Elektro endlich auch bei den Bussen E-Offensive bei MAN

MAN Truck & Bus Foto: MAN Truck & Bus

Spät ist die Bus-Sparte von MAN ins Elektrozeitalter gestartet und das mit wenig Flexibilität. Jetzt aber drehen die Münchner auf – mit neuen Modellen und Möglichkeiten und viel Big Data.

Die E-Mobilität elektrisiert immer mehr Unternehmen und nimmt rasant an Fahrt auf – das besonders im Stadtbusbereich, aber auch zunehmend im Überland- und Reisesektor. Die Nachfrage nach Elektrobussen wird in den nächsten Jahren weiter steigen, keine Frage. Bis 2040 soll der Absatz von emissionsfreien Bussen auf über 80 Prozent des Weltmarkts klettern, MAN spricht davon, dass 2030 bereits 90 Prozent der eigenen neuen Busse elektrisch angetrieben werden. Dazu soll dem Vernehmen nach Mitte des Jahrzehnts auch testweise ein elektrischer Reisebus an den Start gehen. Um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, ändert MAN jetzt seine anfängliche Produktstrategie, dem Kunden kaum Wahlmöglichkeiten zu geben. Zwei Fahrzeuglängen mit jeweils einer fixen Batterieleistung und einer Ladeoption – diese kargen Zeiten sind nun vorbei. Der bisher eher mäßige Absatz von rund 1.300 Bussen und einem Marktanteil in Europa von 6,4 Prozent (Quelle: CME Chatrou Marketing Solutions) nach 4,1 Prozent in 2021 kann die Münchner nicht zufrieden stimmen. Mercedes-Benz kommt 2022 auf 12,6 Prozent, Marktführer VDL gar auf 13,7.

Lion’s City 10 E: Startschuss für die E-Offensive von MAN

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Der Lion‘s City 10 E tritt mit 1,5 Meter kürzerem Radstand an. Das lässt ihn ein wenig pummelig ausschauen, macht ihn aber sehr wendig.

Den Anfang macht bei der vertitablen Münchner „Elektro-Offensive“ der verkürzte Zweiachser Lion‘s City 10 E, der ab 2023 bestellbar sein wird. Um den knuffigen Midibus zu realisieren, griffen die Konstrukteure weitgehend auf den Baukasten des großen Bruders Lion’s City 12 E zurück. Breite, Höhe und Überhänge bleiben unangetastet, ebenso auch das Konzept des motorturmfreien Hecks, durch den vier Sitzplätze (maximal 33 Sitze und 80 Fahrgäste gesamt) mehr zur Verfügung stehen als bei den wenigen Wettbewerbern im Segment, die allerdings teilweise eine schmalere Silhouette von 2,35 Metern für bessere „Innenstadtgängigkeit“ bieten – so der Solaris Urbino 9 LE. Der Radstand schrumpft durch die Kürzung von rund sechs Metern deutlich auf 4,40 Meter und der Wendekreis sinkt auf rekordverdächtige 17,2 Meter, was den Wagen enorm wendig macht. Das konnten wir selbst schon testen – wir waren sehr beeindruckt! Auch der flotte Vortrieb des fahrzeugfest montierten und hocheffizienten Zentralmotors konnte uns mehr überzeugen als der etwas phlegmatisch agierende Gelenkbus 18 E mit seinen serienmäßig zwei Motoren!

Die Produktion des Lion‘s City 10 E erfolgt ab Jahresbeginn 2023 im polnischen Werk in Starachowice nach den gleichen Qualitätsstandards wie bei allen anderen Stadtbussen von MAN. Auch wenn er der kleinste ausgewachsene Stadtbus der neuen Lion’s City Generation ist, so bietet er all das an hochentwickelter Technik wie seine längeren Kollegen. Das betrifft auch die modernen Sicherheitssysteme wie ESP, aktiv warnender Abbiegeassistent auf Kamera- statt Radarbasis, taghelle LED-Scheinwerfer oder das kamerabasierte MAN OptiView-Spiegelersatzsystem, das aber immer noch die Geister etwas spaltet in der Busbranche.

MAN setzt auf die bewährte Lithium-Ionen-Batterie

MAN Truck & Bus Foto: Thorsten Wagner
Heinrich Degenhardt von ProfiDrive erklärte uns den ersten Prototypen in München.

Der Lion’s City 10 E greift natürlich wie alle MAN eBusse auf die bewährten Lithium-Ionen-Batterien (NMC) aus dem Konzern mit besonders hoher Energiedichte und Lebensdauer zurück. Auf dem Dach sind nach Kundenwunsch entweder vier oder sogar fünf Packs verbaut – die neue „E-Flexibilität“. Bei vier Modulen lauten die Leistungsdaten 400 kWh und bis zu 300 Kilometer Reichweite respektive 320 kWh und 235 Kilometer Reichweite. Geladen wird der 10-Meter-Bus wie die 12-Meter- und 18-Meter-Varianten im Depot per CCS-Stecker und mit bis zu 150 kW – ab 2024 kommt aber eine Pantografenlösung, die viele Unternehmen aus logistischen Gründen auch im Depot bevorzugen.

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Das weitgehend analoge Cockpit des 10 E unterscheidet sich nicht von dem des 12 E.

Auch an weiteren E-Fronten geht es erkennbar vorwärts: „Um der internationalen Nachfrage gerecht zu werden und einen wichtigen Beitrag in Sachen nachhaltige Mobilität zu leisten, bieten wir jetzt mit unserem eBus-Chassis die MAN-Elektrobus-Lösung für die internationalen Märkte außerhalb Europas“, sagt Rudi Kuchta, Head of Business Unit Bus bei MAN Truck & Bus, und ergänzt: „Aufbauherstellern aus aller Welt geben wir mit dem Chassis die perfekte Basis für ihre vollelektrischen Modelle an die Hand.“ Diese Chassis werden auch mit der rubusten und seit Jahren erprobten LFP-Batterietechnik (Lithium-Eisenphosphat) verfügbar sein, die vor allem in Asien nachgefragt wird.

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Durch den fehlenden Motorturm entstehen vier zusätzliche Plätze im etwas zerklüfteten Heckbereich.

Bei der Entwicklung und Markteinführung des eBus-Chassis setzt MAN auf das Wissen und die Kompetenzen, die mit dem Lion’s City E bereits aufgebaut werden konnten. „Zudem vertrauen wir auf unsere langjährigen Partnerschaften und arbeiten intensiv mit unserem weltweiten Netzwerk an Aufbauherstellern zusammen, um auch Märkte in Asien, Afrika, Südamerika, Australien und Neuseeland bestmöglich bedienen zu können“, so Kuchta. Bereits 2023 werden die ersten Vorserienmodelle des MAN eBus-Chassis ausgeliefert. Der Start der Produktion ist für 2024 geplant. Produziert werden soll das eBus-Chassis im polnischen MAN-Werk in Starachowice, wo auch der Lion’s City E gefertigt wird. Angeboten werden soll sowohl ein Niederflurchassis für Stadtbusse als auch ein Low-Entry-Chassis für Überlandbusse. Der Lion’s City LE, der in seiner Cityvariante 2023 auch mit milder Hybridisierung startet, soll 2023 ebenfalls als E-Modell kommen – und mithin noch vor dem elektrischen Setra S 500 LE business, dessen Vorgänger ja einer der erfolgreichsten Überlandbusse einer deutschen Marke überhaupt war bisher.

Energieeffizient dank leichter Hinterachse

Neben den neuen Modellen im Portfolio feilen die Münchner auch an der bestehenden Technik der E-Busse. „Wir arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung unserer Produkte. Und auch unseren eBus entwickeln wir ständig weiter“, sagt Rudi Kuchta und ergänzt: „Dabei haben wir unsere Kunden stets im Blick. Unser Ziel ist ganz klar: Simplifying customer business through leading sustainable solutions!“ So sorgt die ab Herbst 2022 serienmäßig verbaute und effizienzgesteigerte konventionelle Hinterachse dank ihres leichteren Gewichts für eine signifikante Energieeinsparung. Mittels umfangreicher Verbesserungen bei Ölfluss und Entlüftung können zudem die Wartungsintervalle ausgedehnt werden, was Betreibern Zeit und Kosten einspart.

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Der Stehperron ist durch die Kürzung zwischen den Achsen nicht ganz so üppig ausgefallen.

Ab Herbst dieses Jahres bietet MAN seinen E-Bus-Kunden außerdem noch eine weitere Möglichkeit in Sachen Batterien noch flexibler zu agieren: Sie können über die Anzahl der Batteriepacks selbst entscheiden – endlich! Auch diese Neuerung bewirkt, dass sich der vollelektrische Stadtbus noch besser an die individuellen Kundenbedürfnisse und Anforderungen bezüglich Reichweite und Fahrgastkapazität anpassen lässt. Während beim Lion‘s Ciy 12 E vier (320 kWh), fünf (400 kWh) und sechs Packs (Serie mit 480 kWh) möglich sind, können Kunden beim Gelenkbus Lion‘s City 18 E zwischen sechs (480 kWh), sieben (560 kWh) oder acht Packs (Serie mit 640 kWh) wählen. Indem die Batteriepacks reduziert werden, lässt sich die Fahrgastkapazität und im Falle des 18 E mit seiner hohen Dachlast wohl auch der Federungskomfort erhöhen. Bei einem Batteriepack weniger haben bis zu acht Fahrgäste mehr Platz und bei zwei Packs weniger bis zu 16 Fahrgäste – bisher ein deutliches Manko der Maximalbestückung mit Batterien.

MAN Lion‘s City 10 E: Bis zu 350 Kilometern Reichweite

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Die Hochboden-Version des MAN eChassis wird ab 2023 die Basis für den elektrifizierten Lion‘s City LE sein, der ab 2024 dann auch in Klasse II als echter Überlandbus kommt.

In Sachen Batterietechnik hat MAN schon seit einiger Zeit erkannt, dass man den Kunden mehr Flexibilität entgegenbringen muss. Für besonders hohe Tagesreichweiten von bis zu 350 Kilometer gibt es seit kurzem die sogenannte „Maximum Range“-Strategie. Dank eines erweiterten Ladefensters von 80 Prozent lässt sich pro Ladung genug Energie für größere Distanzen entnehmen. Für Betreiber, die während der kompletten Einsatzdauer ihrer vollelektrischen Busse eine konstant zuverlässige Reichweite benötigen, eignet sich die Batterienutzungsstrategie „Reliable Range“. Denn sie bietet durch ein begrenztes Ladefenster von 65 Prozent ausreichend Reserven – der bisherige Serienwert. So garantiert sie über die gesamte Nutzungsdauer hinweg eine gleich hohe Reichweite von bis zu 270 (12 E) beziehungsweise sogar 320 Kilometer (10 E) unter günstigen Bedingungen.

Foto: MAN
Die NMC-Batteriepakete aus dem VW-Konzernregal lassen sich jetzt deutlich flexibler einsetzen als bisher und sollen über 12 Jahre halten.

Maßgeblich profitieren E-Bus Kunden zudem von der hohen Batterielebensdauer – ein Punkt der gerade bei den hochgezüchteten NMC-Batterien bisher kritisch gesehen wurde in der Branche. „Dank neuer Erkenntnisse zum Batterieverhalten ist je nach Einsatzbedingungen eine Batterienutzung von bis zu 14 Jahren möglich“, sagt Produktmarketing-Chef Heinz Kiess und ergänzt: „Mit Hilfe der Erkenntnisse, die wir aus Feldversuchen und Kundenfahrzeugen auf der Straße erzielt haben, konnten wir das Berechnungsmodell verfeinern, das den Batteriezustand vorhersagt.“ Mit dem neuen Verfahren könne sowohl die kalendarische als auch die zyklische Alterung modelliert werden, was eine genauere Abbildung kundenspezifischer Anwendungsfälle ermöglicht. Inwieweit hierbei der wählbare Ladehub („Depth of Discharge“) eine wesentliche Rolle spielt, sagt MAN zwar nicht, aber es sollte eine physikalische Selbstverständlichkeit sein, dass der „Reliable Range“ DoD von 65 Prozent deutlich batterieschonender ist als die Maximum-Range-Variante.

MAN ergänzt Ladetechnik um Pantographen

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Mit etwas weniger Power als den maximalen 640 kWh auf dem Dach dürfte der Federungs- und Fahrkomfort des Lion‘s City 18 E nochmals deutlich steigen.

Auch in Sachen Ladetechnik gibt es Neuerungen, die Kunden den Arbeitsalltag so simpel wie möglich machen soll und ein Umdenken von der bisherigen „Depotladung Only“-Strategie bedeutet. So gibt es ab Anfang 2024 eine neue Ladelösung für MAN-Elektrobusse. Diese können dann mit Pantograph im Depot von oben über Ladeschienen auf dem Dach automatisiert geladen werden (Inverted Pantograph mit Ladeschienen). Der Vorteil: Die direkte Umgebung um den Bus bleibt frei von Kabeln oder Ladesäulen. Die maximale Ausstattung an Batteriepacks bleibt dabei unberührt, weshalb der Lion’s City E auch beim Laden mit Pantograph von einer der größten Batteriekapazitäten am Markt profitieren kann. Die Ladeleistung wird im ersten Schritt maximal 150 kW betragen. Lösungen mit höherer Ladeleistung und einem auf dem Dach montierten Pantographen sind bereits in Planung und sollen später folgen. Auch ein späteres teilautonomes Rangieren im Depot ist mit dieser Technologie einfacher zu realisieren. Auch hierzu ist MAN schon in ersten Projekten tätig, um automatisierte Fahrfunktionen für den sicheren, effizienten und komfortablen Stadtverkehr der Zukunft zu testen. Neben dem automatisierten Fahren im Depot geht es vor allem darum, automatisiert und hochpräzise die Haltestelle anzufahren. Die elektrisierende Zukunft kann also kommen!

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