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Politik Keine Angst vorm Mindestlohn

Foto: Thomas Küppers

Logistikunternehmer müssen ihre Sorgfaltspflicht ab Januar besonders ernst nehmen. Sie sollten ihre Transportpartner eingehend überprüfen. Sonst droht mit Blick auf den Mindestlohn ein böses Erwachen. Das wurde beim Dialogforum des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) in Köln deutlich.

Logistikunternehmen haben keine Angst vorm Mindestlohn. Wohl aber davor, dass ihre Dienstleister keinen bezahlen und sie das hinterher ausbaden dürfen. Ganz unbegründet ist diese Angst nicht, wie sich beim Dialogforum des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) vorige Woche in Köln zeigte. "Legen Sie Geld zurück, bilden Sie Rücklagen", sagte BWVL-Geschäftsführer Detlef Neufang an die Adresse der teilnehmenden Unternehmer.

Der Workshop zum Mindestlohn fand parallel zu einem Workshop zum Gütertransport der Zukunft statt und war deutlich besser besucht. Das hohe Interesse kommt nicht von ungefähr: Wer sich nicht mit den neuen Regeln vertraut macht und seine Geschäftspartner nicht sorgfältig auswählt und überprüft, kann hinterher eine böse Überraschung erleben. Bußgelder von bis zu 500.000 Euro stehen im Raum. Wer also nicht Gefahr laufen will, sein Einfamilienhaus verkaufen zu müssen, sollte entsprechend wachsam sein, wie Rechtsanwalt Neufang scherzhaft sagte.

Generalunternehmerhaftung

Heikel ist vor allem die Generalunternehmerhaftung. Der Spediteur oder Auftraggeber muss dafür gerade stehen, dass seine Dienstleister ihren Mitarbeitern in Deutschland die vorgeschriebenen 8,50 Euro pro Stunde zahlen. Er kann sich bei allem Vertrauen aber nicht blind darauf verlassen. Deshalb empfiehlt der BWVL, der Werkverkehre, Verlader und Spditeure vertritt, seinen Mitgliedern dringend, mit den Geschäftspartnern entsprechende Vereinbarungen zu treffen.

Sinngemäß kann es in den Verträgen zum Beispiel heißen, dass sich der Auftragnehmer verpflichtet, sich an Recht und Gesetz zu halten und dass er dafür Sorge trägt, dass auch seine Nachunternehmer – wie er selbst – den gesetzlichen Mindestlohn bezahlen. Sinnvoll ist nach BWVL-Auffassung auch eine Formulierung, wonach sich der Auftragnehmer bereit erklärt, die Zahlung des Mindestlohns auch zu kontrollieren. Im Idealfall ist in solchen Vereinbarungen auch geregelt, dass der Auftragnehmer Schaden von seinem Verlader fernhält beziehungsweise diesen begleicht. Das kann dann der Fall sein, wenn die Behörden den Verlader für mögliche Verfehlungen seiner Unternehmer in die Pflicht nehmen wollen.

Stichproben sind wichtig

Doch auch solche Vereinbarungen schützen vor Strafe nicht, wie Neufang erläuterte. Bessere Karten hat der Auftraggeber im Fall von Mindestlohn-Verstößen durch seine Subunternehmer, wenn er diese vorher sorgfältig ausgewählt und überprüft hat und das auch dokumentieren kann. "Machen Sie Stichproben bei Ihren Unternehmen", empfahl Neufang.

Beim Getränkehersteller Eckes-Granini aus Nieder-Olm, der über Spediteure verlädt, aber auch eine eigene Flotte vorhält, ist das bereits gelebte Praxis, wie der Logistikverantwortliche Helmut Kinzler erklärte. Er will für seine Transportunternehmen in Zusammenarbeit mit der Logistik Akademie Janz eine Art Fuhrpark-Check einführen. In diesem Zusammenhang soll die Einhaltung aller relevanten Regeln und Gesetze abgefragt und protokolliert werden.

Schon der angebotene Preis kann ein Anzeichen sein

Zusätzlich setzt aber auch Eckes-Granini auf schriftliche Vereinbarungen mit den Geschäftspartnern, eine vorherige sorgfältige Auswahl und bei Ausschreibungen natürlich auf Plausibilitätsprüfungen. "Wir überprüfen, ob der Preis seriös ist", sagte Kinzler. Allein aus der Offerte lasse sich oftmals schon ablesen, ob die Kalkulation überhaupt Raum für eine Bezahlung nach Mindestlohn lässt. Erfahrungsgemäß sei es besser, feste Partner zu bevorzugen und Schnäppchen zu vermeiden. Dennoch ist auch der Getränkespezialist, der voriges Jahr 343 Millionen Liter Säfte produzierte und 745.000 Paletten verschickte, vor Gefahren nicht gefeit. Auch er muss mitunter Spitzen abdecken und Unternehmen über Timocom chartern – die dann aufgrund der Kurzfristigkeit keinen Fuhrpark-Check durchlaufen können.

In eine ähnliche Richtung gehen die Überlegungen von Spediteur Klaus Peter Röskes aus Heiligenhaus, zugleich Vizepräsident des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Er denkt darüber nach, mit Zertifizierungen zu arbeiten. Wer die relevanten Kriterien erfüllt und entsprechend ausgezeichnet ist, qualifiziert sich als Dienstleister – oder eben nicht. "Damit müssen wir diese Punkte nicht jedes Mal aufs Neue abfragen", sagte er. BWVL-Mann Neufang mahnt aber zu Vorsicht: Auch ein zertifizierter Unternehmer müsse mitunter einen kranken Fahrer ersetzen und auf Subunternehmer zurückgreifen. Dann laufe die Zertifizierung ins Leere.

Überprüfung schwierig

Schützen können sich Unternehmen, wenn sie ihre "frei Haus"-Sendungen auf die Frankatur "ab Werk" umstellen. Diese Möglichkeit brachte Ralf Nieß ins Spiel, Logistikleiter der Chemikalienvertriebsfirma Häffner aus Asperg, die ebenfalls eine eigene Flotte betreibt. BWVL-Anwalt Neufang gab ihm recht. Für zielführend hält er eine solche Umstellung trotzdem nicht. Man wolle ja nicht nur Güter bereitstellen, sondern durch den Transport auch eine Serviceleistung erbringen.

Abseits von der Haftung aber lautet die Preisfrage, wie sich die Einhaltung des Mindestlohns überhaupt kontrollieren lässt. Überhaupt nicht, ist die Antwort des BGL – jedenfalls nicht bei ausländischen Unternehmen. So fallen ab Januar 2015 auch grenzüberschreitende Verkehre und Transitfahrten beziehungsweise der auf Deutschland entfallende Teil unter die neuen Spielregeln. Dr. Guido Belger aus dem Ressort Rechts- und Versicherungsfragen beim BGL verwies jedoch auf 8,7 Millionen Transitfahrten und auf 19 Millionen grenzüberschreitende Fahrten mit Abgangs- oder Zielland Deutschland im Jahr 2011 und fragte: "Wie sollen mehr als 100.000 Fahrten pro Behördenarbeitstag kontrolliert werden?"

Und selbst wenn die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die die Einhaltung des Mindestlohns überprüfen soll, sich die Mühe macht und ausländische Fahrer überprüft, wird sie nicht zwangsläufig fündig. Denn: "Die Lohnunterlagen sind im Zweifelsfall nicht an Bord. Das Mindestlohngesetz erlaubt es, die entsprechenden Aufzeichnungen mit bis zu sieben Tagen Verzögerung einzureichen", erklärte BGL-Mann Belger. Da die Kontrolle also ins Leere laufe, sei das Gesetz nichts weiter als ein Papiertiger. "Das Gesetz war gut gedacht, ist aber schlecht gemacht."

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