Fahreralltag in der Krise Profis kontra Corona

stefanie, ardovara Foto: Stefanie Ardovara 9 Bilder

Seit dem Beginn der Coronakrise arbeiten viele Fahrer unter erschwerten Bedingungen. In einer der Sendungen von "FERNFAHRER live" im April haben wir mit einigen gesprochen. Stellvertretend für alle Fahrerinnen und Fahrer, die als echte Profis der Versorgung unterwegs waren, stellen wir hier vier Kollegen vor.

Die Menschen im Raum Stuttgart werden wohl geahnt haben, was im April auf sie zukommt: Kontaktsperre mit erschwerten Einkaufsmöglichkeiten. Als Markus Gödde am frühen Montag mit seiner Ladung bei Bauhaus in Stuttgart-Vaihingen ankommt, stehen die Kunden bereits Schlange. "Kaum haben wir mit der Entladung begonnen, haben die Leute zugeschlagen."

"Das einzig Positive sind leere Autobahnen."

Rund 200 spanische Olivenbäume hat er geladen, zum Teil für Stuttgart, zum Teil für Aalen. Zurück geht es mit Zucker wieder nach Spanien, wo Markus Gödde seit Jahren mit seiner Frau bei Murcia wohnt. In der ersten Sendung von "FERNFAHRER live" am 2. April spricht er noch von einem entspannten Fahren. "Das einzig Positive ist in dieser Zeit, dass die Autobahnen relativ leer sind, dafür sind die Rastplätze mit wartenden Kollegen voll. Die Restaurants selbst sind zum Teil geschlossen. Es ist eine harte Zeit, die wir überstehen müssen. Es hängt davon ab, wie lange die Krise anhält. Ich habe schon Sorgen um meine berufliche Existenz."

Kurz danach steht der Lkw bei Markus vor der Tür. In Spanien wird die vollständige Ausgangssperre beschlossen. Alle Betriebe, die nicht gerade Lebensmittel oder Obst und Gemüse produzieren, sind geschlossen. Mit seinem Planenzug hat er schlechte Karten. Und so hat er eine Frage an den Fachanwalt für Arbeitsrecht, Harry Binhammer (siehe Seite 39), den Gast der zweiten Sendung. "Was mich interessieren würde, ob ich den Festlohn später bekomme oder ob ich wegen Corona darauf verzichten muss", so Gödde. "Ich kann leider persönlich kein Kurzarbeitergeld beantragen, da ich ohne Lkw nicht nach Deutschland einreisen darf."

Für Binhammer ist der Fall klar. "Da es ja nicht die Aufgabe des Fahrers ist, den Lkw auszulasten und für Aufträge zu sorgen, bleibt das Risiko beim Arbeitgeber", erklärt er. "Kurzarbeit geht auch nur, wenn sie rechtzeitig vorher beantragt und vom Arbeitnehmer auch zugestimmt wurde. Ansonsten besteht der Anspruch des Fahrers auf Lohn in voller Höhe." Kurz vor Redaktionsschluss schreibt Markus, dass es doch wieder eine Ladung Olivenbäume gibt.

Sven Acker war noch bis zum praktisch letzten Tag für Buck Transporte mit Malz in eine Brauerei bei Bergamo gefahren, immer ruhig und mit Schutzmaske an der Abladestelle. Bis plötzlich zwei Drittel der Touren nach Italien abgesagt wurden. Nun fährt er mit seinem Schubboden überwiegend innerdeutsch. "Ich persönlich hatte bislang kaum Einschränkungen in der Krise. Bei vielen Firmen wird der Toilettengang untersagt, und die Verpflegung muss unterwegs ziemlich auf Selbstversorgung umgestellt werden. Das einzig Positive ist der Verkehr. Selbst in Ballungsgebieten ist kaum bis gar kein Stau."

Schlimme hygienische Bedingungen

In der Sendung am 9. April mit dem Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Autohöfe (VEDA), Alexander Quabach, bringt er diesen Notstand der Versorger der Nation mit vier anderen Kollegen zum Ausdruck. In einem Brandbrief an die zuständigen Minister der Bundesländer hat Quabach mittlerweile gefordert, dass es zumindest für Lkw-Fahrer die Möglichkeit geben müsse, in den derzeit geschlossenen Restaurants einzeln an den Tischen zu essen. Durch das Parkticket würden sie sich ja legitimieren. "Für mich muss das nicht sein", lacht Sven, "ich bin im Großen und Ganzen Selbstversorger."

Mit den anfänglichen Grenzstaus und den schlimmen hygienischen Bedingungen auf den Zollhöfen oder an den Ladestellen hatte vor allem Stefanie Ardovara zu kämpfen. Zusammen mit ihrem Bruder Daniel fährt sie für Ardovara Transport, Deutschlands höchstgelegene Spedition auf 1.200 Metern in Oberjoch. "Die längeren Wartezeiten an den Grenzübertritten durch Kontrollen und an Zollämtern wegen der verschärften Hygienevorschriften durch Corona haben schon ziemliche Probleme bereitet", so Stefanie. "Unterwegs gab es sehr viele Einschränkungen dadurch, dass viele Restaurants und Autohöfe kein Essen mehr anbieten. Lästig ist auch die Suche nach Duschen und Toiletten unterwegs, da einige geschlossen sind."

stefanie, ardovara Foto: Stefanie Ardovara
Auf den Touren zwischen Italien und Belgien stand Stefanie Ardovara immer wieder stundenlang im Stau – so wie hier bei Bregenz.

Auch Stefanie ist nun zur Selbstversorgerin geworden. "Etwas, wogegen ich mich die letzten zwölf Jahre, die ich nun fahre, immer gewehrt habe, weil ich so gerne essen gehe." Auch sie fragt sich, wie es weitergehen wird. "Der Markt und auch die Gesellschaft sind zurzeit komplett im Umbruch. Durch unseren gemischten Fuhrpark und langjährige Kunden geht es bei uns momentan noch weiter. Wir haben zu fahren, und wir hoffen, dass dies so bleibt."

Für Jörg Blommel von Resing aus Gescher hat sich bislang nicht so viel geändert. Er fährt weiter Garne und Stoffe in dieselben Betriebe, sogar in die JVA Wuppertal. "Derzeit haben wir noch gut zu tun. Viele Betriebe, die wir mit Stoffen und Garnen beliefern, haben umgestellt und produzieren jetzt in der Krise Schutzmasken."Auch Jörg fragt sich, wie lange das gut geht. "Bei einigen Kunden komme ich auch nicht mehr rein, Stichwort Toilette. Bei anderen ist es kein Problem, sodass ich klarkomme. Sanifair ist auf meiner Strecke überall frei, das ist schon mal gut. Zum Thema Zukunft können wir nur hoffen, dass es bald wieder anläuft, sonst wird man irgendwann Menschenleben gegen wirtschaftliche Schäden aufrechnen."

In der vierten Sendung von "FERNFAHRER live" steht er deshalb ganz auf der Seite von EU-Europaparlamentarier Ismail Ertug und teilt die Forderung, dass nach der Krise nun das Mobilitätspaket auf jeden Fall im Juni/Juli die letzte Hürde der finalen Abstimmung im Plenum nehmen muss, egal, ob die Abstimmung dann per Videokonferenz stattfindet. Denn in nahezu jeder Sendung taucht der Vorwurf auf, dass die Frachtführer aus Osteuropa auch in der Krise für den brutalen Verfall der Preise am Frachtmarkt mitverantwortlich seien, und deshalb gehören die Vorschriften konsequent kontrolliert. Sonst bliebe es wohl bei den Zuständen, die unter dem Titel "Fahrer in Einzelhaft" auf eurotransport.de beschrieben sind.

Dieser Artikel stammt aus diesem Heft
Fernfahrer 06 2020 Titel
FERNFAHRER 06 / 2020
2. Mai 2020
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