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Lkw-Maut Den Überblick behalten

Maut Foto: Thomas Küppers

In neun Monaten gleich drei Gesetzesänderungen – das ist bislang einmalig in der Maut-Historie. Kein Wunder, dass die Verunsicherung im Transport- und Logistikgewerbe groß ist und die Fachverbände darauf kritisch reagieren.

Nach einer langen Hängepartie geht es nun Schlag auf Schlag. Erst zog sich die Diskussion um das im März verspätet vorgelegte neue Wegekostengutachten hin. Dann folgte der Entwurf für ein Zweites Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes, das nach vielen Debatten, Beratungen und Anhörungen am 16. Oktober verabschiedet wurde und nun für die Lkw-Maut ab 1. Januar 2015 gilt. Gleich darauf, am 22. Oktober, legte das Verkehrsministerium bereits das Dritte Gesetz zur Änderung des Mautgesetzes vor, das schon am 5. November vom Bundeskabinett abgesegnet wurde. Es dient der "notwendigen Verbreiterung und Vertiefung des Mautsystems", erklärte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU).

Bei einer solchen Änderungsflut kann man schon mal die Übersicht verlieren. Deshalb hier zusammengefasst, was sich im Mautsystem und bei den Mautsätzen im nächsten Jahr zu welchen Terminen alles ändern wird.

Mautsätze werden an Wegekostengutachten angepasst

Vom 1. Januar 2015 an werden die Mautsätze – einheitlich für Autobahnen und vierspurige Bundesstraßen – an das neue Wegekostengutachten angepasst. Wegen des deutlich gesunkenen Zinsniveaus fallen die Mautsätze geringer aus als die heute geltenden. Für die besonders schadstoffarmen Euro-6-Lkw wird eine eigene günstigere Mautklasse geschaffen – die Kategorie A. Die weiteren Kategorien sind: B (EEV, Euro 5), C (Euro 4), D (Euro 3), E (Euro 2) und F (Euro 0 und 1). Unterteilt wird zunächst nach zwei Achsklassen: Lkw bis drei Achsen und solche ab vier Achsen. Erstmals werden in die Mautsätze Kosten der Luftverschmutzung eingerechnet.

Mautpflicht auf 1.100 Kilometer Bundesstraße ausgedehnt

Ab dem 1. Juli 2015 wird die Mautpflicht dann auf weitere etwa 1.100 Kilometer Bundesstraßen ausgedehnt. Sie dürfen aber keine Ortsdurchfahrten sein und müssen vier- oder mehrspurig ausgebaut, durch Mittelstreifen getrennt, an das Autobahnnetz angebunden oder mindestens vier Kilometer lang sein. Wie in Berlin verlautet, konnte das notwendige Ausschreibungsverfahren für die Digitalisierung dieser zusätzlichen Bundesstraßen bereits erfolgreich abgeschlossen werden. Alle On-Board-Units (OBU), auch die älteren, sind kapazitätsmäßig für die Aufnahme der zusätzlichen Bundesstraßen bereits ausgelegt.

Mautpflicht gilt ab 7,5 Tonnen

Zum 1. Oktober 2015 wird die Gewichtsgrenze, ab der Lkw mautpflichtig sind, von bisher 12 auf 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht gesenkt. Das gilt auch für Fahrzeugkombinationen, also auch für sogenannte 7,49-Tonner mit Anhänger, wie sie von vielen Handwerks- und Handelsunternehmen unterhalten werden. In solchen Fällen wird die Maut dann für ein mindestens dreiachsiges Fahrzeug erhoben, die satte drei Cent über der Maut für zweiachsige  Lkw ab 7,5 Tonnen liegt. Das ist eine starke Mautdifferenzierung gegenüber straßenschonenderen Dreiachsern.

Den Fahrzeugen, die im Anhängerbetrieb die 7,5-Tonnengrenze überschreiten, ist außerdem ein OBU-Einbau zu empfehlen, wollen sie nicht auf das risikoreiche manuelle Buchungsverfahren angewiesen bleiben. Eingeweihten Kreisen zufolge hat das Verkehrsministerium gegenüber dem Betreiber Toll Collect bereits eine Kostenübernahmeerklärung für den Ankauf weiterer 85.000 OBUs abgegeben. Wie bei den großen Lkw werden sie den Unternehmen kostenlos zur Verfügung gestellt, den Einbau aber müssen die Nutzer bezahlen.

Außerdem wird es vom 1. Oktober nächsten Jahres an vier Achslastklassen mit jeweils eigenen Mautsätzen geben, nämlich für zwei Achsen, drei, vier sowie für fünf und mehr Achsen. Für vierachsige Fahrzeuge wird also eine neue Achslastklasse ausgewiesen, denn bisher wurden die Vierachser mit fünfachsigen Fahrzeugen gleichgestellt.
Auffällig ist, dass der Mautsatz für vierachsige Fahrzeuge um 1,8 Cent pro Kilometer günstiger ausfällt, als für fünfachsige Brummis. Das könnte, warnen die Fachverbände, in der Praxis dazu führen, dass vermehrt Vierachser zum Einsatz kommen, etwa durch Nutzung zweiachsiger Auflieger anstelle dreiachsiger. »Eine Amortisierung von Investitionen in eine andere Fuhrparkstruktur wird sich daher in kürzester Frist rechnen«, so der Hinweis des Bundesverbands Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). Es würden mithin "völlig falsche Anreize gesetzt".

BGL kritisiert die Mauthöhe für 7,5- bis 12-Tonner

Weiter kritisiert der BGL die Mauthöhe für die 7,5- bis 12- Tonner. Nach dem Wegekostengutachten würden die Wegekosten für diese Nutzfahrzeuge zwischen 2013 und 2017 von 5,2 auf 7,4 Cent/km steigen. Das ergebe einen durchschnittlichen Mautsatz von 6,32 Cent/km. Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf sehe allerdings eine Bemautung von 8,1 Cent/km für zweiachsige beziehungsweise von 11,3 Cent/km für dreiachsige Fahrzeuge vor. "Daraus folgt, dass dieser Fahrzeugkategorie nahezu die vollen externen Luftverschmutzungskosten wie für ein schweres Nutzfahrzeug angelastet wurden." Das erscheine nicht angemessen, zumal das Wegekostengutachten externe Kosten nur für Lkw von zwölf Tonnen und mehr ausweise.

Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) bemängelt, dass der Gesetzentwurf keine Ausführungen zur Berechnung der Mautteilsätze im Zuge der Achsklassen-Erhöhung enthält. "Inwieweit die ab 1. Oktober nächsten Jahres geltenden Mautsätze die Erkenntnis berücksichtigen, dass mit steigender Achszahl die Achslastgewichte sinken, kann somit nicht beurteilt werden." Daneben kritisiert der DSLV die einseitige Erhöhung der Maut für Fahrzeuge mit fünf und mehr Achsen ab 1. Oktober gegenüber den Mautsätzen ab 1. Januar 2015. Es sei zu befürchten, dass der für die Zeit von 2015 bis 2017 berechnete Maut-Einnahmeüberschuss von 415 Millionen Euro vornehmlich durch diese Fahrzeuge eingefahren werde.

Maut-Regelung trifft mittelständische Transportunternehmen

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) beklagt, dass sowohl die Ausweitung der Maut auf weitere Bundesstraßen als auch die Einbeziehung von Lkw ab 7,5 Tonnen vor allem die deutschen Transportunternehmen, insbesondere den Mittelstand, treffen. Schon bisher würden 85 Prozent der Fahrleistungen auf den bemauteten Bundesstraßen auf deutsche Lkw entfallen. "Die Ausweitung der Lkw-Maut führt also zu einer echten Mehrbelastung der deutschen Transportbranche und der Wirtschaft insgesamt", heißt es in einer Stellungnahme.

Laut dem Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) wird sich die Mautausdehnung nicht nur negativ auf das Verbraucherpreisniveau auswirken, sondern auch die Tendenz zum Ausflaggen von Transportbetrieben und zu Lohn- und Preisdumping verstärken. "Kaum vermittelbar" ist für ihn die Einführung der Mautpflicht für Gespanne, die über der Gewichtsgrenze von 7,5 Tonnen liegen. "Zwei Transporter unter 7,5 Tonnen bleiben mautfrei, ein Gespann mit derselben Beförderungsleistung ist dagegen mautpflichtig."

Antwortfrist für Stellungnahme von nur drei Tagen

Generell sehen die Fachverbände auch beim Dritten Mautgesetz Diskussions- und Änderungsbedarf. Es sei mit der heißen Nadel gestrickt und führe zu kuriosen Ergebnissen und Ungereimtheiten. Zudem beklagen sie die sehr knapp bemessene Antwortfrist von nur drei Tagen, die ihnen das Verkehrsministerium für ihre Stellungnahme eingeräumt habe.
Die Unternehmen würden schließlich mit erheblichen Bürokratiekosten belastet. Denn wegen der vielen Gesetzesänderungen im Jahr 2015 müssten viele Transportverträge hinsichtlich Kostenkalkulation und Preisanpassungen neu verhandelt werden, womöglich gar mehrfach, was sich "unverhältnismäßig komplex und aufwendig" gestalte. Es liege nun am Parlament, notwendige Nachbesserungen am Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen und zu beschließen.

Download Hier finden Sie die neuen Regelungen nach Achsen und für 7,5- bis 12-Tonner (PDF, 2,90 MByte) Kostenlos
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