Dieselmotor für Lkw Zündende Idee

90 Jahre Lkw-Diesel Foto: ETM 13 Bilder

90-jähriges Jubiläum feiert dieses Jahr auch der Lkw-Dieselmotor. Es war allerdings ein langer Weg, bevor er im Nutzfahrzeug richtig heimisch wurde.

Ein sperriges Monster von drei Meter Höhe: Das war der erste Dieselmotor der Welt, gebaut in den Hallen der Maschinenfabrik Augsburg, heute MAN. Zeitgleich mit dem ersten Lkw der Welt, gebaut von Daimler anno 1896, erblickte er das Licht der Welt.  Doch es dauerte fast drei Jahrzehnte, bis beides zusammenfand. Erst 1924 kam der Diesel so richtig im Lkw. Da fuhr er aber gleich sozusagen dreispännig vor. Daimler,  MAN und Benz hatten jeweils etwas Grundverschiedenes vorzuzeigen auf der großen Automobilausstellung am Kaiserdamm in Berlin, die im Dezember 1924 stattfand.

Dieselmotor war früher ein Exot

Doch was heute aus dem Lkw gar nicht mehr wegzudenken ist, war in den 20er-Jahren ein viel bestaunter Exot. Den Weg ins Automobil fand er auf verschlungenen Bahnen. Wobei Automobil in diesem Zusammenhang "Nutzfahrzeug" heißen muss.  Im Pkw kam der Selbstzünder erst mehr als ein  Jahrzehnt später als im Lkw:  in der zweiten Hälfte der 30er-Jahre.

Viele von seinen ersten Sporen erwarb sich der Dieselmotor nun einmal nicht zu Lande, sondern zu Wasser.  Für den Einsatz im Straßenfahrzeug fehlten dem Diesel erst einmal die nötigen schlanken Maße und das erforderliche Drehzahlniveau. Schon 1902 hatten die Ingenieure bei Sautter Harlé & Cie. in Paris begonnen, Dieselmotoren als U-Boot-Antrieb zu konzipieren. Und 1912 stach als erstes dieselgetriebenes Schiff von Weltmeer-Rang die dänische "Selandia" zu ihrer Jungfernfahrt von Kopenhagen nach Bangkok in See. Sieben von dem dänischen Unternehmen Burmeister & Wain gelieferte Motoren mit insgesamt 2.000 PS brachten das 113 Meter lange und 16 Meter breite Schiff sicher ans Ziel. Auf der Zwischenstation in London kam kein Geringerer als der damalige Marineminister Winston Churchill mit großem Gefolge an Bord, um sich ein eigenes Bild von der neuen Technik zu machen.

Zu Lande feierte der Diesel anno 1913 Premiere im Schienenfahrzeug. Das Schweizer Unternehmen Sulzer lieferte die 1.000-PS-Maschine für die zusammen mit Borsig entwickelte Diesellokomotive, die mit ihrem Vierzylinder-V-Motor Geschwindigkeiten bis zu 100 km/h erreichte. Das war für damals eine Menge Holz.

Diesel glaubte an seinen Motor

Der Automobil-Diesel ließ hingegen noch eine Weile auf sich warten, obwohl Rudolf Diesel schon früh an eine solche Verwendung gedacht hatte: "Ich habe noch immer die feste Überzeugung", schrieb er in seinem Todesjahr 1913, "dass auch noch der ­Automobilmotor kommen wird und dann betrachte ich meine Lebensaufgabe als beendet." Doch Rudolf Diesel waren die Hände gebunden, hatte er doch bei der Gründung der Allgemeinen Gesellschaft für Dieselmotoren AG im Jahr 1898 alle bei ihm entstehenden Rechte an Erfindungen in Zusammenhang mit dem Dieselmotor genau dieser Gesellschaft zur kostenlosen Nutzung überlassen. Er musste also warten, bis seine Patente abgelaufen waren. 1908 startete dann eine Zusammenarbeit mit Safir in Zürich. Dort baute er zum Beispiel einen Saurer-Ottomotor auf das Dieselverfahren um. Doch dieser Motor, der immerhin das für damalige Verhältnisse stattliche Leistungsgewicht von 16 Kilogramm pro PS auf die Waage brachte, wurde gar nicht erst in ein Fahrzeug eingebaut. Denn die Lufteinblasung ließ sich bei den wechselnden Drehzahlen, die der Fahrzeugbetrieb mit sich gebracht hätte, nicht beherrschen.

Viele Experimente mit umgebauten Ottomotoren scheiterten in den Jahren bis 1923 an den Schwierigkeiten, die die Lufteinblasung bei wechselnden Drehzahlen mit sich brachte. Gelöst haben das Problem schließlich die Daimler-Mannen aus Berlin-Marienfelde, die schon 1923 über einen Fahrzeugdiesel verfügten, der mit Kompressor bestückt war und nach dem Lufteinblase-Verfahren ­arbeitete. Elegant umgangen haben das Problem fast zeitgleich die MAN mit einem ersten Direkteinspritzer und die Benz & Cie mit einem Vorkammermotor, die dem Daimler’schen Diesel bald den Rang abliefen.

Der kompressorlose MAN-Diesel war ein Vierzylinder mit direkter Einspritzung des Kraftstoffs in den Verbrennungsraum und hatte im Gegensatz zum Benz-Motor keine Vorkammer. Der MAN-Motor leistete 40 PS und kam bei einem Leistungsgewicht von elf Kilogramm pro PS auf den für damalige Verhältnisse äußerst niedrigen spezifischen Verbrauch von 200 g/PSh. Alle Kammermotoren aus der Frühzeit des Automobil-Diesels hatten einen höheren spezifischen Verbrauch als dieser Direkteinspritzer, bei dem es sich um einen umgebauten Ottomotor handelte, der aber trotzdem im Nutzfahrzeug seinen Weg machte.

Vorkammerprinzip von Prosper L’Orange

Prosper L’Orange, der geniale Erfinder bei Benz & Cie in Mannheim, war noch auf eine andere Lösung verfallen: das Vorkammerprinzip. Schon 1909 war ihm die zündende Idee gekommen, den Motor statt mit Lufteinblaseverfahren mit einem speziell geformten Verbrennungsraum auszustatten, der einen halbkugelförmigen Kopf aufwies – die Vorkammer war geboren.

Sinn der Übung: Die sogleich patentierte Vorkammer sollte statt explosionsartiger Verbrennung ein sanfteres Abfackeln des Diesels sicherstellen. Gut Ding will eben Weile haben. Das gilt auch für das zweite grundlegende Diesel-Patent von Prosper L’Orange, das dann zehn Jahre auf sich warten ließ. Der große Meister  hatte zwischendurch im Management zu werkeln und musste ab August 1914 gar Uniform tragen. Sofort nach Ende des Ersten Weltkriegs aber machte er sich wieder ans Werk und bewältigte in Gestalt des sogenannten Trichterpatents die zweite große Hürde, die auf dem Weg zum klassischen Vorkammermotor noch zu nehmen war.Neu konzipiert war damit der Übergang von der Vorkammer zum Hauptverbrennungsraum und die Gefahr der ebenso schädlichen wie gefährlichen Verkokung des Kraftstoffs gebannt.

Die Generalprobe für den Lkw-Vorkammermotor fand allerdings nicht im Lastwagen, sondern im Ackerschlepper statt. Der fungiert noch ein Jahr vor dem Einbau im Lkw quasi als geheimes Premierenfahrzeug für den Lkw-Vorkammerdiesel und wurde auf Anhieb ein voller Erfolg. Der Prototyp mit seinem Zweizylinder wird vom Fleck weg verkauft, bis 1925 sind schon 100 Exemplare an den Mann gebracht.

1922: Startschuss für den Lkw-Diesel

Mit dem Diesel-Lkw ging es so fix nicht. Für ihn hatte Benz vier Zylinder vorgesehen, die auf 125 Millimeter Hub sowie 180 Millimeter Bohrung basieren und 45 bis 50 PS bei 1.000 Touren leisten sollten. Im Oktober 1922 hatte der Fahrversuch die Erprobung mit drei Prototypen gestartet, die sich gut machten.

Da hatte die Daimler-Motorengesellschaft aber bereits umfangreiche Erfahrung mit ihrem in Berlin-Marienfelde entwickelten Lufteinblase-Diesel gesammelt. Früh schon waren große Erfolge mit U-Boot-Maschinen eingeheimst worden. Und so hatte sich Daimler bereits 1913 darangemacht, das Verfahren auch auf Fahrzeugmotoren zu übertragen. Zeitweise favorisierte Marienfelde sogar ein sogenanntes Druckspeicherverfahren, das in etwa der späteren Direkteinspritzung entsprach. Besann sich am Ende aber wieder auf   das klassische Prinzip der Lufteinblasung und landete bei einem 40 PS starken Vierzylinder, der einen Versuchs-Lkw im September 1923 anstandslos von Berlin nach Stuttgart rollen ließ.

Kaum waren all diese drei Varianten des Fahrzeugdiesels 1924 auf der Automobilausstellung in Berlin präsentiert, stritten sich die künftigen Kompagnons Benz und Daimler schon, welchem Verfahren der Vorzug zu geben sei. Daimler zog den Kürzeren, weil der Vorkammer-Motor einfacher zu bauen war, weniger wog und sich billiger produzieren ließ. MAN wiederum hielt der Direkteinspritzung die Treue.

Weltwirtschaftskrise bringt Diesel voran

Leicht hatten es die schweren Dieselaggregate in ihren jungen Jahren nicht. Aufwind verschaffte dem Selbstzünder ausgerechnet die Weltwirtschaftskrise zwischen 1928 und 1930. Benzin musste importiert werden und das ging ins Geld. Fast alle große Namen im Nutzfahrzeugbau schwenkten auf den Diesel um. Büssing brachte einen solchen Motor anno 1932, Magirus zog 1933 nach. Deutz hatte schon 1928 erste Diesel-Aggregate vorgestellt. Erste Turbo-Dieselmotoren stammten 1938 von Saurer aus der Schweiz, Mitte der 30er- Jahre kamen erste Pkw mit Dieselmotor.

Der Zweite Weltkrieg indes unterbrach die Entwicklung in Europa noch einmal. Der Soldateska war Benzin lieber, das Resistenz gegen russischen Frost bewies. Erst Ende der 40er-Jahre belebte sich die Entwicklung wieder. Dann ging es aber Schlag auf Schlag. Die MAN experimentierte ab 1950 mit einem neuen V8, Krupp präsentierte 1951 auf der ersten Nachkriegs-IAA den legendären Krupp-Titan mit doppeltem Zweitakt-Dreizylinder unter der Haube. Die schwäbischen Tüftler von Kaelble, die schon 1921 ein Patent über einen kompressorlosen Diesel ihr eigen nennen konnten, kamen ebenfalls 1951 mit einem neuen, 200 PS starken V8. Volvo machte 1954 die Turboaufladung auf breiter Front salonfähig. Und ebenfalls ab 1954 wendete MAN das neue Mittenkugel-Verfahren an, das dem Motor eine weiche und sehr effiziente Verbrennung bescherte und dem Unternehmen wieder einmal zahlreiche Export- und Lizenzverträge sicherte.

Diesel bisher ohne Alternative

Eine erfolgversprechende Alternative zum Diesel ist heute immer noch nicht in Sicht.  Globaler Zwang zu Stückzahlen sowie scharfe Abgasnormen haben aber dazu geführt, dass die Vielfalt von einst passé ist. Konnte eine feine Nase früher das Fabrikat allein schon am Geruch erkennen, den der Auspuff verströmte, sind solche Kunststücke heute nicht mehr möglich.

Reihensechszylinder mit Common-Rail-Einspritzung werden mehr und mehr zur Norm. Der Scania-V8 zum Beispiel ist bereits ein Exot. Nordamerika fährt lieber 15 Liter Hubraum, während Europa ein Faible für 13 Liter hat. Und die einen halten Abgasrückführung für unerlässlich, die anderen lassen sie einfach weg. Zur Debatte stehen nur noch kleine Unterschiede.

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