Reportage Unterwegs mit der Asphaltfräse

Straßenbau Fräse Asphalt, Mercedes Actros, Fräsen, Schneiden, Räumen, Fräsdienst Foto: Jan Bergrath 10 Bilder

680 PS, 34 Tonnen schwer und 136 Meißel - eine Asphaltfräse kann beim Betrachter ganz schön Eindruck machen. FERNFAHRER und eurotransport.de haben die Spezialisten bei der Arbeit begleitet.

Die Vampir-Romane der Amerikanerin Stephenie Meyer sind sehr beliebt. „Bis(s) zum Ende der Nacht“ heißt in Deutschland etwa die vierte Folge - ein Wortspiel, dessen Variation sich auch für dieses Thema anbietet. Denn moderne Fräsmaschinen beißen sich ebenfalls fest, allerdings im Asphalt der Autobahnen. Vor Ort kennen sie keine Gnade. Sie scheuen jedoch nicht das Sonnenlicht.

So kommen sie Punkt halb zwölf aus dem Tunnel, der die nur fünf Kilometer lange Berliner Stadtautobahn A  103 vom Kreuz Schöneberg bis Steglitz etwa in der Mitte teilt: zwei Tieflader mit Begleitfahrzeugen, ein Tanklaster mit zwei Kehrmaschinen auf dem Anhänger sowie ein Kipper - ein mobiles Kommando. Mit acht Großfräsen, 44 Transporteinheiten und rund 100 Mitarbeitern ist das 1992 gegründete Unternehmen von -Enrico Feind heute die erste Adresse für -spezialisierte Straßenbauarbeiten in der Region Berlin und Brandenburg.

Zech fährt Actros und Asphaltfräse

Den jüngsten Sattelzug fährt Marcel Zech, genannt Zechi, das BF 3-Begleitfahrzeug steuert Michael Lehmann. Beide wohnen in Lübben und sind seit zwei Jahren ein festes Team. Zech fährt den Actros und die Asphaltfräse, Lehmann übernimmt die Höhenregulierung außen an der Fräse. Manchmal wird auch getauscht. „Bei uns kann jeder alles“, sagt Zech, der seine Karriere bei Feind mit einer kleinen mobilen Kehrmaschine begann, für jede neue Aufgabe neu angelernt wurde und jetzt schon seit 2008 auf der Großfräse steht. Norman Winkelmann, der das Projekt überwacht, ist selbst von der Großfräse zur Bauleitung aufgestiegen.

Die Mannschaft fackelt nicht lange, alle wissen, was zu tun ist, jeder Handgriff sitzt. Zech nimmt die Bedieneinheit für die Fräse mit in die Kabine. Über Nacht, wenn die -Maschine irgendwo draußen steht, wird sie mit drei Handgriffen ausgebaut - aus Sicherheitsgründen. Lehmann löst die vier Spannketten, mit denen die rund eine Million Euro teure Kaltfräse auf dem Tieflader gesichert ist, eine Spezialanfertigung von Doll. Vorsichtig setzt Zech die Fräse über die Heckrampe auf die Straße, dann fährt er den Tieflader noch schnell aus dem vorgesehenen Arbeitsbereich. Etwa 30 Minuten nach dem Eintreffen beißen sich die Zähne zum ersten Mal in den Asphalt. Obwohl, eigentlich sind es ja Meißel,  136 an der Zahl. Wie auch immer: Nichts hält den gehärteten Stahlwerkzeugen stand. Noch nicht einmal Beton.

A 103 wird stückweise saniert

Eine Strecke von 800 Metern liegt heute vor dem Team. Sie sind nicht das erste Mal vor Ort. Die A  103 wird stückweise saniert, im fließenden Verkehr. Eine Seite der Autobahn ist bereits frisch asphaltiert. Jetzt müssen die Fräsen vor und hinter dem Tunnel letztmalig ran. Ein Auftrag für zwei Tage harte Arbeit, übernachtet wird im Hotel. Für die Rückfahrt nach Lübben ist es zu weit. Daran hat sich Zech gewöhnt. Oft ist er eine ganze Woche draußen: Tagesbaustelle oder mal ein Dauerauftrag. So wie es kommt. Ein Job, der Augenmaß, Erfahrung und Gelassenheit fordert. Vor allem aber: Fingerspitzengefühl.

Die identischen Bedieneinheiten sind jeweils rechts und links der Kabine eingebaut. Zum einen kann Zech alle nötigen Daten ablesen, zum anderen über einen Joystick das Ungetüm steuern - wie ein Kinderspielzeug. Dabei ist die 680 PS starke W 210 von Wirtgen aus Windhagen der Mercedes unter den Kaltfräsen. Neun von zehn Maschinen auf deutschen Straßenbaustellen kommen vom Marktführer. Etwa 34 Tonnen wiegen sie mit vollem Wasser- und Dieseltank. Das gesamte Gewicht ruht auf vier lenkbaren Fahrwerken. „Ich kann alles fräsen außer einen 90-Grad-Bogen“, erläutert Zech. Die Verständigung im Leitstand ist schwierig. Läuft die Maschine, ist Gehörschutz vorgeschrieben. Die W  210 kann zwei Meter breit und bis 30 Zentimeter tief fräsen. Dabei wird die Walze mit den Meißeln kontinuierlich durch Wasser gekühlt. „Alle anderthalb Stunden müssen wir die Tanks mit 3.500 Litern wieder auffüllen“, sagt Zech. „Unser Kollege mit dem Mercedes Atego kreist den ganzen Tag um die Baustelle und schafft nur Wasser ran.“

4.000 Tonnen Asphalt müssen bewegt werden

Das Abfräsen einer Asphaltdecke ist eine logistische Meisterleistung. Nicht nur, dass die vom Bauunternehmen angeforderten Maschinen auf die Minute genau an der Baustelle eintreffen. Das gefräste Material muss ja auch irgendwie weg. Dazu verpflichtet die Disposition am Standort Lübben Subunternehmer mit Kipperzügen. Heute sind allein 13 Lkw bestellt. 4.000 Tonnen müssen sie bewegen. Asphalt ist Recyclingmaterial. Für die Lkw-Fahrer bedeutet das einen Rundlauf von etwa 70 Kilometern ins Mischwerk nach Trebbin an der B  101 zwischen Ludwigsfelde und Luckenwalde. Die Männer sind so disponiert, dass immer ein Lkw laden kann. Sonst stockt die Arbeit. „In Berlin und Brandenburg arbeiten wir immer mit den gleichen Firmen zusammen“, sagt Zech. „Deswegen klappt es meistens auch.“

Die Fräse ist jetzt auf vier Zentimeter Tiefe eingestellt. Das hat Lehmann von außen im Blick. Das ist die oberste Schicht. Zech fährt nur schrittweise vor, das Förderband ragt in den Kipper. Während dieser Zeit rieselt der Asphalt direkt in den Auflieger. Der Kipperfahrer muss dabei natürlich mitdenken und ihn im Rückspiegel im Blick behalten. Zech gibt ihm dafür eindeutige Zeichen. Zweimal Hupen heißt vorziehen, ein Signal anhalten. Bei vier Zentimetern reichen etwa 150 Meter, bis der Lkw mit rund 28 Tonnen voll beladen ist, bei 14 Zentimetern sind es nur 50 Meter. „Die Fahrer sollten schon immer in der Spur bleiben. Und sie müssen sich auf meine Zeichen konzentrieren. Sonst prasselt das Zeug auch schon mal aufs Dach.“
Anderthalb Tage lang fräst Zech seine Streifen in den Asphalt. Vor ihm markiert jemand die Bahn, hinter ihm kehrt ein anderer Kollege den Dreck weg. Insgesamt zehn Mitarbeiter sind hier im Einsatz. Lehmann unterschreibt die Frachtbriefe der Lkw-Fahrer. Die Arbeit ist gut bezahlt - auch wegen der Überstunden. Am Ende des zweiten Tages spritzen Zech und Lehmann zunächst die Asphaltrückstände von der Fräse ab und füllen sie für die nächste Schicht wieder mit Wasser auf. Schließlich tauschen sie in einer wahren Blitzaktion alle Meißel aus. Erst dann wird die Maschine wieder mit vier Ketten auf dem Tieflader gesichert. Sie steht so, dass der Förderarm genau auf dem Schwanenhals liegt. Am frühen Abend bricht das Team auf - über die A  100 zum Berliner Ring und von dort aus Richtung Dreieck Schwanebeck. Das ist der nächste Einsatzort.

Actros als Erholungsinsel

Im Gegensatz zum klassischen Fernfahrer ist für Zech die Fahrt in der Ruhe des Actros fast die reine Erholung. Der Weg ist nicht das Ziel, sondern die Arbeit auf der Straße. Mehr als 20.000 Kilometer pro Jahr legt er kaum zurück. Hin und wieder gibt es Ausflüge nach Mecklenburg. In Wittenburg und Schmölln unterhält Feind Niederlassungen. Auch im Harz und Hunsrück war Zech bereits. Das ist eine nette Abwechslung. Zech und Lehmann haben meist eine Fünf-Tage-Woche. „Die Disposition organisiert für uns natürlich auch die Hotels, die wir mit dem Zug anfahren können.“

An einer Tankstelle auf der A  10 füllt Zech Diesel nach. Etwa 1.000 Liter am Tag. Allerdings für die Fräse und nicht für den Actros. Der hat nur einen Tank für 450 Liter. Bis zu 60 Tonnen darf diese Kombination schwer sein. Der Tieflader aus der Panther-Reihe wurde von Doll eigens für Feind spezifiziert (siehe Kasten). Ein Nebengetriebe an der Zugmaschine ist jetzt nicht mehr nötig, lediglich die Bordspannung von 24 Volt wird eingesetzt, um die elektrohydrau-lische Auffahrrampe zu bedienen. Größter Clou ist die Einzelradaufhängung. „Sollte es einmal eine Reifenpanne geben“, so Zech, „kann ich die betreffende Achse anheben und bis zum nächsten Rastplatz fahren.“

Erst im Winter wird es ruhiger, in den ersten drei Monaten des neuen Jahres ruht die Arbeit. Die Transporteinheit mit der Fräse steht auf dem Firmengelände. Zeit also für Zech, sich über das Grundgehalt zu freuen und sich mehr um seine kleine Familie und seinen Bauernhof zu kümmern - bis(s) zum Frühjahr.

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