Laut der Novelle der Straßenverkehrsordnung dürfen Lastwagenfahrer innerorts nur noch in Schrittgeschwindigkeit rechts abbiegen.
Der Bundesrat hat im Februar der Novelle der Straßenverkehrsordnung zugestimmt, die das angespannte Verhältnis zwischen Lkw- und Radfahrern im Stadtgebiet weiter belastet. Konkret beinhaltet die Gesetzesänderung, dass Lkw über 3,5 Tonnen innerorts beim Rechtsabbiegen mit Schrittgeschwindigkeit fahren müssen. "Hierunter wird ein Geschwindigkeitsbereich zwischen 7 und 11 km/h verstanden", erklärt Fachanwalt Matthias Pfitzenmaier. "Diese Geschwindigkeit muss von den Lkw-Fahrern eingehalten werden."
Auslesen des Tachos kommt infrage
Da ein Verstoß gegen die Schrittgeschwindigkeit beim Rechtsabbiegen mit einem Bußgeld von 70 Euro und einem Punkt in Flensburg belegt werden soll, ist grundsätzlich auch denkbar, dass die Polizei kontrolliert. "Allerdings dürfte dies ein Bußgeldtatbestand sein, der nicht einfach nachzuweisen ist, da konkrete Angaben zu gefahrenen Geschwindigkeiten beim Abbiegen nur schwer ermittelbar sein dürften – außer, es wird dann im Folgenden der digitale Tacho des Lkw ausgelesen. Fraglich wird auch sein, welchen räumlichen und zeitlichen Bereich der Begriff des Abbiegens umfasst."
Ob die bereits massiv überlastete Polizei, die an innerstädtischen Kreuzungen eigentlich schon genug damit zu tun hat, Radfahrer, die bei Rot über die Ampel fahren oder bewusst in Gegenrichtung unterwegs sind, in die Schranken zu weisen, nun auch noch die Lkw-Fahrer ins Visier nehmen wird, bleibt abzuwarten. Aber, so erklärt Pfitzenmaier weiter: "Das Auslesen des digitalen Tachos kommt außer in den oben genannten Fällen der Ordnungswidrigkeiten auch bei einem Unfall infrage, wenn der Unfallhergang ermittelt werden muss. Hier wird sich gegebenenfalls auch wieder die Frage stellen, ob ein Fahrer dem Auslesen des digitalen Tachos zustimmen muss, wenn er sich dadurch selbst belastet. Analog zur bisherigen Rechtsprechung dürfte das Auslesen jedoch als rechtmäßig erachtet werden."
Fakt ist aber: Ergibt das Auslesen des digitalen Tachos bei einem Abbiegeunfall eine Geschwindigkeit des Lkw, die höher liegt als Schrittgeschwindigkeit, dann liegt ein Verstoß gegen die StVO vor. "Mit der Folge, dass dann von einem (Mit-)Verschulden des Lkw-Fahrers am Zustandekommen des Unfalls auszugehen ist." Erste Erfahrungen einer Bamberger Fahrlehrerin lassen befürchten, dass sich bei diesem Abbiegen in Zeitlupe eine neue Gefahrensituation für die Radfahrer ergibt. "Ich stimme der Fahrlehrerin insoweit zu, als es vielleicht sinnvoller gewesen wäre, ein Verbot für Zweiradfahrer auszusprechen, nämlich, dass sich diese nicht mehr rechts neben einem Lkw einordnen dürfen, sondern hinter diesem warten müssen", sagt Pfitzenmaier. "Dies ist aus meiner Sicht der einzig sinnvolle und wahrscheinlich auch tatsächlich funktionierende Weg, um tödliche Abbiegeunfälle zu vermeiden."