Schließen

Neue EU-Verkehrskommissarin Vorwissen Fehlanzeige

Foto: Republika Slowenija

Der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments hat der Ernennung von Violeta Bulc als Verkehrskommissarin zugestimmt. Die Slowenin hat nahezu keine politische Erfahrung.

Das Personalkarussell bei der Besetzung der Kommissarsposten hat sich zu Ende gedreht. Die Slowenin Violeta Bulc ersetzt den Slowaken Maros Sefcovic, der den EP-Verkehrspolitikern zuvor als Ideal­besetzung für das Amt schien. Doch nachdem die ursprüngliche slowenische Kandidatin für den Aufgabenbereich Energieunion, Alenka Bratusek, im Parlament gescheitert war, muss nun Sefcovic auf Geheiß von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker dieses Amt übernehmen. Als künftiger Vizepräsident der Kommission bleibt der Slowake als Quasi-Vorgesetzter von Bulc dem Verkehr nahe.

Die nachnominierte Bulc hatte den Abgeordneten am Montagabend in einer dreistündigen Befragung Rede und Antwort gestanden. Nach einer Vorbereitung von nur vier Tagen konnte eine vertiefte Fachkenntnis dabei nicht erwartet werden, anderen Kandidaten waren zwei Wochen zugestanden worden. Bulc zeigte sich aber engagiert und möchte dem − wie sie sagte − in Europa unterschätzten Transport die bedeutende Rolle zumessen, die ihm gebühre. "Sie dürfen mich als eine leidenschaft­liche Anwältin für diesen sehr wichtigen Bereich wahrnehmen", betonte sie.

"Ich lehne Sozialdumping ab"

Die 50-jährige Slowenin versuchte, es allen Fraktionen recht zu machen. Auf den Straßentransport bezogen sagte sie: "Ich lehne Sozialdumping nachdrücklich ab." Es sei aber nicht so einfach, Briefkastenfirmen zu verhindern, die Mitgliedstaaten müssten hierzu Informationen austauschen. Zu der unterschiedlichen Umsetzung der Lenk- und Ruhezeiten und drastischen Strafen in Frankreich befragt, gestand Bulc ihre Unkenntnis ein: "Ich muss mich da erst einmal schlaumachen", sagte sie. Sie sei aber für gemeinsame Regeln. Hier müsse es eine Untersuchung geben und dann eventuell gehandelt werden.

Die derzeitigen Kabotage-Regelungen müssten auf den Prüfstand und mit der "grünen Agenda" der Kommission in Einklang gebracht werden, zeigte sich Bulc überzeugt. "Ich würde mich immer dafür einsetzen, dass die Laster voll beladen fahren", unterstrich sie. Die entsprechenden Regelungen der 90er-Jahre müssten auf ihre Aktualität hin analysiert werden. "Wenn wir dann finden, dass eine Änderung nützlich wäre, würde ich sie befürworten." Die Kabotage sei ein guter Ansatz um Verkehr  zu optimieren, auch in diesem Bereich müssten immer neue Möglichkeiten ausprobiert werden.

Ziele klarer kommunizieren

In Bezug auf Mautregelungen bekannte sich Bulc, die mehrere Jahre als Unternehmensberaterin tätig war, zu dem Prinzip, dass Nutzer und Verschmutzer zahlen. Dabei müsse der Gleichheitsgrundsatz gewahrt bleiben: "Es darf keine diskriminierenden Angebote oder Vorschläge geben." Eine kostengerechte Preisgestaltung sei dabei eine gute Idee.

"Wenn ich meine künftigen Aufgaben in einem Wort zusammenfassen müsste, hieße das: Menschen", sagte Bulc. Sie glaube an ständige Kooperation und Kommunikation, so die Slowenin, die im September ihr erstes politisches Amt als Ministerin für Entwicklung übernommen hatte. "Wir müssen klarer kommunizieren, was unsere Ziele sind." Das Wichtigste sei für sie, eine konstante Offenheit und die Suche nach dem Dialog. Wenn Menschen an einem Tisch säßen, finde man mit guter Absicht auch eine Lösung.

Bulc war nicht nur ihre mangelnde Kenntnis des Politbetriebs, sondern auch ihre esoterisch erscheinende Ausrichtung vorgeworfen worden. Immerhin hält die künftige Kommissarin nicht damit hinter dem Berg, dass sie bereits über glühende Kohlen gegangen ist und eine Ausbildung als Schamanin hinter sich hat. "Ich bin keine Politikerin im klassischen Sinne", ­sagte Bulc. Sie sei aber seit 20 Jahren aktiv in einem politischen Umfeld.

"mit einer beeindruckenden Qualität, schnell zu lernen"

Insgesamt jedenfalls hat die Vorstellung ausgereicht. Bei einer Ablehnung von Bulc wäre auch der Zeitplan von Kommissionspräsident Juncker ins Wanken geraten. Sein Sprecher kommentierte die Anhörung mit den Worten: "Bulc kam als direkt, gut vorbereitet herüber, mit einer beeindruckenden Qualität, schnell zu lernen." Der Koordinator der Konservativen im EP-Verkehrsausschuss, Wim von de Camp, sagte, Bulc habe eine "gesunde Präsentation" geliefert. "Sie scheint eine intelligente Frau zu sein und hat einige starke Aussagen gemacht: kein Sozialdumping und mehr Investitionen." Er gehe davon aus, dass sie sich die Details des Transport-Dossiers schnell aneigne.

Gesine Meißner (FDP), die sich Bulc politisch nahe fühlt, sagte, die Slowenin habe "heiße Eisen" angepackt und detailliert geantwortet. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses, Michael Cramer (Grüne), gestand Bulc zu, dass sie in den ihr zur Verfügung stehenden vier Tagen viel gelernt habe. Die Sozialdemokraten konnten sich mit dem neuen Job von Sefcovic und einer Umbesetzung im Verkehrsressort einen weiteren Vize-Präsidentenposten in der Kommission sichern. Bulc kann wohl am 1. November die Arbeit aufnehmen.
Regina Weinrich

Zur Person

Violeta Bulc wurde 1964 im slowenischen Novo mesto geboren. Sie studierte in Ljubljana Informatik und Computerwissenschaften und erlangte 1991 einen Master of Science in Informationstechnologie an der Golden Gate University in San Francisco. Die Prüfung zum Master of Business Adminis­tration (MBA) legte sie 2004 an der Bled School of Management in Slowenien ab. Bulc war seit September dieses Jahres stellvertretende Premierministerin ihres Landes und Ministerin für Entwicklung. Außerdem leitete sie ihr Beratungsunternehmen Vibacom mit den Schwerpunkten nachhaltige Strategien, Innovation und Ökosysteme. Der slowenische Premierminister Miro Cerar hatte Bulc gegen den Willen seiner Koalitionspartner nominiert.

Unsere Experten
Harry Binhammer, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Harry Binhammer Fachanwalt für Arbeitsrecht
Experte für Flottenmanagement und angewandte Mobilitätsangebote Rolf Lübke Mobilität, Fuhrpark (inkl. Wasserstoff-Expertise)
Aktuelle Fragen Bullenfänger illegal? Sind Bullenfänger in Deutschland erlaubt? Arbeitszeit: Anfahrt zum Stellplatz Ist die Anfahrt zum Lkw-Stellplatz Arbeitszeit? Digitacho (Nachrüstpflicht) Gibt es eine Digitaltacho-Nachrüstpflicht für alte Lkw?
Betriebsstoffliste 2023
Mehr als 2.500 Produkteinträge

Immer auf dem neuesten Stand: Die DEKRA Betriebsstoffliste 2023

Kostenloser Newsletter
eurotransport Newslettertitel Jetzt auswählen und profitieren

Maßgeschneidert: Die neuen Themen-Newsletter für Transportprofis.

Who is Who
Who is Who Nutzfahrzeuge 2019 WHO IS WHO Nutzfahrzeuge

Alle Hersteller, Zulieferer und Dienstleister für Nutzfahrzeugflotten.

eurotransport.de Shop
Web Shop Content Teaser Der Shop für die, die es bringen.

Zeitschriften, Bücher, Lkw-Modelle, Merchandising und mehr.