Goodyear ist exklusiver Reifenpartner der FIA-Renntruck-Serie und rüstet bis zum Jahr 2021 alle Race-Trucks aus. Der leitende Ingenieur Dr. Daniel Roder vom Goodyear Innovation Center erklärt, welche Erfahrungen sich auf Straßenreifen übertragen lassen.
Ich war insgesamt 14 Jahre verantwortlich für unsere Rennreifentechnologie. Ich habe vor einem Jahr das Projekt Rennreifen abgegeben, begleite das Thema aber immer noch unterstützend. Heute befasse ich mich schwerpunktmäßig mit der Lkw- und Flugzeugreifen-Runderneuerung in den Regionen Europa, Afrika und Asien. Mein Tätigkeitsbereich umfasst dabei die Bereiche Produktentwicklung, Qualitätssicherung und Prozesssteuerung.
In der Anfangsphase hat Goodyear eng mit einigen Teams zusammengearbeitet. Damals gab es auch mehrere Zulieferer, die die Teams mit Reifen versorgt haben. 2015 ist Goodyear zum exklusiven Reifenpartner der FIA European Truck Racing Championship gewählt geworden und liefert seit der Saison 2016 alle Reifen für die Teams. Somit fährt jedes Team auf ein und demselben Reifentyp. Wir stellen dabei den Reifen Goodyear Truck Racing zur Verfügung, und die FIA verteilt die angeforderten Reifensets unter den Teams. Über die Saison bekommt so jedes Team eine bestimmte Anzahl Reifen zugewiesen, mit denen sie haushalten müssen. Bei der Zuteilung kommen dabei alle Reifen in einen Raum und werden ausgelost, um etwaige Wettbewerbsvorteile auszuschließen. Da jeder Reifen über einen RFID-Chip verfügt, können sie so exakt identifiziert und zugewiesen werden. Der Chip selbst ist ein Goodyear-Serienprodukt und wird auch in den Straßenreifen Fuelmax und Kmax sowie in den Lenk- und Antriebsachsreifen Omnitrac S und D für den gemischten Einsatz auf und abseits der Straße genutzt.
Sammelt Goodyear während der Rennen Daten, die letztlich in die Reifenentwicklung mit einfließen?Goodyear erhebt während der Rennen keine Daten in Echtzeit. Es ist aber so, dass wir stichprobenartig das Abriebbild einiger Reifen unter die Lupe nehmen. Zudem bekommen wir Feedback von der Teamorganisation Truck Racing Organisation (TRO) aus dem Renngeschehen selbst. Diese Informationen fließen dann in die Reifenentwicklung ein.
Hat das Feedback aus der Rennserie auch Einfluss auf die Entwicklung von Produkten für herkömmliche Straßenreifen?Das kann durchaus passieren. Die Karkasse des Rennreifens basiert auf der Karkasse der Straßenreifen. Wenn wir aus dem Renngeschehen heraus Beobachtungen bezüglich der Qualität der Straßenreifen machen, dann fließen diese Erkenntnisse mit ein. Das bezieht sich sowohl auf die Konstruktion als auch auf die Gummimischung.
Nach Angaben von Goodyear wurde der Reifenaufbau für den Rennsport modifiziert. Welche technischen Veränderungen wurden vorgenommen?Der Aufbau der Karkasse entspricht weitgehend dem Straßenreifen. Interessant wird es beim zweilagigen Aufbau auf der Karkasse. Die performancegebende Oberschicht bietet optimalen Grip und ermöglicht schnelle Kurvenfahrten. Hierbei verwenden wir eine weichere Gummimischung als bei Straßenreifen. Die Abnutzung dieser Reifenschicht ist höher als beim Standardpneu. Aber ein Race-Truck ist auch keine Standardzugmaschine. Fahrzeuge der European Truck Racing Championship leisten bei einem Gewicht von 5,5 Tonnen rund 1.000 PS. Bei Spitzengeschwindigkeiten bis zu 160 km/h und einer Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in unter vier Sekunden steht der Grip daher ganz klar vor Laufleistung.
Mehr Grip bedeutet aber auch mehr Reibung und damit höhere Temperaturen. Wie schützen Sie die Karkasse davor?Unter der Oberschicht liegt eine kaltlaufende Schicht, die die Wärme ableitet und die Karkasse vor Hitzeschäden schützt.
Mit Blick auf den Reifenquerschnitt unterscheidet der Reifen sich deutlich vom Standardreifen. Was hat es damit auf sich?Der Truck-Race-Reifen ist auf der Außenseite abgerundet. Dieses asymmetrische Profil mit einer breiten Außenschulter bietet eine optimierte Aufstandsfläche, die vor allem bei schnellen Kurvenfahrten zum Tragen kommt.
Wir haben den Rennreifen tatsächlich all diesen Tests, die Grundlage für die Einstufung sind, unterworfen, um Rollwiderstand, Nasshaftung und Geräuschemission zu prüfen. Als Ergebnis würde der Goodyear Truck Racing beim Rollwiderstand ein B-Label und bei der Nasshaftung ein A-Label erhalten. Die Geräuschentwicklung des Reifens liegt bei 71 Dezibel, was zwei Schallwellen entspricht.
Gewachsene Rennsportkompetenz
Bereits 2003 haben die Organisatoren des FIA European Truck Racing Cups angefragt, ob Goodyear die Rennserie mit Reifen unterstützen wolle. Als Basis für den Lkw-Rennpneu diente damals der Fernverkehrs-Lenkachsreifen Marathon LHS, für den eine für das Renngeschehen optimierte Gummimischung entwickelt wurde – mit besserer Haftung für nasse und trockene Rennstrecken. Gleichzeitig wurden laut Goodyear die Verschleißeigenschaften verbessert, um die Kosten für die Rennteams zu reduzieren. Des Weiteren hatte Goodyear demnach ein spezielles Profil entwickelt. 2004 begann eine eigene Produktionsserie für den neuen Rennreifen Goodyear Marathon RHS-RC. 2006 hatte der Reifenhersteller das Reifenkonzept überarbeitet, und der Reifen wurde auf der Karkasse des Verteilerverkehrsreifens Regional RHS neu aufgesetzt. Es entstand der Goodyear Truck Racing mit Grip-optimierter Gummimischung und Lauffläche, ausgelegt für hohe Geschwindigkeiten und Temperaturen. Auf der Basis gesammelter Erfahrungswerte aus der Zusammenarbeit mit den Rennteams und zusätzlicher Testverfahren hat Goodyear dieses Reifen-Set-up kontinuierlich weiterentwickelt. 2015 erfolgte die Ausschreibung der FIA für die heute offizielle European Truck Racing Championship (ETRC). Goodyear gewann sie und belieferte die Rennsportorganisation von 2016 an für die Rennserie. 2018 entschied Goodyear die Ausschreibung erneut für sich und ist bis 2021 exklusiver Reifenlieferant der ETRC.