Seit sechs Wochen streiken Lkw-Fahrer in Gräfenhausen, die für den umstrittenen polnischen Spediteur Mazur unterwegs sind. Dieser Fall ist besonders drastisch.
Seit sechs Wochen streiken die im Auftrag der polnischen Mazur-Gruppe tätigen Fahrer an den Parkplätzen Gräfenhausen an der A5. Ihr Chef hat sie in eine extreme Abhängigkeit getrieben, aus der es schwer einen Ausweg gibt. Edwin Atema spricht im Gespräch mit eurotransport.de von Zwangsarbeit. Die Fahrer haben ihn zu ihrem Verhandlungsführer gewählt. Diese Rolle hatte er bereits beim vorangegangenen Fahrerstreik im April. Der Gewerkschafter aus den Niederlanden prangert menschenunwürdige Zustände sowie eine fehlende Kontrolle und Ahndung durch die Behörden an.

Der Fall eines Fahrers, über den er berichtet, ist besonders drastisch. Der für Gräfenhausen zuständige Bezirk Hessen/Thüringen des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) hat ihn minutiös aufgearbeitet. Der DGB nennt den Fahrer – um ihn zu schützen – Y. Fahrer Y kommt aus einem Drittland und stößt dort auf ein Jobangebot für Polen, bei dem er angeblich 2.400 Euro im Monat verdienen kann. Das Kleingedruckte: Zunächst muss er 1.000 Euro bezahlen, um seinem künftigen Arbeitgeber vorgestellt zu werden. Die Vermittlung erfolgt an die Spedition Imperia in Polen, die neben Akmaz und Lukmaz zum Firmengeflecht des umstrittenen Unternehmers Lukasz Mazur gehört.
Fahrer muss sich die Arbeit bei Mazur erst erkaufen
Fahrer Y erhält ein Visum für Polen und seine erforderlichen Dokumente. Die muss er sich für 5.500 polnische Zloty – umgerechnet rund 1.230 Euro – aber erst teuer erkaufen. Ehe er überhaupt einen Kilometer fährt, ist er schon mal 2.230 Euro los.
Die Fahrtätigkeit beginnt am 5. August 2022. Seine Entlohnung, die der DGB erfragt und ermittelt hat, beträgt:
- für August 223 Euro
- für September 120 Euro und
- für Oktober 286 Euro.
Fürs Jahr 2023 gelten neue Stundensätze, die – wie es heißt – anhand der Fahrerkarte und des Bankkontos berechnet werden. Zugrunde legte Imperia für Fahrer Y folgende Stundensätze:
- für Februar 1,45 Euro
- für März 2,94 Euro
- für April 1,50 Euro und
- für Mai 3,59 Euro.
Damit sind die Fahrer von der Entlohnung her Häftlingen gleichgesetzt, die in Deutschland zwischen 1,37 und 2,30 Euro pro Stunde verdienen. Mit dem Unterschied, dass die Gefangenen ihr Einkommen in der Regel nach Absitzen der Haftstrafe ausbezahlt bekommen. Fahrer Y hingegen muss drastische Abzüge befürchten. Er wird bei einer Kontrolle von Beamten des Bundesamts für Logistik und Mobilität (BALM) kontrolliert, Imperia mit einer Geldbuße von 5.000 Euro belegt. „Imperia beglich das Bußgeld und informierte Y darüber, dass dieser Betrag von seinen Zahlungen abgezogen werden würde“, berichtet der DGB. Er appelliert eindringlich an alle Geschäftspartner der Mazur-Gruppe, sich für eine Lösung in Gräfenhausen einzusetzen. „Es geht darum, der unsäglichen Situation dadurch ein Ende zu schaffen, dass Mazur den Fahrern ihr Geld zahlt.“ Es sei ein Skandal, dass sich dieser Protest schon in der sechsten Woche befindet.