Porträt: Wolfgang Papke Designer Papke hat Omnibusse geprägt

Wolfgang Papke, Design-Team Foto: Daimler, Archiv 14 Bilder

15 Jahre Evobus, 30 Jahre Setra – Designer Wolfgang Papke hat zwei Marken und mehrere Generationen von Omnibussen geprägt.

Die Stimme klingt leise, erstickt aber jeglichen Widerspruch: Nein, über die nächste Omnibus-Generation von Mercedes und Setra möge man nicht sprechen. „Wir stehen an einem Scheidepunkt. Die neuen Reihen sind angestoßen, Lastenhefte und Design verabschiedet, die Hauptprojekte gemacht.“ Wolfgang Papke zieht klare Grenzen, weiß genau, was er will – und was nicht. Geheimnisverrat nach 30 Jahren Setra und 15 Jahren Evobus? Flugs ein paar Andeutungen einstreuen? Doch nicht gegenüber dem Unternehmen, bei dem er sein ganzes Berufsleben gearbeitet hat. Dessen Produkte er in Form gebracht hat. Zwar gibt Papke offen zu, dass zu Designern eine gewisse Eitelkeit gehört. Doch der langjährige Chefdesigner von Evobus und Setra würde sein Ego niemals über die Firma stellen. Auch wenn sich der ­­60-Jährige einen eigenen Kopf bewahrt hat.  Darin verbirgt sich neben seismografischer Empfindsamkeit und hoher Emotionalität ein phänomenales Gedächtnis. Papke zeigt eine Narbe am rechten Unterarm, verursacht durch einen Sturz beim Schleifen des Citaro-Modells. Er nennt das exakte Datum, obwohl fast 15 Jahre her. Auch die Narbe am linken Arm ist die Folge eines weiteren Sturzes in die Grube beim Maßnehmen im Versuch. Wolfgang Papke vergisst nichts. Nicht das fünfstündige Bewerbungsgespräch bei Setra vor 30 Jahren. Auch nicht, wie es dazu kam. Eigentlich hat der gelernte Maschinenschlosser und frisch diplomierte Industriedesigner ein Reisemobil mit einem abkoppelbaren, separat motorisierten Heck entworfen. Die einschlägigen Hersteller finden es faszinierend, doch keiner will oder kann es bauen. Mercedes zeigt nach einem sehr erfolgreichen Praktikum an Papke Interesse, doch prompt fehlt die Planstelle. Beinahe landet Papke bei MAN, doch jemand schnappt ihm den sicher geglaubten Job vor der Nase weg, erinnert er sich. Dann ein Skiausflug nach Hintertux: „Vor mir die Gletscherspalte, hinter mir der Pistenbully mit einem Berg Schnee davor.“ Die Begegnung endet glimpflich, Papke entdeckt das Markenzeichen an der Maschine, das K im Kreis, und besucht die Firma Kässbohrer auf der IAA. So zufällig kommt einer zu einem Job, prägt dann 30 Jahre ganz entscheidend die Produkte der Marke und die Hälfte der Zeit die Omnibusse von Mercedes dazu. Es dauert seine Zeit, bis der gebürtige Hamburger – die dezent-nasale Klangfarbe der Stimme ist unverkennbar – im Schwäbischen warm wird. Grünkohl etwa will er zur passenden Jahreszeit wie in seiner Heimat einkaufen, doch es bläst ihm hart entgegen: „Das fressen bei uns die Schweine.“ Auch die Firmenkultur verlangt Anpassung. Als Papke 1980 in Ulm beginnt, tragen die Entwickler noch weiße Kittel. Papke kennt bis heute präzise die Härtegrade der Bleistifte, die aus der Brusttasche ragen. Ein Designer aber braucht Zeichenstifte und er bekommt sie nach Diskussionen auch, obwohl das Stück 5,50 Mark kostet. 

„Heute 5,80 Euro“, merkt der Mann mit dem Auge fürs Detail an. Vor ihm haben Ingenieure die Setra-Busse entworfen, Papke ist der erste Designer in der Firma, vielleicht der erste hauptamtliche Omnibus-Designer überhaupt. Ab und zu schaut „Chef Otto“ vorbei. Dem legendären Setra-Patriarchen Otto Kässbohrer gefällt der junge Mann mit den neuen Ideen. Dessen Credo: „Wir müssen die Autos attraktiver machen.“ Erste Aufgabe ist ein Steuerungselement für die Klimaregelung – Setra-Routiniers erinnern sich an die Leuchtenkette des Bedienteils der damaligen Baureihe 200. Es folgen genau 28 Fahrzeuge, die Papke entworfen hat. Die Zahl schießt aus ihm heraus. Vor ihm liegt eine lange Liste mit Notizen zu Dingen, die ihm wichtig sind – handschriftlich ausgeführt, versteht sich. Der mittelgroße Mann mit dem Schnäuzer trägt eine dunkle Jeans, einen schwarzen Pullover, einen schwarzen Schal, eine schwarze Lederweste. Die Brille ist randlos, der Bügel schmal, fast unsichtbar, elegant gebogen. Designer sind auch Künstler. Am linken Handgelenk schimmert eine feine Schweizer Uhr. Teuer. „Aber mit dem Vorteil einer Wertsteigerung“, sagt Papke. Nach 30 Jahren in Ulm entwickelt ein Hamburger dezent schwäbische Züge. Auch beim Sturz in die Grube am Citaro trug er eine gute Uhr: „Eine Jaeger-LeCoultre, das Armband zerriss“ – was für ein Gedächtnis. Seine Omnibusse zählt Papke auf, wie ein anderer mühelos die Namen von Kindern und Enkeln aneinanderreiht. Er beginnt mit dem Facelift der Setra-Baureihe 200, berichtet von den internen Kämpfen damals, den Markenschriftzug „Setra“ mittig zu positionieren, das K im Kreis dagegen seitlich – ein Kulturkampf innerhalb der konservativ-gediegenen Marke. Bis heute verfolgen ihn klotzige Kassen in Linienbussen. „Wir machen ein wunderschönes Cockpit und dann kommt diese eckige Kasse drauf“, schüttelt er den Kopf. Papke durchstreift in Gedanken das Ausland, nennt Indien mit dem neuen Sutlej, Marcopolo in Brasilien, Mexiko. Vergisst den Tourino nicht, gebaut in Portugal – und nicht sein Team, seit dem Jahr 2000 sechs Mitarbeiter, weltweit zuständig für Daimler Buses. Der Cito ist hier entstanden, die aktuellen Sprinter-Minibusse in Dortmund, einst der Medio, gebaut in Italien und der Yaxing-Benz in China. „Wir haben denen geholfen.“ Dass die Chinesen dann prompt zuerst Yaxing und später erst Benz gebaut haben – Künstlerpech. 

Dann  Setra, immer wieder Setra: 1984 der kantige HDH. „Damit begann eine neue Setra-Generation.“ Der Niederflurbus S 300 NC tritt auf. „Total anders als damalige Standardbusse.“ Und: „Der hatte schon Anklänge an die spätere A-0-Säule des Citaro.“ Die Baureihe 300 von 1991 mit der markanten seitlichen Schwinge, mit revolutionären Außenspiegeln, dem Cockpit. Und der Mercedes Citaro: „Das war allein meine Arbeit.“ Der ehemalige Setra-Mann formt einen Mercedes, das schmeckt seinerzeit nicht jedem. Den Ritterschlag erteilt der damalige Mercedes-Design-Papst
Bruno Sacco: „So machen wir es.“ Ob er gewusst hat, dass hinter dem Scheinwerferglas das Modul des Klappscheinwerfers vom Ferrari F 100 steckt? In nur sechs Wochen entsteht seinerzeit der erste Setra GT. Papke erinnert sich: „Der Auftrag war noch nicht weitergegeben, da war der Bus schon fertig.“ Den ersten Mercedes Integro nennt man „Claudia Schiffer“. Der Spitzname rührt von einer markanten Wölbung der Seitenpartie her. 1997 das Facelift des Tourismo. Keine leichte Aufgabe. „Die Front des SHD war Lkw-Design“, sagt Papke. NR, NCI, NCR – so lauten die internen Kürzel für alles, was danach kommt: die Reisebusse Mercedes Travego und Setra Top-Class, Setra Multi-Class, Setra Comfort-Class und Mercedes Tourismo. Wie hält man als Designer zwei Marken auseinander? Papke: „Es gibt kein Unternehmen der Welt, bei dem zwei Marken von einem Designer gestaltet werden.“ Er und seine Mitarbeiter schaffen es. Kennen kein bestes und zweitbestes Design, konzentrieren sich auf die Marken-identität. Legen Wert auf Evolution über Generationen und Familienähnlichkeit über Baureihen. „Mercedes ist maskulin, Setra feminin“, erklärt Papke. Der Designer geht mit offenen Augen durch die Welt, achtet auf Strömungen in Architektur und Mode, beobachtet Freizeitaktivitäten. „Neben Vorschriften zu Maßen und Gewichten zwingen uns Gegebenheiten des Unternehmens, bestimmte Dinge zu machen“, erklärt er. Das trifft auf Baukastensysteme zu, markiert Kämpfe um Details. Konflikte sind programmiert. „Wichtig ist vor allem proportionale Wirkung.“ Das erklärt, weshalb etwa die Seitenscheiben des Citaro bis zum Dach hinaufgezogen sind. „Mit Dachaufbauten wäre er kopflastig geworden.“ Revolutionen sind nicht Papkes Sache. „Man braucht nicht den Reißer, aber man muss den Bus als neu erkennen.“ Das passt perfekt zu seinen Marken. Pkw des Konzerns helfen wenig. Die seien zu schnelllebig. Und: „Der Bus ist eine eigene Welt, man muss sich an die harten Fakten der Blechpatcher halten.“ 

Aber: „Gutes Design ist kein Kostenfaktor. Man muss Optik, Haptik, Ergonomie beherrschen.“ Papke fällt das Zigarrenetui seines Großvaters ein, ein Kultgegenstand. „Man muss es bedienen wollen.“ So hat er gelernt, was gut ist. Sein Lieblingskind? „Die Top-Class 400“, kommt spontan die Antwort. „Da haben wir viel erreicht und uns durchsetzen können.“ Die elegante Aluminiumleiste La Linea: „Das war ich.“ Papke hat auch den Wettbewerb im Auge, auf einen Neoplan Cityliner schaut er anerkennend. In den Anfangsjahren bei Setra hätte er das nicht erwähnen dürfen, die Marken waren sich spinnefeind: „Der Name Neoplan durfte nicht fallen.“ Auf den neuen brasilianischen Marcopolo Serie 7 blickt er anerkennend, auf die Chinesen kopfschüttelnd: „Die haben uns fünfmal La Linea kopiert.“ So einer müsste als Dienstwagen einen richtig schicken Mercedes CLS fahren und ist doch in einem eher schlichten
C 180 T unterwegs. Will Zeichen setzen in Zeiten, in denen man um Arbeitsplätze und Gehälter streitet. Träumen könnte der Pfeifenraucher vom Jaguar Cabrio, doch dafür ist er zu hanseatisch-schwäbisch vernünftig. Die Ziele im Ruhestand sind überschaubar. Der Radfahrer will den Frühjahrsurlaub im Piemont ausdehnen. Im Winter zieht es ihn an die Nordsee. Das Saxofonspiel will Papke erlernen, Jazz ist seine Leidenschaft. Er wird es ruhig angehen lassen, der Verlust von Freunden hat den Hochsensiblen nachdenklich gemacht. Aber Papke blickt zufrieden zurück: „Ich habe einem Unternehmen und einer Region helfen können.“ Und zitiert einen Vers zum Glücklichsein, die letzte Zeile lautet: „Wenn du deinen Beruf geliebt hast, bist du ein Leben lang glücklich.“ Keine Frage, wie sich Designer Wolfgang Papke jetzt gegen Ende seines Berufslebens fühlt. Kurz nach dem Gespräch mit dem Designer steht an der nächsten Ampel ein merkwürdiger Bus: von der Seite klar ein Mercedes Citaro, vorne mit einer wirr bedruckten Folie getarnt. Der Vorbote der nächsten Linienbus-Generation blickt aus Klarglas-Scheinwerfern, trägt eine A-0-Säule, wirkt bei aller Tarnung weicher als gewohnt. Die künftige Omnibus-Generation, gestaltet von Wolfgang Papke und seinem Team, sie ist nicht fern. Reden wir nicht drüber.

Wolfgang Papke  ... hat als Designer erst Setra und dann Evobus geformt. 1950 in Hamburg geboren, hat er nach einer Ausbildung zum Maschinenschlosser in Hannover Industriedesign studiert. Seine berufliche Laufbahn als Omnibus-Designer begann mit dem Eintritt bei ­Kässbohrer am 1. Oktober 1980. Ab 1997 leitete Wolfgang Papke die Abteilung Design von Evobus und zeichnete seitdem für Exterieur und Interieur aller Omnibusse der Marken Mercedes-Benz und Setra verantwortlich, später sogar weltweit im Rahmen von Daimler Buses. 2010: Wechsel in den ­Ruhestand.

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