Es gibt noch einige offene Fragen zum Mindestlohngesetz und gleichzeitig viele Antworten aus der Branche. Rechtsanwältin Elisabeth Schwartländer-Brand gibt hilfreiche Tipps.
Nichts ist perfekt – das gilt sowohl für Handwerkerleistungen als auch für neue Gesetze, die ebenfalls nachgebessert werden müssen. Das Mindestlohngesetz (MiLoG), das als Artikel 1 des Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie seit 1. Januar 2015 gilt, war nach Ansicht vieler Transport- und Logistikunternehmer aber von Anfang an mit Fehlern behaftet, etwa wegen der ungenauen Dokumentationspflichten.
In einigen Fragestellungen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) inzwischen durch Verordnungen Antworten geliefert. "Wir sind froh, wenn hier die drängenden Fragen aufgenommen und beantwortet werden, und hoffen, dass dies auch bei den anderen, noch offenen Themen schnellstmöglich geschieht", sagt Elisabeth Schwartländer-Brand Rechtsanwältin beim Arbeitgeberverband Spedition und Logistik Baden-Württemberg (AVSL).
Manche Unklarheiten haben die Unternehmen schlicht durch gelebte Praxis für sich geklärt: "Anfangs bestand eine große Unsicherheit, für welche Arbeitnehmer die Arbeitszeiten aufgezeichnet werden müssen und wie diese Aufzeichnungen konkret auszusehen haben", sagt die Rechtsanwältin. Hier hätten die Unternehmen inzwischen praktikable Wege der Aufzeichnung gefunden und die regelmäßigen Arbeitszeitkontrollen verfeinert, um dies sicherzustellen. Klar sei, dass der Mindestlohn streng monatsbezogen betrachtet wird und auch alle Überstunden und Bereitschaftszeiten einzubeziehen sind – es reiche also nicht, wenn der Mindestlohn im Jahresdurchschnitt erreicht wird.
Auch bei der Haftungsbeschränkung wussten sich die Unternehmen zu helfen
Die meisten nutzen laut Schwartländer-Brand inzwischen standardisierte Nachunternehmererklärungen, in denen versichert wird, dass die Regelungen zum Mindestlohn eingehalten werden. Auch spezielle Versicherungen für den Fall von Verletzungen des MiLoG werden von den Unternehmen nachgefragt.
Dennoch kann das Thema für die Branche noch nicht abgeschlossen sein. Laut Schwartländer-Brand bleibt ein zentraler Kritikpunkt die Haftung für Nachunternehmer. "Wie soll ein Unternehmen hier kontrollieren und gewährleisten, dass jeder Subunternehmer an jeden Arbeitnehmer Mindestlohn zahlt?", fragt die Rechtsanwältin und Mediatorin. Heftig diskutiert werde weiterhin die Frage, inwieweit es europarechtlich zulässig sei, das Mindestlohngesetz auch auf ausländische Arbeitsverhältnisse anzuwenden. Klärungsbedarf bestehe zudem bei der korrekten Berechnung des Mindestlohns: "Ich bekomme immer wieder Anfragen von Unternehmen, die sich rechtskonform verhalten wollen. Aber es gibt keinerlei Rechtssicherheit in diesem Bereich. Das ist sehr ärgerlich."
Die Kontrollsituation
Die Einhaltung des Mindestlohngesetzes wird von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung (FKS) im Rahmen eines sogenannten risikoorientierten Prüfansatzes kontrolliert. Das heißt, dass zunächst allgemein erwogen wird, in welchen Branchen und/oder Regionen die Gefahr höher liegt, dass die Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns nicht eingehalten wird. Zur Auswahl einzelner Arbeitgeber wird dann gegebenenfalls versucht, weitere Erkenntnisse zu gewinnen.
Unabhängig davon hat die FKS das Recht, Prüfungen verdachtlos durchzuführen, teilt die Generalzolldirektion auf Anfrage von trans aktuell mit, etwa im Rahmen von Schwerpunktprüfungen. Repräsentative Daten zur Arbeitsstatistik der Zollverwaltung für 2015 liegen laut der Generalzolldirektion erst im März vor.
In diesen Punkten besteht noch Klärungsbedarf
Auftraggeberhaftung: Sobald ein Unternehmen Leistungen an einen Subunternehmer vergibt – also etwa der Spediteur an einen Frachtführer – haftet dieses Unternehmen in vollem Umfang dafür, dass der Subunternehmer den Mindestlohn an seine Arbeitnehmer zahlt. Gegen die bußgeldrechtliche Haftung kann der Unternehmer sich absichern, nicht aber gegen die zivilrechtliche Haftung. "Diese weitgehende Haftung ist aus unserer Sicht völlig ungerechtfertigt und praxisfern. Die Weitergabe von Aufträgen ist in unserer Branche an der Tagesordnung", sagt Schwartländer-Brand und verweist auf die Arbeit von Subunternehmen, auf Frachtenbörsen und Stückguttransporte.
Transitverkehr: Das MiLoG sieht vor, dass auch ausländische Fahrer von ausländischen Arbeitgebern für ihre Arbeitszeit in Deutschland Mindestlohn erhalten müssen. Als Folge heftiger internationaler Proteste wurde diese Regelung vorübergehend für den reinen Transitverkehr ausgesetzt. "Diese Frage ist aber nach wie vor rechtlich nicht geklärt. Eine solche Situation belastet die internationale Geschäftstätigkeit, ganz zu schweigen von dem politisch wenig rühmlichen Hickhack zwischen Deutschland und der EU", sagt die Rechtsanwältin.
Berechnung: Das Gesetz enthält keinerlei Anhaltspunkte, wie der Mindestlohn konkret zu berechnen ist. Welche Zulagen und Zuschläge dürfen eingerechnet werden? Wie sind Bereitschaftszeiten zu vergüten? Was ist mit Sonderzahlungen, wie ist mit Spesen umzugehen? "Hier gibt es viele widersprüchliche Aussagen und auch schon erste Gerichtsurteile, die sich teilweise widersprechen."