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Neues Tool hilft beim Managen von Spitzen Cargoline kann Schwankungen vorhersagen

Foto: Cargoline

Die zunehmenden Mengenschwankungen bringen die Verantwortlichen der Stückgutkooperationen ins Schwitzen. Die Kooperation Cargoline hat nun ein neues Instrument, um solche Volatilitäten vorherzusagen. Mit dem IT-Tool kann sie sich rechtzeitig auf die Schwankungen einstellen und die entsprechenden Kapazitäten planen. Wissenschaftlicher Partner dabei war das Steinbeis-Innovationszentrums Speditions- und Logistikforschung in Heilbronn.

Rund läuft’s im Stückgutgeschäft immer dann, wenn die Netzwerke gut ausgelastet sind. Sind sie unterfordert, haben Spediteure betriebswirtschaftlich daran wenig Freude. Und sind sie überlastet, müssen alle kräftig improvisieren, damit die Depots nicht in der Sendungsflut untergehen – vom Disponenten über den Lageristen bis zum Subunternehmer im Nahverkehr.

Solche Wellen treten für gewöhnlich im Frühjahr und im Herbst auf. Auch die kurzen Osterwochen sind berühmt-berüchtigt. Die saisonalen Besonderheiten sind vielleicht nicht sonderlich beliebt, doch Stückgutspeditionen sind daran gewöhnt. Eine größere Herausforderung stellen unvorhersehbare Peaks dar. Sie bringen die Unternehmer in jüngster Zeit immer häufiger zum Schwitzen.

Wissenschaftliche Begleitung durch Prof. Lohre und Team

Doch sind diese Schwankungen wirklich nicht vorhersehbar? Auch sie müssen sich doch erklären und planen lassen. Das war die Hoffnung der Verantwortlichen bei der Kooperation Cargoline. Um Erklärungsmuster zu identifizieren und im Idealfall einen Vorhersage-Mechanismus für solche Mengenausschläge zu entwickeln, hat Cargo­line eine Studie in Auftrag gegeben. Damit lag der Ball im Feld von Prof. Dr. Dirk Lohre. Ein Jahr lang war der Leiter des Steinbeis-Innovationszentrums Speditions- und Logistikforschung in Heilbronn mit seinem Team dem Phänomen der Volatilitäten auf den Grund gegangen. Beispielhaft nahm es dabei die Mengen des Cargoline-Partners TLT in Potsdam unter die Lupe. TLT hatte sich dadurch qualifiziert, dass der Standort besonders mit Schwankungen zu kämpfen hat und er von Cargoline selbst betrieben wird. Das erleichterte die Abstimmungen und Entscheidungen.

Cargoline-Chef Struck will Tool Partnern zur Verfügung stellen

Das Ergebnis der aufwendigen Analyse ist, dass den Cargoline-Verantwortlichen in Frankfurt die Auslöser der Schwankungen nun bekannt sind. Zum anderen – und das dürfte fast noch wichtiger sein – hat ihnen das Projektteam ein IT-Tool auf Excel-Basis an die Hand gegeben, das Peaks relativ präzise prognostizieren kann. "Möglichst jeder Partner soll dieses Tool nutzen können", sagte Cargoline-Geschäftsführer Jörn Peter Struck im Gespräch mit der Redaktion trans aktuell in Stuttgart, an dem auch Prof. Dirk Lohre teilnahm.

Bis es so weit ist und jeder das Werkzeug nützen kann, fallen aber noch einige Aufgaben an: Unter anderem gilt es, eine Schnittstelle zu programmieren, damit die Daten aus der Speditionssoftware der Partner weitgehend automatisiert einlaufen. Darüber hinaus wollen Cargoline und das Steinbeis-Innovationszentrum ihre Erkenntnisse noch an einem anderen Standort überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Dabei fiel die Wahl auf den Partner Wackler in Göppingen, der ebenfalls mit stark schwankenden Mengen konfrontiert ist.

Speditionen müssen mitarbeiten und Daten liefern

Damit das Tool später einen wirklichen Nutzen stiftet, muss die Kooperation auch noch etwas Überzeugungsarbeit bei ihren Partnern leisten. Denn der Erfolg steht und fällt mit der Bereitschaft der Speditionen, aktiv am Prognoseprozess mitzuwirken. Das geht laut Lohre nur bei folgender Voraussetzung: "Wer die Daten einpflegt, muss erkennen, dass er dadurch auch einen Nutzen hat." Denn ganz wird es sich nicht vermeiden lassen, dass sowohl die Depots als auch die Systemzentrale manuell etwas nacharbeiten müssen – etwa falls ein neuer Großkunde und damit neues Geschäft hinzukommt.

Was den Nutzen angeht, steht für Cargoline-Geschäftsführer Struck fest, dass die bisherigen Erkenntnisse des Projekts vielversprechend sind. Der TLT-Standort Potsdam ist nach umfangreichen Sendungsanalysen nun in der Lage, sein Aufkommen relativ treffsicher zu prognostizieren.

Auf Wochenebene nur Abweichungen von fünf Prozent

"Auf Tagesebene bezogen kommen wir zu Abweichungen von plus/minus zehn Prozent von der tatsächlichen Sendungsmenge, auf Wochenebene von plus/minus fünf Prozent und auf Monatsebene von plus/minus drei Prozent", erläutert Lohre, dessen Studie vom Land Brandenburg gefördert wurde. Den entsprechenden Algorithmus programmierte Prof. Dr. Oliver Schwarz von der Hochschule Heilbronn, der ebenfalls im Projektteam mitwirkte. Die Namensgleichheit mit dem Geschäftsführer des Cargoline-Partners Wackler ist dabei übrigens reiner Zufall.

Für Wissenschaftler Lohre besonders interessant ist das Wissen, welche Mengen in der jeweiligen Woche zu erwarten sind. Dieses Wissen sei fast noch wichtiger als das Wissen um die Tagesmengen. Aufgrund der Wochenwerte können die Partner dann ihre Kapazitäten planen und ausrichten. "Eine Abweichung von fünf Prozent ist hierbei eine gute Basis", urteilt er.

Ab Herbst soll das Tool netzwerkweit zur Verfügung stehen

Mit diesem Wissen wird TLT künftig von Zusatzmengen nicht mehr kalt erwischt werden, sondern kann sich entsprechend wappnen. Gleiches gilt auch für die anderen Cargoliner, wenn die Untersuchung bei Wackler zu ähnlichen Ergebnissen kommt und sich das Ganze dann auf das Netzwerk übertragen lässt. "Unser erklärtes Ziel ist, dass uns das Tool netzwerkweit für das Herbstgeschäft zur Verfügung steht", sagt Struck.

Denn das Prognose-Werkzeug hat einen weiteren positiven Effekt: Es hilft den Partnern, saisonbedingte Mehrkosten zu reduzieren. "Die Einsparungen, die wir hier erzielen können, helfen uns langfristig möglicherweise mehr als eine sechsprozentige Preiserhöhung, die von den Kosten gleich wieder aufgefressen wird", sagt Struck. Davon abgesehen, dass der Spediteur sie erst mal durchsetzen müsse.

Der Cargoline-Mann macht das am Vorhalten von Kapazitäten deutlich. Wer wie TLT 1.000 Eingangssendungen am Tag zu bewältigen habe, müsse bei einem Ausschlag von 20 Prozent und mehr locker mal 15 Fahrzeuge zusätzlich bei den Unternehmern ordern. Das geht entweder ins Geld oder zu Lasten der Qualität beziehungsweise Prozesse – wenn nämlich gar keine Fahrzeuge oder Fahrer verfügbar sein sollten.

Mehr Einflussfaktoren für Schwankungen als erwartet

Doch wann genau müssen sich die Speditionen nun wappnen, weil die Netze überlaufen? Das lässt sich an einem Datum oder einem Ereignis nicht festmachen. "Es sind doch mehr Einflussfaktoren als gedacht", räumt Struck ein. Eine große Rolle spielen neben saisonalen Einflüssen die Feiertage, die Ferien, aber auch das Wetter. Sommerzeit ist Grillzeit, entsprechend schnell ändert sich etwa das Bestellverhalten der Baumärkte.

Prof. Lohre hat aber auch andere Ursachen für die Schwankungen ausgemacht, die die Analyse erst richtig komplex machten. "Wir haben es mit Mengenwachstum zu tun, das sowohl von der Quelle als auch von der Senke ausgelöst werden kann", sagt er und nennt folgende Beispiele: Ein Ausgangsdepot holt mehr Ware beim Versender ab als gemeldet – in der Folge weiß auch der Empfangs­spediteur nichts von seinem Glück. Oder ein Empfänger schraubt seine Bestellung hoch, ohne die anderen in der Kette zu informieren.
Und schlussendlich gibt es auch noch den Disponenten, dessen Verhalten sich bei zu viel oder zu wenig Mengen nicht planen lässt. Welchen Teil verlädt er direkt, welchen über das Hub oder als Überhang?

Wie sich ein Disponent verhält, wird sich auch künftig nur schlecht durch ein Prognose-Tool beantworten lassen. Alles andere aber lässt sich damit abbilden, so die Überzeugung der Projektpartner. Vorausgesetzt, jeder macht mit und füttert das System mit seinen Daten. Ein Interesse daran müssten ja alle haben. Keiner kann riskieren wollen, dass das Netzwerk überläuft und jeder in die Trickkiste greifen muss, um Laufzeiten und Qualität halbwegs einzuhalten.

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