Vorstellung Solaris Urbino Neuer Stadtbus mit etwas mehr Persönlichkeit

Solaris Urbino Foto: Thorsten Wagner 11 Bilder

Der neue Solaris hat wieder das Zeug, der etablierten Stadtbuskonkurrenz das Fürchten zu lehren.

Wenn in der heutigen Arbeitswelt – vor allem in den effizienzgetriebenen Konzernen – von der "Generation Y" die Rede ist, schwingt dabei eine seltsame Mischung von Bewunderung und Misstrauen mit. Dann ist die Rede von dynamischen "Digital Natives", die sich den Job gerne nach Freizeit- und Familienwert aussuchen, statt auf den Burn-out zu warten – eben so gar nicht der unterwürfige Mitarbeiter, den altgediente Personaler und Firmenchefs am liebsten haben. Seit im Jahr 1996 das junge Unternehmen Solaris im polnischen Bolechowo mit seinem vom Neoplan-Geist durchtränkten Spitzen-Duo Krzysztof und Solange Olszewski an den Start gegangen ist, beschleicht einige Bushersteller in Europa wohl ein ähnliches Gefühl der Befremdung.

Mit voller Konzentration auf den Stadtbus und auf alternative Antriebe zeigte das von familiären Strukturen geprägte Unternehmen Solaris den Platzhirschen schnell, dass die Karten bei den ÖPNV-Unternehmen neu gemischt werden. Mehr als 10.000 Exemplare des Stadtbusses Urbino laufen heute in 28 Ländern.

Klare Kante statt weichen Rundungen

Dass die aktuelle Version des Stadtbusses in die Jahre gekommen ist und derzeit vor allem über Rabatte verkauft werden muss, soll sich mit der neuen, vierten Generation des Urbino gründlich ändern. Diese Neuerungen werden bei kaum einem Thema so sichtbar wie beim Design. Die weiche Rundung ist passé, es lebe die klare Kante! Dabei sind es nicht – wie so häufig in der Autowelt – besonders innovative Scheinwerfer, mit denen der Urbino punktet, im Gegenteil, die kommen eher konventionell daher.

Immer noch klar an der markentypischen, asymmetrischen Frontgestaltung erkennbar, besticht der neue Urbino vor allem durch die Seitengestaltung, die sich wohltuend abhebt.
Neben den fast schon gewagt dreidimensional modellierten Radausschnitten ist es vor allem die Dachrandgestaltung, die mit ihrer kantigen, bewusst hervorstechenden Klarheit den Bus einzigartig erscheinen lässt.

Tiefe Eingriffe für neues Design nötig

Gerade der Vorderwagen wirkt auf der Türseite mit dem aufwärts strebenden Designelement, als wolle der Bus seine verbreiterten Pforten weit öffnen für die Fahrgäste. Der Clou dabei: Alle Modelle werden das einheitliche Design besitzen, seien es die Low-Entry-Busse, solche mit Hybrid- oder CNG-Aufbauten oder der fast vergessene Trolleybus. Das senkt einerseits die Kosten, andererseits ist so wiederum eine optimale Markenerkennbarkeit gewährleistet. Derlei Genialität bedarf aber immer auch konstruktiver Mühen der Ebene. Um diese Flexibilität des Dachaufbaus zustande zu bringen, mussten die Techniker in den gesamten Gerippeaufbau und ins Packageing eingreifen.

Beides wurde ohnehin einer Komplettkur unterworfen, die wie so häufig in diesem Segment den Themen Sicherheit, Gewichtsreduktion und Kosten geschuldet ist. Insgesamt wurde der Solobus um rund 700 Kilo Gewicht erleichtert, der Gelenkbus soll sogar um rund 850 Kilo abgespeckt haben. Erreicht wurde dies, obwohl das Gerippe zur Erfüllung der bereits konstruktiv berücksichtigten Umsturzrichtlinie ECE R66.02, sogar noch steifer werden musste. Für die volle Zertifizierung lässt Solaris den Kunden derzeit aber extra zahlen.

Solaris vertraut weiter auf Edelstahl

Hierzu wurden die Anbindungen der horizontalen an die vertikalen Strukturen verstärkt und auch der jetzt mit einer Art Stahlwanne umfasste Wagenboden erhöht die Steifigkeit des Ganzen. Wie bisher kommt rostfreier Edelstahl für das Gerippe zur Anwendung, das spart eine aufwendige und teure KTL-Anlage.

Nicht nur das optimale Gesamtgewicht, auch dessen Verteilung auf die Achsen ist seit jeher im Busbau eine hohe Kunst. Solaris hat aus dieser Not eine Tugend gemacht und die bisher in den Podesten untergebrachten Dieseltanks kurzerhand auf die Vorder- beziehungsweise die Mittelachse gepackt. So verschwinden mehrere 100 Kilo Gewicht von der Hinterachse, entstehen mehr podestfreie Sitze (siehe Datenkasten) und im Gelenkzug wird die immer etwas prekäre Mittelachse gezielt belastet.

Neue Achse, ESP und adaptive Dämpfer

Die massive Mehrbelastung der Vorderachse muss aber zumindest beim Solowagen wieder kompensiert werden. Das erreicht Solaris, indem die Marke als erster Hersteller die überarbeitete, einzelradaufgehängte ZF RL 82 EC verwendet. Sie verträgt 8,2 statt 7,5 Tonnen Achslast. Vom ersten Fahreindruck gibt sich das Bauteil sehr komfortabel und weitgehend klapperfrei. ESP gibt es als Sicherheitsfeature obendrein gegen Aufpreis, ebenso wie adaptive Dämpfer in einer mechanischen oder elektromagnetischen Ausführung. Beide Versionen verrichten dabei gute Arbeit, Bodenwellen und das daraus resultierende Nicken des Vorderwagens wegzubügeln.

Bei den Motoren hat sich nichts Wesentliches getan. Seit dem Lieferstopp von MAN an direkte Wettbewerber verbaut Solaris ausschließlich DAF- und Cummins-Aggregate, Letztere auch in CNG-Version. Die Leistung der DAF-Maschine mit 10,8 Liter Hubraum und rund einer Tonne Trockengewicht variiert zwischen 210 und 271 kW, die Drehmomente liegen bei 1.200 bis 1.600 Nm. Der halb so schwere Cummins-Sechszylinder mit 6,7 Liter Hubraum leistet 187 und 209 kW und 1.000 beziehungsweise 1.100 Nm. Beide Maschinen bieten alles auf an Abgasreinigung, was gut und teuer ist. Ebenso verfügen beide über einen Turbolader mit variabler Turbinengeometrie. Bei einer ersten Ausfahrt mit Prototypen wirkte der Cummins etwas harmonischer und leiser. Getriebeseitig sind Voith- und ZF-Boxen lieferbar, wobei Solaris traditionell enger mit Voith zusammenarbeitet.

Anleihen aus der Straßenbahn

Besonderes Augenmerk hat Solaris auf den Innenraum gelegt. Die gezeigten Fahrzeuge wirken nicht nur aufgrund der vergrößerten Fenster und der verglasten Notausstiege besonders hell und licht. Das mag auch an den fehlenden Podesten im Vorderwagen liegen. Erstmals kommen an den Fensterholmen wählbare Verkleidungselemente aus HPL (High Pressure Laminate) in diversen Designs zur Verwendung, die dem ansonsten eher nüchternen Stadtbusinterieur einen Hauch von Eleganz verleihen. Eine Anleihe aus den Straßenbahnen des Modells Tramino sind die Deckenbauteile inklusive der länglichen roten Leuchten bei geöffneter Tür – eine tolle Idee!

Gute Ideen und hochwertige Materialien finden sich auch im Cockpit und dem Fahrerplatz, der dem aktuellen Trend entsprechend um 50  Millimeter angehoben wurde. Die Tür zur Kabine mit Oberseite aus haptisch angenehmen Soft-Touch-Material bietet viel Platz für Taschen und Sonstiges. Auch auf der anderen Seite des Cockpits ist alles sehr aufgeräumt und fühlt sich gut an. Ein Arbeitsplatz zum Wohlfühlen!

Der Blick nach oben gibt die Sicht auf gut erreichbare Elektronikbauteile frei, wie das Pro-Viu ASL360-System von Conti, auf dem der Fahrer per Außenkameras eine Vogelperspektive des Busses gezeigt bekommt. Fast genauso futuristisch wie dieses System wirkt der Touch 3 genannte Armaturenträger mit drei Touchscreens. Alle Funktionen lassen sich gut bedienen, allein die Spiegelungen auf den Oberflächen sind sehr störend. Besser geeignet scheint die mittlere Lösung des VDV- Arbeitsplatzes mit frei konfigurierbaren Instrumenten. Die sind schick und kein anderer Hersteller bietet sie bisher an. Die Vertreter der Generation Y sind eben immer ein bisschen weiter in Sachen Digitalisierung – nicht nur im Büro, auch am Steuer des neuen Urbino.

Neue Dachkonstruktion und "Skin-on-Skin"-Montage

Eine konstruktive Herausforderung war für die Ingenieure die einheitliche Gestaltung des Dachs samt Aufbauten bei allen verfügbaren alternativen Antriebssystemen. Um das zu erreichen, wurde die Dachkante selbst um 50 Millimeter abgesenkt, ohne jedoch an Innenstehhöhe zu verlieren (siehe Grafik). Die Verkleidungen der Aufbauten sind demnach bei allen Versionen gleich – was wichtig ist, da bis Ende 2015 alle Varianten inklusive CNG-, Hybrid- und Trolleybusse auf das neue Design umgestellt werden sollen. Nebeneffekt des abgesenkten Daches: In den Dachvouten ist nun nicht  mehr ausreichend Platz für die Luftkessel, diese müssen nach vorne  zwischen Fahrerplatz und Tür 1 wandern, wo sie den Fahrer mit diversen Zischgeräuschen beglücken.

Eine weitere wesentliche Neuerung steht im Zeichen von Kostensenkung und Wartungsfreundlichkeit: die neue "Skin-on-Skin"-Außenbeplankung, die nunmehr segmentiert und geschraubt und nicht wie bisher an einem Stück geschweißt ist. Durch diese Methode können die Spaltmaße etwas vernachlässigt werden und die Reparatur im Falle eines Schadens gestaltet sich wesentlich einfacher als bisher, weil nicht mehr geschweißt werden muss. Die segmentierten Bauteile für die Seitenwände werden einfach unter die Seitenscheiben geschoben, einzeln verschraubt und schließlich am unteren Ende mit einer Halteleiste abgedeckt, die zudem einen gewissen Anfahrschutz bietet. Ebenfalls der Wartungsfreundlichkeit kommen die neuen, rund 170 Grad weit nach oben öffnenden Revisionsklappen zugute, die sich bisher nur um 140 Grad nach oben schwenken ließen und so der eine oder andere ungewollte Kopfkontakt unvermeidbar war.

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