BusBlog zur Corona-Krise Und es hat Wumms gemacht!

Foto: Thorsten Wagner
Meinung

Das angedachte Hilfspaket für die Bus-Branche findet im jüngsten Konjunkturpaket keine Erwähnung. Jetzt gilt es, die Branche wieder zu einen und gemeinsam an einem Strang zu ziehen.

Jetzt sind es nicht einmal die moderaten 170 Millionen Euro geworden, die der Bundesverband der Busunternehmer (bdo) im Zuge eines Treffens am 14. Mai mit dem Verkehrsministerium in den Ring des Corona-Verteilungskampfes geworfen hatte. Das war zwar von Anfang an nur ein sprichwörtlicher Tropfen auf den heißen Stein, aber der Verband bedankte sich in vorauseilendem Gehorsam trotzdem artig bei Scheuer, der ja schon als Staatssekretär seinerzeit die Freigabe der Fernlinien (wenn auch mit dem Kuckucksei der Barrierefreiheit) unterstützt hatte.

Die Zeichen stehen auf Entspannung

Dass die Situation durchaus kritisch ist für viele Unternehmen der Branche, zeigte die große Beteiligung an der offiziellen und den parallel von der europäischen Unternehmer-Vereinigung #honkforhope angesetzten Sternfahrten und Konvois in Berlin und einigen anderen deutschen Städten – der nächste Aufschlag ist schon für den 17. Juni angesetzt.

Man darf gespannt sein, ob sich das Bild dann geschlossener darstellen wird als bisher. #honkforhope und der bdo hatten sich scharfe Auseinandersetzungen mit „Krawall"-Vorwürfen und Zahlenkriegen geliefert, die zuletzt sogar in Rücktrittsforderungen an die bdo-Spitze gipfelten. Der mittlerweile auch als Verein etablierte Zusammenschluss von Busunternehmern arbeitet politisch über die eher bürokratische Schiene des Petitionsausschusses, über die FDP und über europaweite Vernetzung. Gleichzeitig legte man den Verantwortlichen jeweils ein eigenes Hygienekonzept vor, dass durchaus sinnvolle und epidemiologisch abgesicherte Ansätze bietet – bisher ohne Reaktion.

Trotzdem bleibt der quirlige Verbund durchaus gesprächsbereit: „Wir haben immer den Zusammenschluss gesucht. Bei der Demo am 27. Mai gab es auch keinerlei Differenzen mit den Betrieben, die sich über den Verband organisiert hatten – ganz im Gegenteil," so Joachim Jumpertz, der Deutschland-Sprecher der Initiative. Um „Grabenkämpfe aller Arten" zu verhindern, plant die Initiative laut Gründer Alexander Ehrlich aus Österreich für den 17. Juni eine „Allianz mit verwandten Branchen, die ebenso übersehen wurden wie wir." Man wolle nicht mehr hupend demonstrieren, sondern in diversen Kundgebungen erklären: „Gehört wurden wir, aber nicht verstanden." Auch vom bdo kommen aktuell eher versöhnliche Töne: „Wir sind für alles, was aus unserer Sicht in dieser Ausnahmesituation den Unternehmen – und insbesondere den am schwersten getroffenen Reisebusunternehmen – hilft. Wir würden uns nicht von etwas distanzieren, das sinnvoll und hilfreich ist, nur weil es vielleicht von Privatpersonen oder Unternehmen ausgeht, die nicht im Verband organisiert sind. Es geht immer nur um die Sache. Jetzt gerade steht dabei die neue Demo am 17. Juni im Vordergrund."

Olaf Scholz: Branchenlösungen vermeiden

Für Verständnis werben war auch das Ansinnen eines klagenden Briefes des bdo-Präsidenten Karl Hülsmann an den SPD-Finanzminister Olaf Scholz, mit dem der Verband kurz vor dem ersten Aktionstag am 27. Mai in Berlin nochmals eindringlich den Ernst der Lage unterstrich: „Was ich vor einem Monat befürchtet habe, ist nun eingetreten: Das Unternehmenssterben in der Bustouristik hat begonnen. Die ersten UnternehmerInnen haben Insolvenz anmelden müssen."

Obwohl die strengen Insolvenzregeln ja derzeit aufgrund der Krise ausgesetzt sind, weiß der Vorsitzende der Gütegemeinschaft Buskomfort (gbk), Hermann Meyering, selbst von rund 20 Insolvenzen, und er schätzt, dass „in den nächsten Monaten der Hälfte der Branche die Insolvenz droht". Der bdo kann noch keine genauen Zahlen nennen, der hessische Landesverband weiß sogar noch von überhaupt keinen Insolvenzen. Trotzdem klagt Geschäftsführer Volker Tuchan: „Die hessische Bustouristik wird noch über Monate stark an den Corona-Folgen leiden, weil ein Großteil der Fahrten abgesagt wurde und unter den jetzigen Abstands- und Hygieneregeln in Hessen kein wirtschaftliches Hochfahren möglich ist. Das jetzt beschlossene Bundesprogramm ist unzureichend, die Ausfallzeiten seit dem Reisebusverbot vom März werden dort nicht berücksichtigt. Ohne ergänzende Unterstützungsleistungen des Landes Hessen wird sich die Not der hessischen Bustouristiker noch vergrößern."

Haarklein wird dem Finanzminister per Brief sodann nochmal vorgerechnet, was denn zum Erhalt der Branche nötig wäre an Vorhalte-, Personal- und Werbekosten sowie an Soforthilfen – ohne jedoch die breit von den Unternehmen in Anspruch genommene Kurzarbeit auch nur zu erwähnen. Auch der bdo kann hierzu keine Zahlen nennen. Aber er vermutet, wo der Hase im Pfeffer liegt: „Im Haus von Olaf Scholz will man offenbar keine Lösungen für einzelne Branchen, wie selbst die Automobilbranche bemerkte. Dabei übersieht man im BMF aber, dass einzelne Branchen eben ganz andere Folgen zu erleiden haben. Das muss sich in entsprechenden Hilfen spiegeln. Wir werden die Hoffnung nicht aufgeben. Es geht für viele Unternehmen um alles."

Unsinnige Deckelung macht Soforthilfen nutzlos

Alles Tagen und Werben half aber nichts: Das Wort Bus kommt im 15-seitigen Konjunkturpaket ebenso wenig vor wie die 170 Millionen Euro an ausgehandelten Hilfsgeldern. Lediglich die 25 Milliarden Euro, die für kleine und mittlere Unternehmen zwischen 5 und 250 Mitarbeitern vorgesehen sind, können als Soforthilfe bis 150.000 Euro beantragt werden. Knackpunkt: Die Deckelung bei 9.000/15.000 Euro (bei bis 5/10 Mitarbeiter) kann nach Absatz A13 des heiß erwarteten Papiers nur in „begründeten Ausnahmefällen" nach oben durchbrochen werden – ohne nähere Definition. Eine größere „Watschn", um im Scheuer'schen Idiom zu sprechen, hätten die Verbände kaum einfangen können. Die haben daher drei Tage nach dem großen Paket ihrerseits die „Bazooka" herausgeholt und den bereits angeknacksten Burgfrieden endgültig beendet.

Die drei Bus-Verbände, deren ungewöhnlich koordiniertes Vorgehen gbk-Chef Meyering „einen Meilenstein der Verbandsgeschichte" nennt, bezeichnen das Konjunkturpaket als „vollkommen unzureichend" . Die vorgesehenen Überbrückungshilfen seien „zu niedrig und zeitlich zu kurz angesetzt", um das Fortbestehen der Betriebe zu sichern. „Wenn jetzt nicht schnell echte Hilfe kommt, gehen in der Bustouristik reihenweise die Lichter aus. Wir als Busbranche brauchen jetzt Hilfen für die erlittenen Schäden und die noch lange anhaltenden Folgen der Corona-Pandemie." Und die bdo-Verbandschefin Christiane Leonard sieht sogar die „gesamte Struktur des öffentlichen Personenverkehrs" massiven Schädigungen ausgesetzt, auch wenn sich der nicht gerade befreundete Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) mit den ausgelobten 2,5 Milliarden Euro an Hilfen zufrieden zeigt. Der durfte sich zudem noch über die zumeist den großen Betreibern zu Gute kommenden, um 1,2 Milliarden Euro erhöhten Elektrobusmittel freuen. Warum die Neuanschaffung von Lkw, nicht aber die von um ein Vielfaches teureren Reisebussen mit bis zu 15.000 Euro gefördert wird, bleibt jedoch ein Rätsel. Deutschland das Mittelstandsland?

Erste Unternehmen klagen

Foto: bdo
Übersicht des bdo: Wann die Busreiseverbote wo aufgehoben werden.

Wie die Klagestrategie der Verbände nun genau aussieht, konnte das Verbändetrio noch nicht sagen. Es hieß lediglich, man wolle „eine Klage der Busbranche auf Schadenersatz für die Folgen des Fahrverbots anschieben," weil der Reisebus als einziges Verkehrsmittel mit einer solchen „Komplettsperre" belegt worden sei. Gründe zum Klagen gibt es diverse, auch die Adressaten sind vielfältig: Der Bund ist es in den wenigsten Fällen, denn er hätte die seit 1968 ermöglichten Notstandsgesetze aktivieren müssen, um direkt auf die Länderebene durchgreifen zu können. Das hat er aber nicht getan, die Länder mussten selbst mit eigenen Verordnungen die Weisungen des Bundes umsetzen.

Die Reiseverbote seien jedoch in vielen Fällen nicht rechtmäßig erfolgt, wie der Düsseldorfer Fachanwalt für Verwaltungs- und Vergaberecht, Dr. Clemens Antweiler, in der „Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht" (NVwZ) Nr. 584 ausführlich dargelegt hat: „Besonders einschneidend für den Betroffenen sind die in den Rechtsverordnungen der Länder geregelten Betriebsuntersagungen. Nach rein virologischen Maßstäben mögen diese auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen. Allerdings halten sie einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Länder könnten deshalb schon bald mit ganz erheblichen Entschädigungsforderungen konfrontiert werden." Klagen können nur sie, nicht die Verbände, die Aussichten hierfür seien seiner Einschätzung nach sehr gut, „sofern die Gerichte wirklich Recht sprechen und nicht aus politischen Gründen zurückhaltend urteilen."

Bei den Fahrverboten handelt es sich laut der Expertise um „unmittelbare Eingriffe in das durch Artikel 14 GG geschützte Eigentum der Betriebsinhaber, (...) die schließlich rechtswidrig sind". Daher hafteten die Länder gegenüber den betroffenen Unternehmen direkt für den „enteignungsgleichen Eingriff." Und auch auf der politischen Ebene liefert Antweiler juristische Munition: „Die Grundrechte stehen nicht unter einem allgemeinen Pandemievorbehalt. Auch das politische Postulat der Alternativlosigkeit macht eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung bei schweren Grundrechtseingriffen nicht entbehrlich."

Und tatsächlich haben schon vor der Verbändeankündigung erste Unternehmen geklagt, sowohl auf Schadenersatz als auch auf Gleichbehandlung in Sachen Hygeniekonzepte, die sich in den Ländern grundlegend unterscheiden. So klagt Autobus Oberbayern mit dem Landesverband Bayerischer Omnibusunternehmen (LBO) gegen das weitere Verbot von organisierten Gruppenreisen, mehrere rheinland-pfälzische Unternehmen gegen die ausnahmslose Maskenpflicht für Passagiere an Bord, die so nur von Mainz verordnet wurde. gbk-Präsident Meyering geißelt das Chaos scharf: „Um bundesweite Reisen durchführen zu können, brauchen wir dringend einheitliche Hygienekonzepte. Ansonsten muss der eine oder andere Unternehmer seine Passagiere in einen Flixbus setzen, denn die dürfen ja wieder fahren."

Auch wenn der Corona-Podcast (Nr. 50) des Hallenser Epidemiologen Alexander Kekulé „Flixbus nur auf eigene Gefahr" für einigen Wirbel gesorgt hat: Die grünen Busse fahren nach den einfachen ÖPNV-Hygieneregeln für die Bahn, über die der bdo-Sprecher Christian Wahl wiederum sagt: „Ich sehe beim Reisebus – als Nicht-Techniker – bessere Bedingungen als bei der Bahn, die ohne jedes Verbot oder Einschränkungen fährt". Bis das auch wieder für den Bus gesagt werden kann, dürften noch einige Monate ins Land gehen.

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