Blockierte Autobahnparkplätze BMVI: Polizeimaßnahmen sind rechtens

Foto: Polizei Nordhessen

Die rechtliche Einschätzung von Prof. Dr. jur. Dieter Müller zum zweckentfremdeten Verkehrsraum als Abstellplatz für osteuropäische Transportunternehmen wurde nun auf Nachfrage vom Bundesverkehrsministerium offiziell bestätigt. Nun müssten nur noch alle Beamten der Autobahnpolizeí über ihre Rechte informiert werden.

Die Meldung von Eurotransport über den „zweckentfremdeten Verkehrsraum“ auf der Autobahnraststätte Kassel-Ost der A 7 hat in der Transportbranche eine große Resonanz hervorgerufen. Tenor: Endlich greift die Polizei bei einem über Jahre bekannten Problem einmal tatsächlich durch. Die Polizei Nordhessen hatte wegen der Blockade anderer Lkw-Fahrer, die ihre gesetzlichen Ruhezeiten einhalten müssen und dies dort durch die widerrechtlich abgestellten Lastzüge nicht konnten, insgesamt 80 Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen zwei Fahrzeughalter aus Polen und Rumänien eingeleitet. Entscheidend dafür war auch die rechtliche Wertung des Problems durch den Verkehrsrechtsexperten Prof. Dr. jur. Dieter Müller.

Bundesverkehrsministerium bestätigt die Rechtsauffassung

Nun hat das Bundesverkehrsministerium (BMVI) auf Nachfrage die Rechtsauffassung von Prof. Müller offiziell bestätigt. Grundsätzlich gilt: „Nach § 7 Abs. 1 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) ist der Gebrauch der Bundesfernstraßen jedermann im Rahmen der Widmung und der verkehrsbehördlichen Vorschriften zum Verkehr gestattet (Gemeingebrauch). Der fließende Verkehr hat zwar grundsätzlich Vorrang. Dennoch gehört auch der ruhende Verkehr zum Gemeingebrauch (siehe § 7 Abs. 1 Satz 2 FStrG). Kein Gemeingebrauch liegt vor, wenn die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken benutzt wird. Auch wenn Lkw auf den Rastanlagen der Bundesautobahnen aufgrund der Lenk- und Ruhezeiten bzw. aufgrund eines Fahrverbots vorübergehend abgestellt werden, liegt hierin primär weiterhin eine Nutzung zum Zwecke des (fließenden bzw. vorübergehend ruhenden) Verkehrs.“

Mit einer Ausnahme laut BMVI: „Wenn jedoch Lkw von Speditionsunternehmen auf der Rastanlage für eine Zeit, die die Lenk- und Ruhezeiten in erheblichem Maße überschreitet, abgestellt sind, bestehen erhebliche Anhaltspunkte für eine Verlagerung der Gewerbefläche in den öffentlichen Verkehrsraum. Das wäre somit eine unerlaubte Sondernutzung nach § 8 Abs. 1 FStrG. Seit dem 1. Januar 2021 kann die Autobahn GmbH die Beendigung einer unerlaubten Sondernutzung nach § 8 Abs. 7a FStrG anordnen. Für die Ahndung etwaiger Ordnungswidrigkeiten ist wiederum das Fernstraßenbundesamt (FBA) in Leipzig nach § 23 Abs. 3 FStrG zuständig.“

Bessere Aufklärung der Polizei gefordert

Dass viele Beamte der Autobahnpolizei dieses Parkraumproblem bislang einfach ignoriert haben, liegt auch an der oft mangelnden Kenntnis ihrer Rechte – und hier möglicherweise sogar Pflichten. "Es ist zielführend, dass die Autobahnpolizei auch gegen ausländische Fahrzeugführer und Fahrzeughalter vorgeht, weil nur auf diese konsequente Weise der notwendige Druck auf die Einhaltung der Rechtsnormen ausgeübt werden kann“, argumentiert Prof. Müller nach Rückfrage. „Natürlich bedarf die Verkehrsüberwachung einer strikten Fortsetzung in der Ahndung durch die zuständigen Bußgeldbehörden und zwar auch staatenübergreifend in Zusammenarbeit mit den Bußgeldbehörden im Ausland.“

Polizeibeamte benötigten nicht nur eine gute Aus- und Fortbildung im Straßenverkehrsrecht, argumentiert Prof. Müller, sondern auch im thematisch angrenzenden Straßenrecht. Gerade die Überschreitung des Gemeingebrauchs (die verkehrsübliche Nutzung der Straßen, Wege und Plätze), das heißt, die unerlaubte Sondernutzung der Verkehrsflächen, belaste unsere Straßen und unser Gemeinwesen über Gebühr und führt zu Ungerechtigkeiten, die nur über konsequentes Verwaltungshandeln für die Zukunft beseitigt werden können. „Auf diesem Gebiet können die Polizeihochschulen und andere Bildungseinrichtungen der Bundesländer noch deutlich aufholen“, betont Prof. Müller.

Gerne auch mit Parkkralle

Auch die Frage vieler Leser, warum die Polizei in Nordhessen die Lkw einfach fahren ließ und nicht, wie es etwa bereits die Autobahnpolizei Köln seit dem Herbst 2020 praktiziert, eine Parkkralle eingesetzt hat, beantwortet der Verkehrsrechtsexperte. „Hilfreich und für die Polizei entlastend wäre in der Tat eine verbesserte Zusammenarbeit mit dem kommunalen Vollzugsdienst, der im ruhenden Verkehr eine eigene Verfolgungszuständigkeit besitzt“, so Prof. Müller. „Hilfreich wäre weiterhin auch ein modernisiertes Verwaltungsvollstreckungsrecht. So müsste es im Vollstreckungsrecht aller Bundesländer schon lange verankert werden, dass Polizeibeamte bei Rechtsbrechern passende Parkkrallen anlegen dürfen bis das Bußgeld respektive die Sicherheitsleistung bei Ausländern vollständig bezahlt wurde."

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