Nutzfahrzeug-Markt Schwere Zeiten für Gebrauchte

Lkw, Hof, Reparatur, Gebrauchte Foto: Hammermeister

Währungsschwankungen, Importzölle und Sonderabgaben erschweren derzeit den Export von gebrauchten Nutzfahrzeugen. Die Fachzeitung trans aktuell beleuchtet, welche Länder betroffen und welche Fahrzeuge besonders gefragt sind.

Um möglichst wirtschaftlich zu agieren, legen Speditionen großen Wert auf einen modernen Fuhrpark. Sattelzugmaschinen werden in der Regel nach rund vier Jahren verkauft, mit Laufleistungen von 400.000 bis 500.000 Kilometern. Das Durchschnittsalter eines Lkw in Deutschland lag im vergangenen Jahr bei etwa siebeneinhalb Jahren.
Gebrauchte Nutzfahrzeuge aus Deutschland sind im Ausland besonders beliebt, sie gelten als gepflegt und regelmäßig gewartet; vor allem junge Fahrzeuge profitieren in den ersten Jahren von Wartungsverträgen, die einen guten technischen Zustand sicherstellen. Doch wohin gehen die gebrauchten Trucks, wenn sie von einem Händler aufgekauft werden?

Zielmarkt 1: Osteuropa

Während Osteuropa noch vor wenigen Jahren der größte Absatzmarkt für gebrauchte Lkw war, ist der Handel dort mittlerweile stark zurückgegangen. Russland kämpft vor allem mit dem Währungsverfall: Im vergangenen Jahr büßte der Rubel zeitweise mehr als 40 Prozent seines Wertes gegenüber dem Euro ein. Ein gebrauchter Lkw aus Deutschland kostet den russischen Käufer heute also rund 40 Prozent mehr als noch Anfang 2014. Erschwerend kommt hinzu, dass Russland seit 2012 eine Recyclinggebühr auf importierte Fahrzeuge erhebt, die mehrere Tausend Euro betragen kann.

Das sieht man beim Blick in die Gebrauchtfahrzeug-Datenbank von Scania, wie Sieglinde Michaelis erklärt: "Seit Mitte 2013 existiert der russische Gebrauchtwagenmarkt für uns faktisch nicht mehr. Durch die Verschrottungsgebühr hat der russische Staat erreicht, dass die Einfuhr vor allem westeuropäischer Nutzfahrzeuge stark eingeschränkt oder sogar zum Erliegen gebracht wurde."

Eine Änderung oder Verbesserung der aktuellen Situation sei mittel- bis langfristig nicht in Sicht. Ähnlich dramatisch sieht es in der Ukraine aus: mehr als 50 Prozent hat die Währung Griwna im vergangenen Jahr an Wert verloren – Lkw-Importe sind  damit kaum noch bezahlbar. Dennoch bleibt Osteuropa ein wichtiger Absatzmarkt. Teilweise kompensieren andere Länder den schwachen Absatz in Russland und der Ukraine. Laut Jochen Stuhr, Director Used Trucks bei der Volvo Group, konzentriert sich das Geschäft zunehmend auf Tschechien und Polen.

Zielmarkt 2: Südeuropa

Auch in Südeuropa bleibt die Lage angespannt: "Gerade Griechenland als ehemals wichtiger Exportmarkt für Sattelzugmaschinen schwächelt weiterhin", sagt der Gebrauchtfahrzeug-Experte. In Spanien steige die Nachfrage dagegen langsam wieder an. Auch Scania sieht eine positive Entwicklung in Südeuropa.

Zielmarkt 3: Afrika

Ein seit Jahren lukrativer Markt für gebrauchte Nutzfahrzeuge ist Afrika. Besonders nach Westafrika werden jährlich mehrere Tausend Lkw verschifft, Hauptabsatzland ist nach wie vor Nigeria. In dem Land mit 170 Millionen Einwohnern boomten zuletzt die Öl- und Bauindustrie, die ständig nach Fahrzeugen verlangten.

Doch auch dort wandelt sich das Bild. "Durch in letzter Zeit enorm angestiegene Einfuhrzölle verzeichnen wir einen Rückgang der Fahrzeug-Exporte nach Nigeria von etwa 50 Prozent", sagt Jörg von Appen, Chef der Spedition Hansen-Shipping, die pro Jahr rund 10.000 Fahrzeuge nach Afrika exportiert. Laut von Appen ist der Fahrzeug-Export nach Westafrika in den vergangenen ein bis zwei Jahren deutlich zurückgegangen. "Ursachen sind unter anderem die angehobenen Einfuhrabgaben, sprich Zölle, und die allgemein schlechte wirtschaftliche Situation in den einzelnen Ländern", sagt von Appen. Hinzu komme noch Ebola – von der Krankheit waren im vergangenen Jahr große Teile Westafrikas betroffen und sind es stellenweise noch immer.

Neue Märkte lassen sich in Afrika laut Hansen Shipping nur schwer erschließen, die Gefahr ist sogar groß, dass bestimmte Länder für den Fahrzeug-Export nahezu wegfallen. "In der jüngeren Vergangenheit wurden etwa für Angola und den Kongo Baujahrbeschränkungen eingeführt – das hat den Import von gebrauchten, für die Leute bezahlbaren, Fahrzeugen nahezu völlig unterbunden", erklärt Jörg von Appen. Auch Nigeria hat im vergangenen Jahr Baujahrbeschränkungen für den Import erlassen: Lkw für den kommerziellen Bedarf dürfen nicht älter als 15 Jahre sein.

Fahrzeugtypen für Afrika

Die in Afrika nachgefragten Fahrzeugtypen sind seit Jahren gleich: Beliebt sind Zugmaschinen, Baufahrzeuge wie Kipper sowie Lkw mit Kofferaufbau und Kühlfahrzeuge. Bei der Ausstattung gehen die Anforderungen je nach Zielland weit auseinander. Ansprüche an die Technik stellen Afrikaner kaum, solange der Preis niedrig ist. Gefragt sind Fahrzeuge ohne komplizierte Technik, die sich zur Not auch »im Busch« reparieren lassen. Manuelle Schaltgetriebe sind beliebter als Automatikgetriebe, funktionierende Klimaanlagen zählen trotz der hohen Temperaturen zu unnötigem Luxus und Blattfedern  gelten als reparaturfreundlicher als eine Luftfederung.

Sehr alte und verschlissene Fahrzeuge sind dennoch nicht gefragt, auch das Improvisationstalent der afrikanischen Mechaniker kennt Grenzen. Je weniger Elektronik im Fahrzeug desto besser: Diagnosegeräte sind oft nicht vorhanden. Stabil seien hingegen die Exporte in den mittleren Osten, mit Ausnahmen von Krisengebieten wie etwa Syrien. Zudem lasse der zur Zeit sehr günstige Euro die Nachfrage dort wieder ansteigen.

Fahrzeugtypen für Europa

Für Gebrauchtfahrzeuge, die in Europa bleiben, haben die Käufer freilich andere und höhere Anforderungen. Laut Scania sind für den europäischen Fernverkehr-Lkw beliebt, die neben sparsamen Motoren auch automatisierte Getriebe bieten, dazu große Fahrerhäuser mit zwei Liegen, möglichst zwei Tanks sowie einer Differentialsperre an der Hinterachse. Gebrauchtfahrzeug-Experte Jochen Stuhr bestätigt, dass unter anderem große Fahrerhäuser den Verkauf von Zugmaschinen beschleunigen.

Bei den Aufbauten sind marktübergreifend vor allem Fahrzeuge für die Bauindustrie gefragt. Kipper, Betonmischer, Kranaufbauten, aber auch Fahrzeuge aus dem Kommunalbereich, etwa Entsorgungsfahrzeuge, lassen sich zu relativ hohen Preisen verkaufen. Das allerdings nur, wenn der Lkw eine entsprechende Schadstoffklasse besitzt.
Die Zeiten, in denen man seine wenig umweltfreundlichen alten Lkw ins Ausland verkaufen konnte, sind vorbei. "Die Schadstoffklasse spielt eine immer wichtigere Rolle beim Export", sagt Sieglinde Michaelis von Scania. Viele europäische Länder haben Umweltzonen eingeführt und auch die Mautklassen angepasst, für den Export ins europäische Ausland sollte das Fahrzeug mindestens Abgasnorm Euro 4 haben.
Bei Fahrzeugen für den afrikanischen Markt tun es derzeit auch noch niedrigere Schadstoffklassen. Zumindest solange, bis Einfuhrbeschränkungen auch Fahrzeuge mit niedrigen Schadstoffklassen betreffen.

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