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Berufskraftfahrer-Qualifikation Fahrers Pflicht

Qualifizierung, Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz Foto: Karl-Heinz Augustin

Das Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz gilt nicht nur für Lkw-Fahrer. Die Pflicht zur Weiterbildung erstreckt sich auch auf Personen, die nur gelegentlich am Steuer sitzen, etwa im Rahmen des Werkverkehrs.

Dass sich Lkw-Fahrer im Rahmen des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetzes weiterbilden müssen, ist allgemein bekannt (siehe Kasten sowie "Wissen kompakt – Fünf BKF-Module in einer Woche" in trans aktuell 20/2013). Was aber nicht so verbreitet ist: Das Gesetz trifft auch Arbeitnehmer, die im Vergleich zu Vollzeitfahrern nur einen geringen Teil ihrer Arbeitszeit hinter dem Steuer verbringen – denn es gilt sowohl für den gewerblichen Güterverkehr als auch für den Werkverkehr.

Definition ist schwierig

"Unglücklich ist, dass die Pflicht in einem Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz geregelt ist und sich somit viele Betroffene bislang nicht angesprochen fühlen", sagt Jörg Schneider, Jurist und Referatsleiter der Abteilung Industrie und Verkehr der IHK Region Stuttgart. Wer betroffen ist, lasse sich nicht in wenige, einfache Worte packen. Schneider versucht es trotzdem: "Das Gesetz betrifft diejenigen, deren berufliche Aufgabe zumindest zum Teil der Transport von Gütern ist."

Darunter fällt laut Schneider etwa der Lagerarbeiter eines Industrieunternehmens, der im Rahmen des Werkverkehrs mit dem firmeneigenen 7,5-Tonner die Produkte seines Arbeitgebers ausfährt. Ebenso Mitarbeiter von Entsorgungsfirmen oder die Auslieferungsfahrer eines Möbelhauses. Auch Mitarbeiter der öffentlichen Hand sind betroffen – etwa von kommunalen Abfallbetrieben. "Auch der Mitarbeiter des städtischen Bauhofs, der seine Kollegen regelmäßig mit Material versorgt oder Grüngut wegschafft", erklärt Schneider.

Handwerkerklausel: Fahren ist nicht der Haupt-Job

Es gibt auch gesetzliche Ausnahmen: Die in der Praxis bedeutsamste ist die sogenannte Handwerkerklausel, die beispielsweise bei Fahrten gilt, bei denen der Fahrer Material oder Ausrüstung transportiert, die er zur Ausübung seines Berufs verwendet. Das kann laut Schneider auch für den Transport defekter Autos zur eigenen Reparaturwerkstatt gelten, ebenso für das Lenken von Fahrzeugen, bei denen es sich um ausgerüstete Werkstattwagen handelt und mit denen Pannenhilfe geleistet wird. Oder der Transport von Messeständen durch einen Mitarbeiter des Unternehmens.

"In all diesen Ausnahmen gilt, dass der Fahrer nicht nur seine Kollegen vor Ort beliefert, sondern dass er selbst Hand anlegt und etwa das Fahrzeug repariert oder den Messestand aufbaut und betreut", sagt Schneider. Das Lenken darf also nicht die Haupttätigkeit des Fahrers darstellen: "Die arbeitsvertragliche Hauptleistung kann als Indiz dienen."

Kein einheitliches Nachschlagewerk verfügbar

Das Problem: Es gibt kein einheitliches Nachschlagewerk, aber stattdessen einen riesigen Fundus an Quellen, sodass die Frage der Abgrenzung nicht leicht beantwortet werden kann. Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG), der Bund und die Länder bieten nach Angaben von Schneider zahlreiche Hinweise, die zumeist aber nur grundsätzlicher Natur seien. Auch die Gerichte sind bislang noch keine Hilfe – es gibt schlichtweg noch keine gerichtliche Rechtsprechung, auf die sich Unternehmen im Zweifel berufen können.

Anders als etwa bei den Sozialvorschriften, wo einzelne Ausnahmen an den Aktionsradius von 50, 100 und 250 Kilometern gebunden sind, ist der Fahrer im Bereich des Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetzes bereits ab dem ersten Meter weiterbildungspflichtig. Auch die Art des Fahrzeugs gibt keinen Anhaltspunkt, ob der Fahrer sich gemäß dem Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz weiterbilden muss. "Kurz, es hängt eher von Zweck und Ziel der Fahrt ab", sagt Schneider.

Die Übergänge sind fließend

Ein Firmenchef tut also gut daran zu wissen, in welchem Umfang seine Mitarbeiter Aufgaben wahrnehmen. "In der Bauwirtschaft etwa gibt es viele Unternehmen, die ihre Mitarbeiter mit altem 3er-Führerschein den Pritschenwagen fahren lassen, der jeden Morgen die Baustoffe auf die Baustelle bringt", berichtet Schneider. Wenn dieser Mitarbeiter nicht vor Ort selbst auf der Baustelle mit Hand anlegt und bei der Verarbeitung des Materials eingesetzt wird, kann für ihn bereits die Weiterbildungspflicht gelten.

Schneider sieht das Dilemma der Unternehmen, die sich beim Thema in der Grauzone befinden: "Entweder qualifiziere ich meine Mitarbeiter zu entsprechenden Kosten oder ich schränke mich in meiner Flexibilität als Arbeitgeber ein." Variante eins schlägt mit Kosten von – über den Daumen gepeilt – 500 bis 600 Euro pro Weiterbildung zu Buche, und das alle fünf Jahre. Dazu kommt die Zeit des Arbeitsausfalls.

Wer an der Weiterbildung spart, riskiert hohe Bußgelder

Variante zwei kann heißen, dass die Arbeitsorganisation geändert werden muss, weil nicht jeder Mitarbeiter hinters Lkw-Steuer kann, nur weil er den Führerschein für die entsprechende Klasse hat. Abgesehen davon hat sich mit der Weiterbildungspflicht auch das Thema Aushilfe mit altem 3er-Führerschein oder der Einsatz von Fahrern in Rente als Springer weitgehend erledigt, da dies vielfach wegen der Weiterbildungskosten unrentabel ist.

Einfach aussitzen geht für die Unternehmen nicht: 
Schneider geht davon aus, dass die zuständigen Behörden nach dem Stichtag 10. September 2014 massiv die Kontrollen im Bereich der Fahrerlaubnisse der Klassen C erhöhen. Sich erwischen lassen kann teuer sein – zum Ärger für den Fahrer, der seiner Weiterbildungspflicht nicht nachgekommen ist, kann ein Bußgeld bis zu 5.000 Euro kommen. Der Arbeitgeber, der die Fahrt trotz fehlender Weiterbildung anordnet oder zulässt, kann sich zudem einem Bußgeld in Höhe von bis zu 20.000 Euro gegenübersehen. Schneiders Fazit ist denkbar einfach: "Beraten und prüfen lassen, ob eine Qualifizierungspflicht vorliegt oder nicht. Auch die IHKs beraten hier." In besonders schwierig zu beurteilenden Fällen empfiehlt sich eine Nachfrage bei einer der Außenstellen des Bundesamts für Güterverkehr.

Das Gesetz

Gesetz über die Grundqualifikation und Weiterbildung der Fahrer bestimmter Kraftfahrzeuge für den Güterkraft- oder Personenverkehr (Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz - BKrFQG):

"Dieses Gesetz gilt zum Zwecke der Verbesserung insbesondere der Sicherheit im Straßenverkehr durch die Vermittlung besonderer tätigkeitsbezogener Fertigkeiten und Kenntnisse und findet Anwendung auf Fahrer und Fahrerinnen, die (…) in einem Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum beschäftigt oder eingesetzt werden, soweit sie die Fahrten im Güterkraft- oder Personenverkehr zu gewerblichen Zwecken auf öffentlichen Straßen mit Kraftfahrzeugen durchführen, für die eine Fahrerlaubnis der Klassen C1, C1E, C, CE, D1, D1E, D oder DE erforderlich ist."

Die Pflicht zur Weiterbildung gilt auch für die­jenigen Altinhaber von Fahrerlaubnissen, die vor dem 10. September 2009 ihre Fahrerlaubnis der (alten) Klassen 2 und 3 beziehungsweise der neuen Klassen C1, C1E, C und CE gemacht haben und die ab dem 10. September 2014 noch Fahrten mit Zugfahrzeugen größer als 3,5 Tonnen zu gewerblichen Zwecken durchführen. All diejenigen, die zwischen 10. September 2014 und 9. September 2016 ohnehin zur
Führerscheinverlängerung müssen, haben mit der Weiterbildung noch bis zu diesem ­persönlichen Termin Zeit. 

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