Bus-Telematik Das bieten die Hersteller

Long exposure in a moving vehicle, motion blur. Foto: Daimler

Bisher ging es im Bus-Telematikbereich ausgesprochen ruhig zu. Jetzt starten MAN und Voith durch, und Daimler baut Omniplus On aus. Ein Überblick über Angebote und Funktionen der Systeme.

Die Telematik ist eines der heißen Themen der Digitalisierung unserer Tage, auch und gerade im Nutzfahrzeug. Nur im Bus wollte sie bis dato nicht so recht an Fahrt aufnehmen. MAN hat sich bisher vornehm zurückgehalten und startet in Brüssel erste Busdienste. Daimler ist zwar schon lange aktiv, wechselt aber in schöner Regelmäßigkeit Plattformen und Namen. Andere Hersteller wie Volvo und Scania verlassen sich auf leicht angepasste Lkw-Systeme. Auch große Zulieferer tummeln sich im Markt. ZF ist seit einigen Jahren mit seiner tschechischen Tochter Openmatics aktiv und konnte vor Kurzem den holländischen Hersteller VDL als Pilotkunden gewinnen. Da wollte Konkurrent Voith nicht lange nachstehen und erwarb Anfang 2019 kurzerhand eine Mehrheit am Telematikexperten Pilotfish. Es kommt also Schwung ins Thema – warum aber erst jetzt?

Daimler hat digitale Plattform Omniplus On deutlich erweitert

Im Reisebereich gibt es außer Tracking und Wartungsservices wenige Anwendungen, die bei den kleinen Flotten eine Digitalisierung sinnvoll erscheinen lassen. Und viele Verkehrsunternehmen im ÖPNV haben eigene Systeme zur Verkehrs- und Betriebssteuerung, die hoch integriert und spezialisiert sind. Erst die Anbindung der Fahrzeugdaten via virtuelle Remote-Schnittstelle oder API macht es den Unternehmen seit Kurzem möglich, Systeme wie solche von IVU oder INIT nahtlos mit den Fahrzeugdaten zu vernetzen und dabei mehr Daten zu bekommen als über die Hardware-Schnittstellen FMS 3.0 oder 4.0 (in der Regel sind es mindestens doppelt so viele Datenpunkte). Das bieten die meisten Hersteller außer Volvo schon an. Daimler zieht jetzt mit seinen drei Signal-Store-Tarifen (Light, Extended und Diagnosis) nach und setzt gezielt auf Kooperationen wie die mit IVU. Die Stuttgarter haben ihre digitale Plattform Omniplus On dazu deutlich erweitert. Alle Dienste und Datenpakete können auf der Plattform im renovierten E-Shop-Bereich "Commerce" monatlich für einzelne Fahrzeuge gebucht werden. Viele kleinere Hersteller docken zudem an den "IT for Public Transport"-(ITxPT-)Standard an, der im Rahmen der UITP entwickelt wurde. Er scheint sich aber nur langsam durchzusetzen. Solaris zeigt sich wiederum traditionell sehr offen und stellt dem Kunden alle Daten seiner Fahrzeuge via API zur Verfügung.

Ein wichtiger Treiber der Digitalisierung im Busbereich ist die Elektromobilität. Die ständige Überwachung von Batteriestatus und -füllung ist essenziell für den reibungslosen Betrieb, und hier sind die Betreiber mehr oder weniger auf die Daten aus den komplexen Energiemanagementsystemen der Hersteller angewiesen. Dazu kommt die Notwendigkeit, die Ladeinfrastruktur im Depot oder auf der Strecke zu koordinieren und das nächtliche thermische Vorkonditionieren von Heizung oder Klimaanlage zu steuern. Nicht ganz von ungefähr haben die meisten Hersteller erst mit ihren Elektrobussen das Thema intensiviert und wie Solaris und Irizar sogar eigene Systeme entwickelt. Daimler bietet sogar explizit die Möglichkeit des automatisierten Downloads eines definierten "Minimaldatensets" für den eCitaro, das wichtig für den Nachweis in Förderprojekten ist. Und für MAN war wohl der 2020 kommende Elektrobus der lange hinausgezögerte Initialzünder für das Thema. Volvo bietet schon seit geraumer Zeit das Geofencing und Zoning für elektrische Stadtbusse und Hybridbusse an, um in definierten Zonen emissionsfrei fahren zu können.

Foto: Volvo
Beim Zoning können Zero-Emission-Fahrten oder Tempolimits vorgegeben werden.

Beim Zoning kann die Höchstgeschwindigkeit reduzeirt werden

Alle Systeme haben eigene Internetanwendungen, die im besten Falle responsiv arbeiten. Die Daten sind somit auf jedem Endgerät abrufbar. So auch bei Daimler, wo die erst vor einem Jahr eingeführte Remote-Bus-App wieder eingestampft und in die Omniplus-On-Plattform im Bereich "Mein Bus" integriert wird. Hier soll es bald auch wieder Fernsteuerungsfunktionen geben, wie sie bei den Pkw-Systemen heute schon fast Standard sind. Online-Updates over the air (OTA) sind im Busbereich noch genauso selten wie anderswo in der Industrie, lediglich die eingebauten Telematikboxen lassen sich so aktualisieren. Bei den meisten Herstellern sind diese zumeist noch mit 3G oder 4G funkenden Verbindungsanker mittlerweile in Serie verbaut und werden auf Wunsch freigeschaltet. Lediglich MAN verweist auf seinen auf der IAA 2018 vorgestellten Service MAN Now, mit dem diverse Steuergeräte "geflasht", also upgedated werden können. Eine der wichtigsten Funktionen der Systeme sind sicher die Wartungs- und Diagnosedienste unterwegs. Nicht nur zeigen diese Dienste die Tell-Tales aus dem Cockpit an (Gelb- und Rotmeldungen), sondern jede Menge Daten mehr, bei MAN sogar solche aus dem prädiktiven Wartungsrechner. Der kostenlose MAN-Dienst Service Care stellt die Verbindung zum bevorzugten Servicepartner her, der dann im Fall der Fälle helfen kann. Will der Kunde die Daten aber selbst haben, dann wird das Maintenance-Paket für rund sechs Euro im Monat fällig.

Foto: Daimler
Disponenten und Fahrer können Telematik­systeme heute auf allen Endgeräten nutzen.

Teurer ist da Daimlers Uptime, das keinen dynamischen Wartungsrechner bietet. Immerhin aber hat der Kunde hier jederzeit die volle Übersicht. Gewissermaßen die Kür der Telematik sind die Fahrerüberwachung und -bewertung. Bei Daimler werden für die Bewertung des Fahrstils neben dem Eco-Score für sparsames Fahren erstmals die Daten der Sicherheitssysteme verwendet. Volvo hat aus dem Thema einen eigenen iCoaching-Dienst gebastelt, der auch auf einem kleinen Display im Cockpit Warnsignale anzeigt, wenn zu schnell in Kurven gefahren wird oder der Motor zu lange im Leerlauf läuft. Das Zoning verwenden die Schweden auch dazu, in vorgegebenen Zonen die Höchstgeschwindigkeit zu reduzieren – ohne Möglichkeit des Fahrers, dies zu widerrufen. Der Monitor des Voith/Pilotfish-Systems integriert zusätzlich einen Alcolock, und Unternehmen wie Flixbus arbeiten intensiv an Möglichkeiten, dem Fahrer die Nutzung des Handys technisch unmöglich zu machen. Es wird spannend sein, zu beobachten, ob diese Dienste vor dem aufziehenden Zeitalter des automatisierten Fahrens auf Widerhall stoßen werden.

Das bieten die Hersteller

Daimler Omniplus On

Digitale Plattform mit vier Bereichen, nutzbar auf allen Endgeräten; monatliche Buchung auch digital inklusive ­Uptime; webbasierte Remote-App; Signal-Store-Tarife für erweiterte FMS-Daten. Safety-Score analysiert ESP, ACC, ABA.

MAN Telematics (ab 9/2019 für Bus)

Digitale Dienste analog Lkw auf offener Plattform Rio; tägliche Abbuchung möglich; Einbindung prädiktiver Wartung; präzises Geofencing mit Polygonen.

Volvo Connected Services

Anlehnung an Lkw-System; starker Fokus auf Elektromobilität; iCoaching zur Fahrermotivation; Zoning für Nullemis­sionsbereiche und Tempolimitvorgabe.

Solaris eS-Connect

Digitale Plattform mit starkem Elektro­busfokus, kostenlose Freigabe aller Daten auch für Dritte; Tarife Grün (60 € mtl.), Silber (75 € mtl.), Gold (99 € mtl.).

Irizar Datik iPanel

Elektrobusfokus inkl. Ladeinfrastruktur; ITxPT-Datenstandard; Tempolim. Warn.

Foto: Marco Reufzaat
Felix Krüger leitet seit 2017 die Digital Services bei MAN.

Digitaloffensive für den Bus

Interview: MAN startet auf der Rio-Plattform endlich eine Bus-Telematik.Das Gespräch führte Thorsten Wagner.

?: Was ist Ihre Aufgabe bei Rio und wie geht es ­voran mit der Telematik im Busbereich?Krüger: Wir haben die ersten Dienste 2018 auf der IAA vorgestellt und sind dabei, erste Basisdienste für den Bus auszurollen. Dazu gehören unter anderem das Zeitmanagement und der Fahrerkarten- sowie Massenspeicherdownload als einige der ersten Anwendungen, die dann remote erledigt werden können. Die Rio-Plattform, die ja auch offen für andere Anbieter ist, bildet hierzu die Basis, aber die Dienste selbst sind MAN-eigene Dienste. Die Rio-Box wird ab Oktober serienmäßig auch in alle Busse eingebaut, und einer der Basisdienste wird dann auch kostenlos verfügbar sein. Wir haben zwar keine busspezifische Marke beziehungsweise ein Produktlabel entwickelt, aber alle nötigen Anpassungen in der Benutzeroberfläche sind busspezifisch gestaltet. Kurzum: Reine Truckdienste nur in den Bus zu packen, das macht keinen Sinn – dann brauchen wir das nicht zu machen. Aber wir haben einen guten Start für den Bus hingelegt.

Und um welche Dienste handelt es sich konkret?

Krüger: Wir haben hier einen ähnlichen ­Ansatz wie Apple, indem wir viele grundlegende Dienste selbst abdecken, aber wir werden niemals alle Branchenanforderungen umfassend alleine abdecken können. Als Besonderheit bieten wir eine tagesgenaue Buchung und Abrechnung von Diensten, falls sich das Einsatzprofil eines Fahrzeugs schnell ändert. So können zum Beispiel die Intervalle der Geo-Positionen sehr genau definiert werden, bis zu einer Minute herunter. Und unsere Positionsdaten enthalten wesentlich mehr Daten als bei anderen Systemen, so unter anderem auch die Geschwindigkeit zu diesem Zeitpunkt.

Was wird darüber hinaus noch für den Bus an Diensten angeboten?

Krüger: In unseren Basisdiensten sind unter anderem generelle Verbrauchsdaten und grundlegende Maintenance-Daten enthalten. Neu wird dann das Thema „Service Care“ sein, bei dem man sein Fahrzeug einer Servicewerkstatt zuordnen kann, die dann den Zustand des Fahrzeugs online überwachen kann. ­Dabei werden nicht nur Fehlercodes einbezogen, sondern auch unser prädiktiver Wartungsrechner. Im Falle eines ernsthaften Fehlers kann der Kunde dann direkt proaktiv angeschrieben werden. Dieser Dienst wird ebenfalls kostenlos für den Kunden angeboten.

Und welche kostenpflichtigen Zusatzdienste wird es geben?

Krüger: Da wäre zum einen unser vielseitiger Ortungsdienst über Rio, Geo. Da haben wir die Besonderheit, dass man Geofen­cing nicht nur mit runden Zielgebieten nutzen kann, sondern diese straßengenau mit Polygonen ­abstecken kann. Ein weiterer Dienst, ­Compliant, ist das Tachografenmanagement, bei dem es um den Fahrerkarten- und Massen­speicherdownload geht. Darüber hinaus kann der Kunde über den Dienst Timed auch Echtzeitdaten vom Fahrer auslesen, also seine konkreten Lenk- und ­Ruhezeiten. Diese Informationen werden ­sozusagen on the fly aus dem DTCO ­ausgelesen und helfen dem Disponenten so bei akuten Entscheidungen, die ja oft getroffen werden müssen. Das macht auch besonders für den Fernreisebus großen Sinn. Der Kunde kann also individuell und sehr flexibel entscheiden, welche Dienste er wie lange für welches Fahrzeug benötigt. Für den Truckbereich bieten wir auch eine Einsatzplanung für das Tourenmanagement an sowie eine webbasierte Fahrer-App, die responsiv auf jedem Endgerät läuft. Zudem kann bei Mobile-­24-Einsätzen der Prozess in Echtzeit abgerufen werden. Der Kunde mit Liegenbleiber sieht ­also genau, wann der Service bei seinem Fahrzeug ankommt. Das alles wollen wir zeitnah für den Bus ebenfalls nachvollziehen, wann genau ist aber noch offen.

Welche Schnittstellen stehen zur Verfügung?

Krüger: Neben den physischen FMS-Schnittstellen, die uns auch die Mehrmarkenfähigkeit für Kunden mit gemischten Flotten sichern, steht von Anfang an auch eine Remote-Schnittstelle zur Verfügung, über die man mehr Datenpunkte bekommen kann als bisher.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 11 2019 Titel
lastauto omnibus 11 / 2019
19. September 2019
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