Truck-Race-Evolution E-Truck von Hahn Racing auf der Teststrecke

elektro, e-truck, race truck, e-race-truck, hahn, team hahn racing Foto: copyright richard kienberger 11 Bilder

Auf dem Iveco-Testgelände in Ulm fand der Rollout eines batterieelektrisch angetriebenen Renntrucks statt. Jochen Hahn hat den Prototyp mit seinem Team in nur einem Jahr auf die Räder gestellt.

Beim Blick in das Innere des Fahrerhauses sieht der Laie nur ein überraschend aufgeräumtes Cockpit, jedenfalls im Vergleich zu den bisher im Truckracing üblichen Baumustern. Die Frage, warum das so ist, führt schnell mitten hinein in die Komplexität des Projekts, dem sich das Team Hahn Racing im Herbst letzten Jahres verschrieben hat: Jochen Hahn und seine Mannschaft haben den ersten Prototypen eines batterieelektrisch angetriebenen Racetrucks aus dem Werkstattboden gestampft. Und von der Dimension der Aufgaben, die dafür zu bewältigen waren, bekommt man eine Ahnung, wenn Hahns Mitarbeiter Pascal Kirn, der Konstruktion und Bau des Fahrzeugs gemeinsam mit seinem Chef federführend betreut hat, die obige Frage beantwortet: "Bis jetzt haben wir in einem Renntruck viele konventionelle Schalter verbaut, die jeweils für die benötigten Funktionen zuständig waren. Im Elektrofahrzeug können diese über ein einziges High-Tech Steuergerät belegt werden. Aber so ein Steuergerät kostet ungefähr so viel wie ein gebrauchter Renntruck. Schon daran sieht man, dass das für ein Privatteam ohne Sponsoren beziehungsweise Systempartner nicht darstellbar ist."

Erste Runden auf dem Testoval von Iveco

Zwei Mitarbeiter eines dieser Systempartner sind dann auch vor Ort, als Hahn und sein Team auf dem Iveco-Testoval in Ulm anrücken, um den Elektroracer zum ersten Mal "richtig" fahren zu lassen. Die Techniker von Bosch müssen die Software erst einmal umprogrammieren – vor dem Rollout war die maximale Geschwindigkeit auf 20 km/h begrenzt. Reinsetzen und strombetrieben mit 160 durch die Steilwandkurven brettern? Das wäre sicher reizvoll, doch Jochen Hahn hat unendlich viel Geduld mit seinem Prototypen: "Wir müssen das ganz langsam angehen und uns Schritt für Schritt hocharbeiten. Das ganze Konzept ist neu, das muss man stufenweise testen, um zu sehen, ob die einzelnen Komponenten funktionieren. Das gilt für beide Bereiche, für mechanische Elemente ebenso wie für Elektrik und Elektronik." Hahn betont dabei mehrmals, dass er sich hier nicht als "Einzelkämpfer" sieht, sondern dass der Rollout ein "gemeinsames Herantasten" an immer höhere Geschwindigkeiten sei. Bei 120 km/h war im ersten Aufgalopp Schluss – aber damit der Spaß nicht völlig außen vor blieb, drehte Hahn am Ende des Tests noch ein paar Pirouetten auf dem Asphalt. Fazit: Für den Renneinsatz wäre der Truck noch nicht fit, aber die gesteckten Ziele wurden erreicht und erste Erfahrungen gesammelt, mit denen die weitere Entwicklung vorangetrieben werden kann. Der E-Racer fährt und funktioniert problemlos.

In einem Jahr auf die Räder gestellt

Nur ein Jahr benötigte das Team für den Bau des Stromboliden, was angesichts der Komplexität eine beachtliche Leistung ist. Im Elektro-Racetruck sind viele Komponenten verbaut, die bislang nicht im Renneinsatz verwendet wurden. So verfügt der Prototyp über Einzelradaufhängung, der Antrieb erfolgt über die Achsen, die auch von Nikola bzw. Iveco in den batterieelektrisch angetriebenen Baumustern eingesetzt werden. Hier gibt es zwei unterschiedliche Varianten, die von den Herstellern jeweils als das bessere Modell angepriesen werden: Einen zentralen Elektromotor, der seine Kraft über eine Kardanwelle überträgt (diese Variante verbaut zum Beispiel MAN). Oder eben das Modell mit Elektromotoren an der Hinterachse, das Iveco favorisiert. Zudem gibt es gravierende Unterschiede in der Konstruktionsweise, was nicht zuletzt dem Schutzkonzept für die Batterien geschuldet ist.

Heiße Diskussionen

Nachdem die Fotos vom Rollout auf Social Media gepostet waren, dauerte es erwartungsgemäß nicht lange, bis das Thema zum Teil kontrovers diskutiert beziehungsweise kommentiert wurde. Klar – viele Truckracefans lieben den kernigen Klang eines Dieselmotors (an dem sich auch mit Verwendung des nachhaltig erzeugten HVO-Diesels nichts geändert hat) und wollen sich nicht mit dem vergleichsweise leisen Surren eines elektrisch angetriebenen Renngeräts anfreunden. Aber wie so oft im Leben, gibt es auch hier zwei Seiten der Medaille. Einerseits sind die Fans so etwas wie die "Kunden" einer Sportart. Mag sein, dass es ein paar esoterische Rennserien von reichen Menschen gibt, die ohne Fans auskommen. Doch Truckracing war hier schon immer anders, zumal die Fans sehr oft auch beruflich mit Lkw zu tun haben und damit auch für Sponsoren von großem Interesse sind. Die Gesänge aus der Fankurve sind also von einiger Bedeutung.

Balanceakt zwischen Nachhaltigkeit und Emotion

Die andere Seite ist das gesellschaftliche Umfeld, das nicht zuletzt von Unternehmen verantwortungsvolles Handeln verlangt, was immer das im Detail bedeuten mag. Wer erinnert sich noch an die Rußschwaden, die in den Anfangsjahren beim Truckracing über die Strecke waberten? Heute undenkbar. Selbst die Formel 1 hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 klimaneutral zu werden. Die F1-Materialtransporte mit Lkw, war kürzlich in einem Zeitungsbericht zu lesen, wurden ebenfalls auf HVO-Diesel umgestellt und sparen damit 83 Prozent an klimaschädlichen Emissionen ein. Aber ohne Sponsoren wäre das heutige Niveau der Rennserie nicht erreichbar gewesen, Truckracing würde schnell zu einer unattraktiven Nischenbeschäftigung für einige Hardcore-Liebhaber im Paddock und auf den Zuschauertribünen.

Insofern hat Jochen Hahn sicher recht, wenn er über seinen Prototypen sagt: "Ich bin überzeugt, dass das die Zukunft unseres Rennsports ist." Wann die beginnen wird, steht auf einem anderen Blatt, da hierfür noch viele Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Das trifft ja für eine Rennserie mit Elektrofahrzeugen ebenso zu wie "im richtigen Leben", wo Skepsis angebracht ist, was die kurzfristige Schaffung der nötigen Infrastruktur für diese Antriebskonzepte betrifft. Nicht zuletzt geht es für die Rennteams auch um die Frage, welche Hersteller bzw. Unternehmen bereit sind, sich finanziell entsprechend zu engagieren. Aber wenn das alles geklärt ist, kann man auch noch einen Sound-Ingenieur engagieren, der sich um die Akustik der Elektroracer kümmert.

Unsere Experten
Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
Experte für Flottenmanagement und angewandte Mobilitätsangebote Rolf Lübke Mobilität, Fuhrpark (inkl. Wasserstoff-Expertise)
Truck Sport präsentiert von
Element Teaser Truck Sport Die ganze Welt des Truck Sports auf eurotransport.de

Truck Race, Truck Trial und Truck Rallye