Transpartner Logistics ist unter Strom 330.000 km elektrisch – im Jahr

Transpartner Logistics Designwerk-Tour 2024 Foto: Transpartner Logistics 12 Bilder

Mit Elektro-Lkw in Tests weite Strecken zu bezwingen ist das eine. Eine einfach über 500 Kilometer lange Route in der Praxis vollelektrisch fahren zu wollen – das ist eine ganz andere Hausnummer. Transpartner Logistics wagt es trotzdem.

Der Plan von Goran Vidakovic, Geschäftsführer von Transpartner Logistics aus Pratteln nahe Basel, klingt nach einem perfekten Szenario für die Zukunft – und gleichzeitig nach einer verrückten Idee für die Gegenwart. Vidakovic will auf der Relation Zürich-Hersfeld/Rotenburg, die er im Schnitt 24-mal pro Monat für einen Stammkunden fährt, noch 2024 vom Diesel auf den batterieelektrischen Antrieb umsteigen. In einem schweren Sattelzug. Bei einer einfachen Wegstrecke von mehr als 500 Kilometern. In einem Einsatz also, in dem der Truck jährlich fast 330.000 Kilometer abspult. Mehr noch: Vidakovic will das tun, ohne selbst eine Ladesäule aufzubauen oder den Kunden darum bitten zu müssen. Allein mit öffentlicher Infrastruktur.

Passende E-Lkw – bisher Fehlanzeige

Ist der Mann verrückt? „Ich bin fasziniert von E-Antrieben und von neuen Technologien“, sagt er. Er habe den Markt schon lange beobachtet und war sich daher sicher, dass es für ihn keinen passenden Elektro-Lkw gibt. Transpartner Logistics ist schließlich spezialisiert auf Post- und E-Commerce-Verkehre im Bereich der Langstrecke von 500 Kilometern und aufwärts. Schwere batterieelektrische Zugmaschinen für solche Distanzen – das kann auch heute noch kein großer Serienhersteller bieten. „Vor einem halben Jahr bin ich mit Designwerk aber doch auf einen Anbieter gestoßen“, erzählt Vidakovic.

Die mehrheitlich zur Volvo Group gehörenden Elektro-Lkw-Spezialisten aus Winterthur haben sich mittlerweile einen Ruf erarbeitet in der Branche. Die Schweizer gelten als zuverlässig, ihre Trucks als ausgereift. Gleichzeitig ist Designwerk spezialisiert auf Härtefälle. Auf Kunden mit Sonderwünschen, die besonders schwere Transportaufgaben bewältigen wollen, sei es auf Seiten des Gewichts, des Volumens oder der Distanz. Vidakovic ist in Winterthur also auf Landsleute gestoßen, die in seiner Idee kein Hirngespinst sahen, sondern eine spannende Aufgabe. Geht nicht? Nein. Müsste klappen, hieß es da zum ersten Kennenlernen. Und als Probe aufs Exempel wurde gleich ein Testlauf organisiert – mit Videobegleitung. Unter realen Bedingungen selbstverständlich.

In zwei Etappen nach Hersfeld-Rotenburg

Reale Bedingungen, die sehen im Fall der Tour von Transpartner Logistics wie folgt aus: Fahrer A startet auf dem Kundendepot nahe Zürich. Vorbei am Betriebshof des Unternehmens in Pratteln fährt er die erste, gut 250 Kilometer lange Etappe bis Höhe Rastatt. Dort sattelt er ab und fährt solo an eine Schnellladesäule, bevor er den Truck an Fahrer B übergibt. „Ein starkes Zwischenladen von rund einer Stunde können wir in Rastatt in den Ablauf integrieren“, sagt Vidakovic.

Transpartner Logistics Designwerk-Tour 2024 Foto: Transpartner Logistics
Rund zwei Stunden zieht der Designwerk E-Truck an einer 350-kW-Säule Strom, ehe er die Heimreise antritt.

Fahrer B rollt im Anschluss ohne weiteren Stopp rund 300 Kilometer bis zum Kunden nahe Hersfeld-Rotenburg. Dort sattelt er wieder ab und stellt die Zugmaschine wieder solo an die Hochleistungs-Ladesäule, während der Auflieger an der Rampe steht und be- und entladen wird. „Hier planen wir einen Ladestopp von rund zwei Stunden ein. Das ist für mich ein Mehraufwand, der umsetzbar ist“, erklärt der Chef.

Nach dem neuerlichen Aufsatteln folgt auf dem Rückweg zum Kundendepot nach Zürich das gleiche Prozedere, also Ladestopp und Fahrertausch in Rastatt. In der Schweiz selbst soll nach dem Willen von Vidakovic dagegen so gut wie gar nicht geladen werden – die Kosten wären schlicht höher als in Deutschland.

Reserven bei Gewicht und Reichweite

Im echten Leben und auf dem ersten Testlauf an Bord des Trailers: Sammelgut mit einem Gewicht von rund zwölf Tonnen. „Die letzten 24 Monate hatten wir auf dieser Relation nie mehr als zwölf Tonnen auf dem Lkw. Wir nutzen das zulässige Gesamtgewicht also nie aus“, erklärt Vidakovic. Auch das brutto 870 kWh fassende Designwerk-Akkupaket hätte noch Reserven. „Zum ersten Test haben wir in Rastatt nicht zwischengeladen und hatten trotzdem bei Ankunft in Hersfeld-Rotenburg noch 21 Prozent Ladestand – beim Start waren es 94 Prozent. Das geht also auch bei schlechterem Wetter oder mit höherem Gewicht“, sagt der Geschäftsführer.

Ein Ärgernis sieht er nur darin, dass bei den für ihn passenden Ladesäulen vorab auf- und abgesattelt werden muss. Und dass der 350-kW-Charger im Ladepark nahe dem Kunden im Test den Ladevorgang abgebrochen hat, sobald weitere Elektro-Pkw Strom gezogen haben. Andere würden sich allein aufgrund dieser Erfahrung den Kopf zerbrechen. Vidakovic konzentriert sich aber einmal mehr nicht auf das Problem, sondern die Lösung. „Wir mussten abstecken und neu anstecken“, sagt er. Dann hätte es geklappt!

Höhere Kosten für Strom als für Diesel

Transpartner Logistics Designwerk-Tour 2024 Foto: Transpartner Logistics
"Um die 15 Prozent Preisdifferenz zum Diesel werden wir wohl haben auf dieser Tour", erklärt Goran Vidakovic, Geschäftsführer von Transpartner Logistics.

Vidakovic geht jetzt mit seinem Kunden und Designwerk in die konkrete Planung. Mit Blick auf das Fahrzeug muss noch geklärt werden, ob gekauft oder geleast wird. Ein umfangreicher Wartungsvertrag ist in jedem Fall Pflicht. Der Kunde wiederum muss die Mehrkosten abnicken und eine gewisse Vertragslaufzeit zwecks der Planungssicherheit. „Um die 15 Prozent Preisdifferenz zum Diesel werden wir wohl haben auf dieser Tour“, erklärt Vidakovic. Eine allgemeine Aussage sei aber nicht zu machen. „Das hängt zu sehr davon ab, wie lang die jeweilige Strecke ist und wie groß der Anteil auf mautpflichtigen Straßen. Je mehr Kilometer insgesamt und je mehr auf Mautstraßen, desto besser für den Elektro-Lkw, der ja mautbefreit ist und teuer in der Anschaffung.“

Die Stromkosten dürften die Dieselkosten indes übersteigen: Vidakovic rechnet mit günstigen 55 Cent netto pro Kilowattstunde und einem Verbrauch von rund 120 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Das entspricht 66 Euro. Dafür könnte man bei einem Preis von 1,40 Euro netto pro Liter Diesel mehr als 47 Liter des fossilen Kraftstoffs tanken.

Sei es drum: Vidakovic will der Welt beweisen, dass er auch auf der Langstrecke vollelektrisch fahren kann. „Ich spüre die Neugier der Kunden. Viele zeigen Interesse. Ich habe das Gefühl, dass auch grundsätzlich die Bereitschaft da ist, Mehrkosten zu tragen, wenn es für die Umwelt ist“, sagt der Geschäftsführer. Für ihn dreht sich jetzt alles nur noch um die Frage, wie schnell er in seinem Unternehmen Elektro-Lkw ausrollen kann.

Weitere E-Trucks auf der Agenda

„Wir wollen natürlich erstmal Erfahrungen sammeln auf der Strecke von Zürich nach Hersfeld-Rotenburg. Ich könnte mir aber trotzdem vorstellen, bis Jahresende neun weitere Elektro-Lkw für ganz konkrete Einsätze zu bestellen“, sagt Vidakovic. Auf dem Zettel hat er dabei beispielsweise noch die Relation Frankfurt-Paris. Außerdem will er mit Transpartner Logistics Ende 2024 / Anfang 2025 noch ein Logistikzentrum im Süden von Freiburg aufbauen – mit Sozialräumen und leistungsstarken Lkw-Ladesäulen. „Mein Wunsch ist, ein Partner-Netzwerk aufzubauen, mit anderen Unternehmen und deren Ladestationen. Aber das ist ein Ding der Zukunft“, sagt der Mann, der schon heute ganz gewaltig am Morgen arbeitet.

Transpartner Logistics

Transpartner Logistics mit Sitz in Pratteln nahe Basel wurde vor rund 30 Jahren von Rade Vidakovic gegründet. Mittlerweile fungieren seine Söhne Goran und Zoran Vidakovic als Geschäftsführer und Dispoleiter. Das Unternehmen mit etwas mehr als 200 Mitarbeitern verfügt aktuell über eine Flotte von rund 150 Lkw der Marken Scania und Volvo. Neben dem Hauptsitz in Pratteln ist Transpartner Logistics mit Zweigniederlassungen in Polen, Slowenien und Litauen vertreten. Das Hauptaugenmerk liegt auf dem Post- und E-Commerce-Segment und auf Verkehren zwischen der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Benelux und Großbritannien.

Bis dato fährt das Unternehmen nur mit Diesel-Lkw. Eine geplante Anschaffung von LNG-Fahrzeugen wurde mit Beginn des Krieges in der Ukraine und der in der Folge steigenden Gaspreise wieder verworfen. Die in der Schweiz schon in ordentlicher Stückzahl im Einsatz befindlichen Hyundai Xcient Brennstoffzellen-Lkw sieht Goran Vidakovic aufgrund der begrenzten Reichweite kritisch. „Das ist für unsere Langstrecken-Verkehre nicht das richtige Konzept“, sagt der Geschäftsführer.

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