Neue alte Elektrobusse e-troFit rüstet Dieselbusse um

Foto: Schraegformat 6 Bilder

Es müssen nicht immer gleich neue Elektrobusse sein, auch Nachrüstlösungen sind sinnvoll. Das beweist der Ingolstädter Anbieter e-troFit.

Die Elektrobuswelle hat gerade erst begonnen, zu rollen. Marco Neubold von ZF bringt es auf den Punkt: "Der Leidensdruck bei den Verkehrsunternehmen ist da." Gelitten wird vor allem auf der politischen Ebene – der Druck auf die Betreiber, emissionsfrei zu fahren, steigt. Der ZF-Manager Aftermarket begleitet eine erste Ausfahrt mit dem umgerüsteten e-troFit-Mercedes in Ingolstadt. Hier arbeitet die 2019 gegründete Tochtergesellschaft des Garchinger Ingenieurdienstleisters In-Tech seit 2016 an einer Nachrüstlösung für ältere Dieselbusse, die den modernen Emissionsanforderungen nicht mehr gerecht werden.

"Hersteller müssen Weg in die Elektromobilität noch finden."

"Unser Anspruch bei der Entwicklung war von vornherein eine professionelle Umrüstlösung, die einem neuen Elektrofahrzeug in nichts nachsteht", so Andreas Hager, Geschäftsführer der neu gegründeten e-troFit GmbH, über den auf den ersten Blick neuen Ansatz in Sachen Elektrobus. Mit ZF haben sich die Garchinger einen echten Global Player ins Haus geholt. "In Sachen Forschung und Entwicklung sind wir so mit den Herstellern auf Augenhöhe. Bei der Umrüstung arbeiten wir dann mit derzeit vier lokalen Partnern, die auf das Thema spezialisiert sind." Der Kontakt mit den Herstellern selbst sei derzeit aber noch nicht allzu intensiv. "Die müssen ihren Weg in der Elektromobilität erst noch finden. Auf jeden Fall ist die Marktnachfrage nach Elektrobussen derzeit so hoch, dass sie unmöglich nur durch Neufahrzeuge befriedigt werden kann", zeigt sich der Unternehmensleiter zuversichtlich. Der Zeitpunkt ist günstig: MAN und Scania können noch gar nicht liefern, bei den Gelenkbussen geht es bei Mercedes und auch bei Volvo erst 2020 los. Und mit den Elektromarktführern VDL und Solaris fremdelt doch der eine oder andere Verkehrsbetrieb noch spürbar.

Das rollende Ergebnis der Zusammenarbeit kann denn auch seit der Messe Bus2Bus in Berlin Anfang 2019 käuflich erworben werden. Zuerst haben sich die Experten aufgrund der hohen Stückzahlen im Markt den Mercedes Citaro der ersten Generation vorgenommen, der als Zwei- und auch als Dreitürer bereits umgerüstet werden kann. "Zur Busworld werden wir neue Varianten ankündigen, vor allem wird es um den Mercedes Citaro der neuen Generation mit Euro-5-Motoren gehen", so Hager. Aber man könne sich mittelfristig durchaus auch MAN- oder Solaris-Modelle vorstellen, da sei man für alles offen. Auch die wenigen seriellen Hybridbusse im Markt seien für einen vollelektrischen Umbau hochinteressant.

Erste Kundenaufträge sind im Haus

Der Umbau eines Diesel-Solobusses kostet rund 300.000 bis 360.000 Euro und umfasst neben der elektrischen ZF-Achse Axtrax AVE, die auch im eCitaro verbaut wird, die modernen NMC-Batterien von Voltabox mit einer Leistung von bis zu 320 kWh im Solo- und 720 kWh beim Gelenkbus, die gesamte Steuerungselektronik sowie das Energiemanagement. Auf Wunsch gibt es moderne Sicherheitssysteme wie Abbiegeassistenten dazu. Die Telematik ZF Openmatics kommt in Serie, schon um die Linien des Kunden vorab zu analysieren – und um den Bus im Betrieb optimal überwachen zu können. Erste Kundenaufträge seien im Haus, schon bis zum ersten Quartal 2020 sollen 15 Busse umgerüstet werden. Vertriebsleiter Robert Reisenauer ist zufrieden. "Aus aller Herren Länder erreichen uns Anfragen, bisher über 8.000 insgesamt." Großaufträge aus Deutschland gebe es allerdings noch nicht zu verzeichnen. Zwar liegt der Preis grob bei der Hälfte eines neuen Elektrobusses, aber der Bus selbst hat nun einmal im Schnitt seine 500.000 Kilometer Alltagsbetrieb auf dem Gerippe – laut e-troFit der ideale Umrüstzeitpunkt, da die Instandhaltungskosten dann noch überschaubar seien.

Die Umrüstung eines Citaro der C1-Generation dauert in der Regel bis zu vier Wochen, ist allerdings vom Aufwand der notwendigen nicht elektrospezifischen Instandsetzungen an Karosserie und Gerippe abhängig. "Die gesamte Entwicklung wurde vom TÜV Süd mit begleitet und durch alle notwendigen Tests abgesichert. Das ist schon von daher notwendig, da wir für unsere Umbaumaßnahmen voll in der Produkthaftung stehen", so e-troFit-Technikchef Matthias Kerler über das rechtliche Mischszenario für die Busse. "Der Bus ist dann auf jeden Fall deutlich sicherer als vorher und entspricht den aktuellen Normen und Standards."

Foto: Thorsten Wagner
Die erneuerte Elektronik im Bus lässt sich ebenso wie die Telematik von ZF über ­einen Monitor im Cockpit auslesen. Er soll optisch noch ­besser inte­griert werden.

Elektronik der Fahrzeuge wird komplett erneuert

Und wie gibt sich der Bus in seinem zweiten Leben auf der Straße, in diesem Fall ein Citaro-Euro-5-Zweitürer aus dem Jahr 2003? Durchaus manierlich, wie die Testfahrt in Ingolstadt zeigte. Die zum neuen Mercedes eCitaro baugleiche ZF Axtrax AVE mit radnahen Asynchronmotoren mit einer Leistung von maximal 250 kW (340 PS) und maximal 22.000 Nm Drehmoment an den Rädern surrt zwar gerade bei schnellen Beschleunigungen durchaus vernehmlich, sie schallt aber nie unangenehm laut in den Innenraum. Der Komfort ist auf die kurze Distanz vergleichbar mit dem Vorbild eCitaro, sogar das Fahrwerk macht nach rund 620.000 Kilometern noch einen sehr guten Eindruck, auch wenn es laut e-troFit unverändert ist. Auch die Klimaanlage Revo-E von Valeo tut gute Dienste und basiert auf einer Wärmepumpe, die bis zu minus 15 Grad arbeitet und heizen kann – auch hier lässt das Original aus Mannheim grüßen. Der Fahrer wird über ein Bedienteil informiert, auf dem alle wichtigen Infos zu sehen sind. Die Elektronik der Fahrzeuge wird komplett erneuert, mehrere CAN-Busse nachgerüstet. Die bisherigen NMC-Batterien werden mit dem Herstellerwechsel zu Voltabox mit Sitz in Delbrück auf die nochmals robustere LTO-Chemie umgestellt. e-troFit garantiert eine Laufzeit von fünf Jahren und bis zu 3.000 Vollzyklen bei einer Ladeleistung von maximal 150 kW. Mittelfristig ist auch eine Streckenladung mittels Pantografen angedacht. Die Reichweite der Busse soll sich auf rund 300 Kilometer belaufen, mindestens jedoch sollen 180 bis 260 Kilometer bei extremen Witterungsbedingungen möglich sein.

Leistungsstark und umweltschonend: die elektrische Antriebsachse AxTrax AVE von ZF treibt Niederflurbusse bis zu einer maximalen Achslast von 13.000 Kilogramm an. Die in die Radköpfe integrierten E-Maschinen haben eine Gesamtleistung von 250 Kilowatt.
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Powerful and environmentally friendly, ZF's AxTrax AVE electric drive axle drives low-floor buses up to a maximum axle load of 13,000 kilograms. The electric motors integrated into the wheel heads have a total output of 250 kilowatts. Foto: ZF
Leistungsstark und umweltschonend: die elektrische Antriebsachse AxTrax AVE von ZF.

Elektrobus mit Zutaten „made in Germany“

Mit einem Umbau vom Ingolstädter Spe­zialisten e-troFit bekommt der Kunde einen vollwertigen Elektrobus mit vielen deutschen Bauteilen – und das zum halben Preis eines Neufahrzeugs. Der elektrische Vortrieb wird von der bewährten Niederflurachse ­Axtrax AVE von ZF mit beeindruckenden Leistungsdaten besorgt, die Einbauräume sind fast identisch zur konventionellen Achse. Die robusten, radnahen Asynchronmotoren leisten 22.000 Nm am Rad. Diese werden aber auch hier in der Beschleunigung sanft abgeregelt. Die Batterien kommen seit Kurzem von dem Delbrücker Anbieter Voltabox und sollen zeitnah von NMC- auf die robustere LTO-Chemie umgestellt werden. Wie es sich für einen modernen E-Bus gehört, rollt er mit einer innovativen Wärmepumpe von Valeo vor, die bis minus 15 Grad heizen kann. Allerdings gibt es sie noch nicht mit CO2 als Kältemittel wie beim Elektrobus-Original von Mercedes.

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Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 11 2019 Titel
lastauto omnibus 11 / 2019
19. September 2019
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