Grammer-Sitze zum Nachrüsten So kommt der Roadtiger in den Lkw

Grammer Sitzeinbau Foto: Mathias Heerwagen 12 Bilder

Mit dem Roadtiger Luxury hat Grammer einen Nachrüstsitz im Programm, auf dem Lkw-Fahrer komfortabler und gesünder unterwegs sind. Wir haben den Einbau in einer Werkstatt begleitet.

Ein wenig Luxus zieht an diesem Morgen in die DAF XF-Zugmaschine ein, und zwar in Form des Roadtiger Luxury, eines hochwertigen Nachrüstsitzes von Grammer. Für den 25-jährigen Nutzfahrzeugmechaniker Felix Flesch ist der Tausch keine alltägliche Aufgabe, denn in der Regel werden Sitze nur selten gewechselt; Fahrer müssen meist mit dem Standard-Gestühl ab Werk Vorlieb nehmen. Nur rund 20 Prozent der verkauften Aftermarketsitze von Grammer entfallen auf die Luxury-Version des Roadtiger, etwa jeder zweite Käufer entscheidet sich für die Comfort-Variante, ein Drittel rüstet auf den Roadtiger Standard um. Gründe für einen Wechsel sind häufig mehr Komfort durch erweiterte Einstellmöglichkeiten sowie die Minderung von Rückenbeschwerden.

1 Batterie abklemmen

2 Sitzkissen weg

3 Schrauben lösen

Seit 2017 arbeitet Mechatroniker Flesch beim DAF Servicepartner EVL Truck & Trailer Service in Landsberg bei Halle/Saale. Er klemmt die Batterie ab und lässt die Luft aus den Kesseln, dann löst er die sechs Schrauben, mit denen der Sitz auf der Konsole befestigt ist. Mit einem Ruck entfernt er das Sitzkissen. "So kann ich gleich mit zwei kräftigen Kabelbindern den Sitz in der unteren Position fixieren, damit er sich später leichter herausheben lässt", erklärt Flesch. Leicht ist der Sitz jedoch nicht, wie sich gleich zeigen wird.

4 Stecker trennen

5 Sitz raus

Eine Luftleitung und zwei Stecker halten noch die Verbindung zum Lkw, Flesch trennt beides und ruft einen Kollegen zu Hilfe. Denn nun braucht es vier kräftige Arme. Ein robustes Stahlgestell, Hydraulikzylinder, Kabel, Pumpen, Gurtsystem samt Gurtstraffer, Polster und Bezüge – all das wiegt einiges, je nach Ausstattung zwischen 40 und 50 Kilogramm. Mit dem Kollegen bugsiert Flesch den schweren Sitz aus dem Fahrerhaus und stellt ihn auf der Werkbank ab.

6 Plug-and-Play-Kabel

Weihnachten im August, Felix Flesch darf das teure "Geschenk" auspacken. Vorsicht mit dem Cuttermesser, ein Schnitt im neuen Sitz wäre seiner Chefin und dem Kunden schlecht zu vermitteln. Zum Lieferumfang gehören neben der Einbau- und Bedienungsanleitung eine ABE und seit kurzem ein spezieller Stecker, über den sich der Mechaniker besonders freut: "Bisher lagen dem Sitz zwei Stecker mit an einer Seite losen Kabelenden bei, und man musste jedes der acht Kabel einzeln einpinnen, um die Verbindung zum Fahrzeug herzustellen", erklärt Felix Flesch. Seit Kurzem legt Grammer nun einen fertig vorkonfektionierten Stecker bei, der eine einfache Plug-and-Play-Montage ermöglicht. Das spart nicht nur rund 15 Minuten Zeit, sondern eliminiert auch Fehlerquellen, die durch unsachgemäßes Einpinnen entstehen könnten.

7 Kabel verbinden

8 Neuen Sitz verbinden und befestigen

Wozu ein Sitz acht Kabel braucht? Neben Spannung und Masse vom Fahrzeug werden darüber die Sicherheitseinrichtungen wie der Gurtschließerkontakt und der Gurtstraffer angesteuert, je nach Hersteller und Fahrzeug auch der Sitzbelegungsschalter, wie ihn etwa Daimler hat. Mechatroniker Flesch steckt das Adapterkabel im Fahrerhaus ein und ruft diesmal gleich zwei Kollegen heran. Das neue Exemplar scheint noch etwas schwerer zu sein, die Männer wollen nicht das Risiko eingehen, dass der neue Sitz aus Versehen auf den Werkstattboden fällt. Nachdem der Sitz auf der Konsole steht, steckt der Monteur die Luftleitung ein, verbindet die Stecker und verlegt den kleinen Kabelbaum sauber in der Konsole. Sechs Schrauben festziehen, Batterie anklemmen, Starten und Luftkessel füllen. Obwohl die Steckverbindung zum Fahrzeug getrennt und mit dem neuen Sitz wieder hergestellt wurde, erfolgt kein Eintrag in den Fehlerspeicher (etwa wegen einer Unterbrechung des Gurtstrafferkabels); der Monteur muss also kein Diagnosegerät anschließen.

9 Funktionstest

Felix Flesch klettert auf den Sitz und testet alle Funktionen. Dabei zeigt sich, was den Roadtiger Luxury vom Standard-Werkssitz unterscheidet: Die pneumatische Seitenkonturanpassung im Sitzpolster und der Rückenlehne ist deutlich spürbar, sie sorgt für ein straffes Sitzgefühl und mehr Halt. Auch die Lordosenstütze sorgt für gesundes Sitzen und stützt den Rücken. Unter dem perforierten Echtleder steckt die aktive Belüftungstechnik, die warme, feuchte Luft absaugt; die unteren zwei Drittel der Rückenlehne sowie das gesamte Sitzkissen werden belüftet. Die Rückenlehne ist zudem geteilt und lässt sich im oberen Drittel neigen. Eine Längshorizontalfederung gleicht Wippbewegungen aus, wie sie beim Flüssigkeitstransport mit Tankwagen oder in schwierigem Gelände vorkommen, etwa auf Baustellen.

10 Einbau fertig

Nach etwa einer Stunde ist der neue Sitz fahrfertig montiert. Das ausgebaute Standard- exemplar wird wohl vom Kunden verkauft werden oder als Ersatzteil ins Regal wandern. Viele Jahre Beanspruchung gehen an keinem Sitz spurlos vorüber, gelegentlich ist eine Luftleitung undicht oder der Hydraulikzylinder verliert Druck, berichtet Mechatroniker Flesch. Ersatzteile gibt es einzeln oder je nach Bauteilgruppe als Reparaturkit. Keine Frage, günstig ist die Umrüstung nicht: rund 2.800 Euro kostet der Roadtiger Luxury, das Topmodell der Serie, dessen gute ergonomische Eigenschaften vom TÜV Rheinland bestätigt wurden. Viel Geld in der Transportbranche, doch noch teurer wird es, wenn sich keine Fahrer mehr finden. Gute Chefs sorgen für gute Arbeitsbedingungen. Und um Fahrer ans Unternehmen zu binden, sie für ordentliche Leistungen zu belohnen oder Rückenbeschwerden vorzubeugen, investieren Fuhrunternehmer auch mal in einen komfortablen Sitz. Der ist genauso teuer wie ein Rammschutzbügel, der zwar gut aussieht, dem Fahrer aber keinen Mehrwert bietet. Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Kauf eines Komfortsitzes von der Deutschen Rentenversicherung gefördert werden. Dass sich auch Fuhrunternehmer selbst etwas Luxus gönnen, beweist Roland Höcherl – siehe Kasten oben links.

Roland Höcherl: Neuer Sitz gegen Bandscheibenleiden

Beim Fuhrunternehmen Roland Höcherl aus Winklarn sitzt der Chef auch selbst am Steuer. Der 43-Jährige fährt seit 14 Jahren Lkw und spult pro Jahr im Schnitt 75.000 Kilometer ab, hauptsächlich im Baustellen- und Zulieferverkehr in der Oberpfalz. Vor einem Jahr hieß es: raus mit dem alten Sitz, rein mit dem neuen. „Ich habe ein Bandscheibenleiden und damit das vom vielen Sitzen nicht schlimmer wird, habe ich auf den Roadtiger Luxury umgerüstet“, berichtet Höcherl. Zudem war beim alten Sitz vom häufigen Ein- und Aussteigen die Seitenwange des Sitzpolsters verschlissen; das ließe sich zwar austauschen, aber „man gönnt sich ja sonst nichts“. Der Unterschied zum alten Sitz sei deutlich zu spüren, sein Rücken wird besser gestützt, auch der Seitenhalt überzeugt Roland Höcherl. „Ich nutze auch sonst alle Funktionen. Im Winter ist der Sitz schnell warm, im Sommer ist die Belüftung toll“, berichtet der Fuhrunternehmer. Während er die meisten Fahrzeuge im Fuhrpark nach etwa drei Jahren austauscht, möchte er seinen Mercedes-Benz Arocs 8x4 mindestens 10 Jahre fahren, da lohnt sich die Umrüstung umso mehr. „Klar, so ein Sitz ist teuer, aber es ist ein Arbeitsgerät, das man jeden Tag nutzt und viele Stunden darauf verbringt“, sagt Höcherl.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
FF 11 2022 Titel
FERNFAHRER 11 / 2022
1. Oktober 2022
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