglichkeiten bietet, die Vorschriften auszuhebeln. Darüber berichte ich im Brennpunkt des FERNFAHRER 1/2024 an konkreten Beispielen.

Vor Anfang 2024 ist mit einer konkreten Umsetzung ins deutsche Fahrpersonalrecht allerdings nicht zu rechnen. Vorher sollen übrigens noch die Verbände angehört werden. Wenn deren Expertise genauso konsequent berücksichtigt wird bei den Anhörungen zur Erhöhung der Lkw-Maut, dann komme ich mittlerweile zu dem Schluss, dass niemand in Deutschland die Absicht hat, eine Verordnung zum Schutz der Lkw-Fahrer und des deutschen Gewerbes umzusetzen.

Unsere Experten
Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
Experte für Flottenmanagement und angewandte Mobilitätsangebote Rolf Lübke Mobilität, Fuhrpark (inkl. Wasserstoff-Expertise)
Who is Who
Who is Who Nutzfahrzeuge 2019 WHO IS WHO Nutzfahrzeuge

Alle Hersteller, Zulieferer und Dienstleister für Nutzfahrzeugflotten.

Kostenloser Newsletter
eurotransport Newslettertitel Jetzt auswählen und profitieren

Maßgeschneidert: Die neuen Themen-Newsletter für Transportprofis.

Betriebsstoffliste 2023
Mehr als 2.500 Produkteinträge

Immer auf dem neuesten Stand: Die DEKRA Betriebsstoffliste 2023

eurotransport.de Shop
Web Shop Content Teaser Der Shop für die, die es bringen.

Zeitschriften, Bücher, Lkw-Modelle, Merchandising und mehr.