Picture of the Future Steuermann oder Kapitän?

blauer Lkw Foto: Andreas Techel
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War der einstige Kapitän der Landstraße immer auch gleichzeitig Steuermann an Bord seines Lastzugs, geht der Trend jetzt mehr zur Arbeitsteilung, und so wird das Lenken sukzessive dem Kollegen Roboter übergeben. Der Beruf des Kraftfahrers wird sich verändern.

Assistenzsysteme in Lkw werden immer cleverer. Zudem sind Notbrems- und Abbiegeassistenten echte Lebensretter. Das honoriert natürlich auch jeder Fahrer, ebenso wie viele auch den Komfort und die Spritersparnis von GPS-gesteuerten Schaltautomaten schätzen. Die Technik des autonomen Fahrens ist schon relativ weit. Noch fehlt es jedoch an Infrastruktur wie einem leistungsfähigen und absolut zuverlässigen Datenfunknetz sowie Gesetzestexten, die klare Verantwortlichkeiten definieren. Bis alle Hürden genommen sind, wird noch einige Zeit vergehen – und noch mehr, bis sich das autonome Fahren in jeden Winkel des Straßennetzes ausgebreitet hat. Unklar ist, was die Entwicklung für die Menschen am Steuer bedeutet.

Am Ende steht das fahrerlose Fahrzeug

Müssen Kraftfahrer mit der künstlichen Intelligenz (KI) künftig um den Arbeitsplatz im Lkw konkurrieren? Die Antwort könnte Ja lauten, schließlich steht am Ende aller Stufenmodelle der Automatisierung das fahrerlose Fahrzeug. In Wissenschaft und Forschung kursieren Szenarien zur Logistik 4.0, die den Wandel des klassischen Fahrers zum Transportmanager ausmalen. So kann der Fahrer vielleicht schon bald an entsprechend ausgerüsteten Ladestellen am Tor dem Lkw die Arbeit überlassen und sich auf der Autobahn in ein Platoon einklinken. Doch auf den meisten Strecken wird er klassisch am Lenkrad arbeiten. Eine Stufe weiter, im voll automatisierten Lkw, ist er mit seiner Erfahrung bei den Kunden immer noch an Bord, muss aber nur noch selten ans Lenkrad. Mal muss er der lernenden künstlichen Intelligenz elementares Fahrerwissen beibringen, mal kommuniziert er mit Zentrale und Kunden, mal plant er Touren, bucht Ladeslots oder Parkplätze.Im Tagesgeschäft der Transportunternehmen von heute dominiert jedoch noch eine andere Perspektive: Es herrscht massiver Fahrer­mangel. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) schlagen bereits Alarm. Der Fahrermangel gefährde die Wirtschaft und stelle die Versorgungssicherheit infrage. Den Arbeitsmarktzahlen zufolge fehlen dem Transportgewerbe derzeit mindestens 45.000 Berufskraftfahrer.

Automatisierung schafft neue Lösungsmöglichkeiten

Speditionen macht der Mangel schwer zu schaffen, denn am Ende fehlen die Transportaufträge. „Auch automatisierte Lkw brauchen einen Fahrer. Der Fahrer fährt nicht nur, er ist auch Begleiter der ihm anvertrauten Güter. Er ist verantwortlich für die Übergabe an den Empfänger, für Transport- und Ladungssicherung und greift bei unvorhersehbaren Ereignissen ein“, erläutert Adalbert Wandt, Präsident des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Kraftfahrer bleiben daher noch lange eine Schlüsselressource der ­Logistik. Andererseits gibt es immer weniger Auszubildende, die diesen Beruf lernen wollen. Einen handfesten Grund dafür hat die ZF-­Zukunftsstudie FERNFAHRER bereits 2014 ausgemacht: Es ist vor allem das schlechte Image des Berufs, das den Nachwuchs abhält. Auch Wolfgang Thoma, geschäftsführender Gesellschafter der Spedition ­Ansorge im bayerischen Biessenhofen, sieht hier Defizite: „Kraftfahrer erhalten für ihre Arbeit relativ wenig Geld. Sie sind häufig von der Fami­lie getrennt und haben wenig Gelegenheit, eine gute Work-Life-­Balance zu entwickeln.“

Doch genau hier könnte die Automatisierung Lösungsmöglichkeiten schaffen, etwa durch eine bessere Einteilung der Lenk- und Ruhezeiten, weil es einen elektronischen Co-Piloten gibt. Gleichzeitig kann es für versierte Transportprofis eine spannende Herausforderung sein, an vorderster Front Teil des Wandels zu sein und ihn auch anzunehmen: jetzt noch wertvolle Erfahrungen im klassischen Profil sammeln, sie in die kommenden Entwicklungen einbringen und so mit der Aufgabe wachsen. Am Karriereende stehen dann der Transport­manager einer kleinen, autonomen Flotte und ein erfüllender, anerkannter Beruf. Auch das ist ein realistisches Szenario, das dieser ­Umbruch hervorbringen wird.

Wolfgang Thoma Foto: Thomas Küppers
Wolfgang Thoma ist geschäftsführender Gesellschafter der Spedition Ansorge, Biessenhofen.

Drei Fragen an Wolfgang Thoma

Herr Thoma, ZF stellte kürzlich einen automatisierten Betriebshof vor, auf dem entsprechend ausgerüstete Lkw ohne Fahrer die richtige Laderampe anfahren können oder gar selbstständig umbrücken können. Welchen Impuls wird dieser Fortschritt der Entwicklung der Supply-Chain geben?

ZF hat mit dieser Entwicklung einen großen Schritt in Richtung der Gestaltung von autonomen Prozessabläufen geschafft. Dem unternehmerischen Bedürfnis, Abläufe stets zu optimieren und effizienter zu gestalten, wird in diesem Betriebshofprojekt in hervorragender Weise Rechnung getragen. Der aktuelle Fachkräftemangel ist ein weiteres Argument dafür, die Arbeitswelt autonom weiterzuentwickeln.

Welche Anreize für die verschiedenen Player einer Lieferkette sehen Sie, sich auf diese Technik einzulassen?

Entlang der gesamten Supply-Chain gibt es verschiedene Profiteure dieser Entwicklung. Der Mehrwert manifestiert sich beim Verlader oder Warenempfänger durch eine passgenaue Planung der Verlade- oder Entladezyklen. Der Transportdienstleister kann ressourcenschonend seine Infrastruktur auf geordnete Verhältnisse am Betriebshof einstellen. Die Qualität der Logistikdienstleistungen wird zunehmen und für alle Prozessbeteiligten einen Mehrwert darstellen.

Die Entwicklung führt unweigerlich zur Personalfrage. Klar ist, dass Roboter nicht jeden Fahrer einfach ersetzen werden. Aber muss es nicht für die guten Fahrer, die heute durch ihr Mitdenken für bestmögliche Prozesse sorgen, ein Ansporn sein, sich weiterzuentwickeln? Was würden Sie Ihren besten Fahrern raten, wie sie sich darauf einstellen sollen? Was sagen Sie jungen Leuten, wenn es um die Überlegung geht, für diesen Job eine Ausbildung zu beginnen?

Die Anforderungen an die Fahrer der jüngeren oder älteren Generation werden anspruchsvoller. Während es bei älteren Fahrern die fast gewohnte Abneigung gegenüber technischen Neuerungen zu überwinden gilt, muss junges Fahrpersonal von den Vorzügen der Technisierung beziehungsweise Automatisierung nicht überzeugt werden. Es bleibt hier nur viel Überzeugungsarbeit übrig, Fahrer von der Zukunftsfähigkeit eines immer anspruchsvolleren Berufsfeldes zu überzeugen. Dies geht einher mit der Darstellung einer Arbeitswelt, die sich an einer attraktiven Work-Life-Balance orientiert und optimale Verdienstchancen ermöglicht. Das dem Fahrerberuf anhaftende schlechte Image kann auf diese Art und Weise beseitigt werden.

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Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
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