Einzeltest: Scania G 420 Scania G 420 mit SCR-Motor

Einzeltest: Die Verbindung von G-Baureihe und bewährtem  SCR-Motor hat einen ganz speziellen Reiz. Denn mit Blick auf Verbrauch, Kaufpreis, Nutzlast und Fahrkomfort ist der Scania G 420 kaum zu übertreffen.

Ein ganz scharfer Blick und ein fast fotografisch arbeitendes Gedächtnis sind schon nötig, um den noch jungen Scania G vom etablierten Scania R zu unterscheiden. Die Schweden haben es trefflich verstanden, ihre dritte Baureihe – also die G-Baureihe – so zu gestalten, dass sie wie ein ­Scania R daherkommt, in Wirklichkeit aber die Lücke zwischen den beiden Baureihen P (ganz niedrig montiertes Fahrerhaus) und R (hoch montiertes Fahrerhaus) schließt. Selbst die Anzahl der Quersprossen im Kühlergrill ist identisch und letztlich hilft nur ein scharfer Blick auf die Typenbezeichnung, um mit letzter Sicherheit sagen zu können, ob da ein R oder ein G anrollt.
Tatsächlich sind die optischen Unterschiede marginal. Am auffälligsten ist noch der unterschiedlich große horizontale Spalt zwischen Stoßstange und Frontklappe, der im Fall des G signalisiert, dass die Kabine eine tiefere Position als im R eingenommen hat. Ihr Platz ist rund 100 Millimeter unterhalb der R-Position, aber immerhin 200 Millimeter oberhalb der P-Position. Die optische Nähe des G zum R spiegelt sich auch im Preis wider. Nur rund 2.000 Euro beträgt beispielsweise die Differenz zwischen den beiden Fahrerhäusern CR19H und CG19H (H für Highline), weil beide Fahrerhäuser bis auf die Bodengruppe und ihre Montagelage identisch sind.
Die Preisdifferenz resultiert letztlich aus einer etwas weniger umfangreichen Ausstattung und auch aus der Tatsache, dass ein niedriger montiertes Haus beim Verkaufspreis auch niedriger kalkuliert werden muss, sollen die Kunden es akzeptieren. Immerhin 20 Prozent jener deutschen Kunden, die einen Scania für den Fernverkehr kaufen, entscheiden sich derzeit für die Fahrerhausvariante CG19H, die auch der Testwagen trägt. Mit jeweils 30 Prozent stehen die CR19-Varianten Highline und Topline in der Käufergunst ganz vorne.

Unter der recht neuen Fahrerhausvariante CG19H arbeitet im Fall G 420 der altbekannte, bewährte und 11,7 Liter große SCR-Reihensechszylinder DC 1215 mit 420 PS (309 kW). Mit Blick auf den Drehmomentverlauf gibt er sich zwar nicht ganz so kräftig wie die 2007 vorgestellten und einen Liter größeren AGR-Motoren, doch der DC 1215 hat nach wie vor seine Freunde. Denn momentan ist er mit 30 Prozent Anteil die meistverkaufte Motorvariante von Scania für den Fernverkehr in Deutschland. Er gilt als sparsam, ist in EEV-Ausführung zu bekommen und benötigt die übliche Portion Adblue (rund fünf Prozent vom Dieselkraftstoff) zur Abgasreinigung. Die etwas kräftigeren AGR-Motoren liegen beim Dieselverbrauch marginal höher, kommen aber ohne SCR aus. Im Fall Scania hat der Käufer also die Wahl. Für die G-Baureihe gibt es zwei SCR-Motoren mit 380 und 420 PS sowie vier EGR-Motoren von 360 bis 480 PS.

Übersetzung - Antriebsstrang - Tempo

Die Mehrheit setzt – wie gesagt – auf den 420er-Motor, den Scania im Fall des Test-Lkw mit einer Achsübersetzung von 2,59 zu 1 kombiniert hatte. Diese neue, extrem lange Übersetzung (128 km/h bei Nenndrehzahl 1.800/min) reduziert das Drehzahlniveau auf die unterste vertretbare Grenze. Mit nur 1.190 Touren rollt der G 420 über die flache Autobahn, nur selten klettert die Nadel auf Steigungen weiter als 1.450 oder 1.500/min. Schließlich geht es heute mehr denn je um das Thema Kraftstoffsparen, was sich ganz probat mit niedrigen Drehzahlen in die Tat umsetzen lässt. Tatsächlich erreichte der G 420 sehr gute Verbrauchswerte, obwohl die bergige Teststrecke auf den ersten Blick gar nicht so sehr zu Motorkraft und Achsübersetzung passen will. So richtig in ihrem Element dürfte diese Sparachse im reinen Flachlandbetrieb sein, was der günstige  Teillastverbrauch von 22,8 Litern auf 100 Kilometer auch bestätigt. Dass es trotz der langen Achse unter dem Strich zu einem Bestwert (35,5 l/100 km) auf der schweren Topografie der Teststrecke reichte, hat zwei Ursachen. Zum einen nimmt der G 420 es mit Blick auf den Verbrauch nicht übel, wenn am Berg mal hohe Drehzahlen nötig sind. Und zum anderen passte die Triebstrangkombination, so sehr sie auch aufs Flachland zugeschnitten ist, bestens zur Teststrecke. Denn die vielen Vier- und Fünf-Prozenter der Messstrecke meisterte der G 420 mit einem exakt passenden Gang bei stabilen mittelhohen Drehzahlen und zudem mit ordentlichen Tempo. Ein halbes Prozent Steigung mehr oder weniger hätte das Ergebnis zum Teil verhagelt. Die Kehrseite: Ein Negativrekord an steigungsbedingten Schaltungen und somit recht viele Zugkraftunterbrechungen im Berg, die jedes mal zwei, drei oder vier km/h Tempoverlust bedeuten.

Als einen der wenigen fernverkehrstauglichen Scania-Motoren gibt es den 420 PS starken DC 12 unter allen drei Grundfahrerhaus-Varianten. Also im niedrigen P, im mittelhohem G und im R. Das niedrig montierte P-Fahrerhaus kommt für den Fernverkehr kaum in Frage. Auch nicht in Form der Highline-Ausführung: zu hoch (460 Millimeter) der Motortunnel, zu gering (1.590 Millimeter) die Stehhöhe darauf, zu eingeschränkt das Stauraumangebot. Die G-Variante dagegen bietet – vom etwas höheren Motortunnel abgesehen – das Raumangebot des R, einen ähnlichen Federungskomfort und könnte für viele bisherige R-Käufer oder R-Fahrer eine Alternative sein – nicht nur des etwas günstigeren Kaufpreises wegen. Das Leergewicht ist ausstattungsbereinigt noch einmal gut 100 Kilogramm geringer als beim ohnehin schon leichten R, der Einstieg ins tiefer montierte Fahrerhaus klappt noch ein wenig bequemer und für Freunde eines etwas strafferen und äußerst exakten Fahr- und Lenkverhaltens ist der G ohnehin die erst Wahl.

Schwachstellen

Die Schwachpunkte des G sind Scania-typischer Natur. Dazu zählt an erster Stelle die schwache Motorbremse. Ein Retarder (Listenpreis 3.817,50 Euro) ist also in vielen Fällen Pflicht. Und wenn er so perfekt ins Antriebsmanagement integriert ist wie bei Scania, dann gerät die Pflicht zum Vergnügen. Typisch sind auch die etwas geringe Spreizung (11,32) und die lang übersetzten Rückwärtsgänge des Zwölfganggetriebes. Kommt eine Antriebsachse im Format 2,59 hinzu, dann geht langsames Rangieren oder Anfahren in Steilstücken an die Lebensdauer der Kupplung. Wohl dem, der sich – wie die meisten Scania-Käufer – für das neue Opticruise-Getriebe (knapp 1.300 Euro) entscheidet, dass mit einer elektro­hydraulischen Kupplungsbetätigung den Verschleiß in Grenzen hält. Das neue Opticruise rangiert seidenweich, schaltet zudem schneller und gekonnter als die alte, nach wie vor lieferbare Version mit Kupplungspedal zum Anfahren und Anhalten. Die Wartungsintervalle der Scania-Fernverkehrs-Fahrzeuge dürften auch etwas länger sein als jene derzeit gültigen 90.000 Kilometer. Spezielles Manko des G-Fahrerhauses: Es geht etwas lauter als im äußerst leisen R-Fahrerhaus zu. Aber auch ein Scania G zählt immer noch zu den leisen Lastwagen.

Im Innenraum sind die Unterschiede marginal. Beide bieten einen übersichtlichen Arbeitsplatz, eine durchdachte Bedienung, ein ähnliches Raumangebot und eine hohe Verarbeitungsqualität sowie sympathische Materialien. Auf der Beifahrerseite montiert Scania serienmäßig einen ungefederten Klappsitz, der bei hochgeklappter Lehne den Bewegungs­freiraum vergrößert. Als bequemer Feierabendsitz taugt dieses Möbelstück allerdings nicht. Wie so etwas aussieht, können sich die Scania-Mannen bei den Kollegen von Volvo angucken.

Der Scania G 420 vereint also ganz viele Stärken bei nur ganz wenigen Schwächen. Insofern ist er ein typischer ­Vertreter des schwedischen Herstellers – mit Blick auf ­Nutzlast, Verbrauch, Fahrverhalten und den Kaufpreis ist er sogar eines der interessantesten Objekte, die der Scania-Baukasten bietet. 

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