Profiwissen Bordnetz/Elektrik Spannung in schweren Nutzfahrzeugen steigt

DAF CF Hybrid Foto: DAF

Immer mehr Pkw und Transporter kommen mit 48-Volt-Bordnetzen auf den Markt, um mit Hybridantrieben CO2-Grenzwerte einhalten zu können. Wird sich die höhere Bordnetzspannung auch in schweren Nutzfahrzeugen durchsetzen?

Jahrzehntelang galt: Im Pkw versorgt ein 12-Volt-Bordnetz die Verbraucher mit Strom, in Nutzfahrzeugen beträgt die Bordspannung 24 Volt. Diese relativ geringe Spannung bringt einige Nachteile mit sich. Für Verbraucher mit großer Leistung sind entsprechend große Kabelquerschnitte nötig – das macht die Kabel schwer und dick. Doch Gewicht und Bauraum sind in modernen Fahrzeugen extrem relevant, Entwickler kämpfen um jedes Gramm und jeden Millimeter.

Hybridsysteme mit 48-V-Bordnetz senken CO2-Emissionen

Eine höhere Spannung ermöglicht bei gleicher Leistung geringere Ströme und damit dünnere Kabel. Zudem könnten Nebenaggregate mit höherer Leistung betrieben werden. Schon um die Jahrtausendwende gab es daher Versuche mit einem 42-Volt-Bordnetz; technisch war das bereits damals kein Problem. Die Fahrzeughersteller scheuten jedoch Aufwand und Kosten, zudem war das System nicht standardisiert, die Entwicklung wurde eingestellt. Seit einigen Jahren hat sich ein 48-Volt-Bordnetz etabliert, vor allem, um durch die mögliche Hybridisierung die strengen CO2-Grenzwerte einzuhalten und hohe Strafzahlungen zu vermeiden, und zwar 95 Euro je Fahrzeug pro Gramm über dem Grenzwert. "Es darf davon ausgegangen werden, dass es für Pkw-OEM künftig schwierig werden könnte, in der Mittel- und Oberklasse Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor auf den Markt zu bringen, die nicht zusätzlich mit einem 48-Volt-Energiebordnetz elektrifiziert sind", sagt Markus Rau, Entwicklungsingenieur beim Kabel- und Bordnetzspezialisten Leoni. Hybridsysteme ermöglichen auf kurzen Strecken rein elektrisches Fahren, entlasten den Verbrennungsmotor in Beschleunigungsphasen, laden die Batterie in Bremsphasen und senken so den Verbrauch und damit die CO2-Emissionen.

Der Automobilzulieferer Continental gibt für seine 48-Volt-Technologie mit Riemenstartergenerator eine nachgewiesene Kraftstoffersparnis von bis zu 21 Prozent im realen Stadtverkehr an. Auch für Transporter ist eine Hybridisierung sinnvoll, etwa, um beim Anfahren und Beschleunigen einen Boost-Effekt durch den zusätzlichen Elektromotor im Antriebsstrang zu haben. Mittlerweile haben mehrere Hersteller Transporter mit Hybridantrieb im Portfolio, Ford mit dem Transit sogar in der 1-Tonnen-Nutzlast-Klasse. Während in Hybrid-Pkw oder -Transportern ein 48-Volt-Startergenerator als zusätzlicher Antriebsmotor dient, würde sich der Einsatz eines 48-Volt-Netzes in schweren Nutzfahrzeugen hauptsächlich auf Nebenaggregate und eine effiziente Rekuperation beschränken. Komponenten, die heute noch mechanisch angetrieben werden, könnten künftig elektrifiziert werden, etwa Klima- und Luftkompressoren oder Servopumpen. Auch Start-Stopp-Anwendungen für Transporter oder Lkw im Verteilerverkehr lassen sich mit einem 48-Volt-System komfortabler realisieren, da ein kurbelwellengetriebener 48-Volt-Startergenerator den Motor schneller startet. In der Theorie klingt das gut, in der Praxis wird wohl kein Lkw mit 48-Volt-Bordnetz auf den Markt kommen. "Der Leistungshub von 24 auf 48 Volt ist für die meisten Nebenaggregate zu gering, da lohnen sich die hohen Entwicklungskosten nicht. Ich gehe davon aus, dass es gleich einen Sprung auf Hochvolt, beispielsweise 400 Volt, geben wird", sagt Markus Rau.

Hohe Anforderungen treiben Kosten in die Höhe

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Im Ford Transit Hybrid versteckt sich die 48-Volt-Batterie des zweiten Bordnetzes unter dem Sitz.

Tatsächlich liegt bei einem 48-Volt-Bordnetz die maximale Leistung bei Pkw derzeit bei etwa 20 kW – zu wenig für Aggregate wie große Kühlerlüfter, die beinahe die doppelte Leistung benötigen. Daher sieht der Experte künftig zwei Spannungslevel in Nutzfahrzeugen: das klassische 24-Volt-Bordnetz und ein Hochvolt-Bordnetz für den Antriebsstrang und gegebenenfalls Nebenaggregate. Bei gleicher Leistung eines Verbrauchers fallen der Kabelquerschnitt und das Kabelgewicht bei einer Spannung von 400 Volt um rund 90 Prozent geringer aus als bei einem 24-Volt-Bordnetz. Je nach Systemauslegung können diese Zahlen variieren, dennoch zeigen sie, wie groß das Potenzial der Hochvolttechnik ist. Rau gibt aber zu bedenken: "Man möchte die Aggregate ja mit höherer Leistung betreiben, für die sind dann wiederum größere Kabelquerschnitte nötig." Außerdem handelt es sich um ein zusätzliches Bordnetz, das eine eigene Batterie benötigt – unterm Strich wird es keine Gewichtsersparnis geben. Mittlerweile sind erste Hybrid-Lkw auf dem Markt, die zusätzlich zum 24-Volt-Bordnetz über ein Hochvolt-Bordnetz verfügen, etwa der DAF CF Hybrid.

Bei Scania kann ein Hybridantrieb für die Baureihen L, P, G und R geordert werden. Die große Lücke zwischen 48 und beispielsweise 400 oder 800 Volt erklärt sich durch besondere Maßnahmen zum Berührschutz, die ab einer Spannung von 60 Volt vorgeschrieben sind. Die hohen Anforderungen treiben die Kosten in die Höhe, eine Hybridisierung mit 60 oder 72 Volt ist nicht wirtschaftlich. Rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge mit einem Hochvolt-Bordnetz sind entsprechend abgesichert, aber auch entsprechend teuer. Im Fernverkehr werden sich batterieelektrisch angetriebene Lkw oder Busse nicht durchsetzen. Doch mehrere Hersteller arbeiten an der Brennstoffzellentechnologie, die wiederum ein Hochvoltsystem für die Elektromotoren benötigt. Spätestens dann werden auch Nebenaggregate elektrifiziert. Leistungshungrige Aggregate wie Kompressoren oder Lüfter lassen sich dann mit Hochspannung effizient betreiben, kleinere Komponenten wie eine E-Servopumpe könnten weiterhin vom 24-Volt-Bordnetz versorgt werden. Für die Zukunft steht eines fest: Mit nur einem Bordnetz lassen sich die vielfältigen Anforderungen an Antrieb, Nebenaggregate und Emissionen nicht bewerkstelligen – ohne ein weiteres Bordnetz geht es nicht.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Lao 06 Titel
lastauto omnibus 6 / 2020
20. Juni 2020
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