Nutzfahrzeuge der Sowjetunion Hoffnungslos veraltet

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1984 steht der Eiserne Vorhang zwar noch fest, doch zunehmende öffentliche Kritik offenbart den desolaten Zustand von Automobilindustrie und Verkehrsinfrastruktur in der damaligen Sowjetunion.

Anfang der 80er-Jahre erlebt die Sowjetunion eine "Herrschaft der Alten": Nach dem Tod Leonid Breschnews im November 1982 beerbt ihn Juri Andropow als Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion sowie Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets. Doch schon im Februar 1984 stirbt der schwer kranke Andropow. Sein Nachfolger wird Konstantin Tschernenko, der wiederum im März 1985 stirbt – und den Weg für Michail Gorbatschow und seine umfassenden Reformen freimacht. Die Überalterung betrifft aber nicht nur die sowjetische Führungsriege.

Unumgängliche Reformen stößt Andropow in seiner kurzen Regierungszeit zwar an, kann sie aber nicht vollenden. Jedenfalls sind die Probleme so groß, dass sie nicht mehr ignoriert werden konnten. Die kritische Berichterstattung in der sowjetischen Tageszeitung "Sovietskaja Rossija" nimmt FERNFAHRER-Autor Ulrich Kubisch zum Anlass für eine Betrachtung der sowjetischen Lkw-Szene. "Seit der kurzen Ära Andropow wird das Unvermögen der Fahrzeugindustrie, mehr und bessere Wagen (…) zu liefern, auch in der Öffentlichkeit heftig angeprangert", berichtet er in Heft 5/1984. Von Korruption sei die Rede, von mangelnder Arbeitsdisziplin, von schlechten Qualitätsstandards und geringem Leistungsniveau. Dabei ist der Nutzfahrzeugbedarf in der UdSSR enorm. Dazu kommen hohe Anforderungen an die Belastbarkeit, sowohl durch den Zustand der Verkehrswege als auch die Klimazonen des Riesenreiches von minus 40 bis plus 50 Grad.

Jegliche Innovation ausgeblieben

Nach dem Besuch von vier Produktionsbetrieben kamen die Journalisten der Sovietskaja Rossija jedoch zum Ergebnis, dass etwa die Busse noch nach 25 Jahre alten Konstruktionsplänen gefertigt werden. Jegliche Innovation sei ausgeblieben, insbesondere im Motorenbau. "Statt treibstoffsparend mit Diesel zu fahren, sind immer noch die gefräßigen Benziner im Einsatz", schreibt Kubisch. "Die Maschinengeräusche sind so ungehemmt laut, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Ständig klappern die Türen, klemmen die Seitenfenster (Klimaanlagen gibt es nicht), platzen die Reifen." Die Schuld an der Misere sehen die russischen Kollegen beim Ministerium für Autoindustrie, das alle Modellveränderungen per Vorschrift erlässt. Aber auch in den Fabriken, wo technische Vorgaben einfach nicht eingehalten werden.

Lichtblick Kamaz

Große Hoffnung ruht nun auf den jungen Kama-Autowerken (Kamski awtomobilny sawod), wo 1976 der erste Lkw vom Band rollte. Eine jährliche Produktion von 250.000 Dieselmotoren und 150.000 Lkw, lieferbar in insgesamt sechs Farben, ist hier vorgesehen. "Ohne Zweifel sind die Kamas-Laster heute die einzigen Nutzfahrzeuge aus der UdSSR, die westlichen Fabrikaten einigermaßen das Wasser reichen können", bilanziert Kubisch.

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