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Gesetz Rechtzeitig retten

Lkw und Pkw auf einer Autobahn Foto: Alev Atas/ETM

Ein neues Gesetz soll angeschlagenen Unternehmen helfen, sich einfacher und schneller zu sanieren. Ein Instrument ist etwa ein dreimonatiges Schutzschirmverfahren bei drohender Überschuldung.

Das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) soll die Rahmenbedingungen für die Sanierung von Unternehmen in der Insolvenz verbessern. "Insgesamt wollen wir durch das neue Gesetz einen Mentalitätswechsel für eine neue Insolvenzkultur in Deutschland einleiten", so das Bundesjustizministerium. Ein Insolvenzverfahren soll demnach nicht Ausdruck eines persönlichen Versagens und wirtschaftlichen Scheiterns sein, sondern könne die Chance zur Sanierung bieten.

Ein wesentlicher Punkt  ist etwa, die Gläubiger frühzeitig an der Verwalterauswahl zu beteiligen. Ein vorläufiger Gläubigerausschuss soll "bei bestimmten Unternehmen ein wichtiges Mitspracherecht bei der Auswahl des Insolvenzverwalters und der Anordnung der Eigenverwaltung" haben.

Befürwortet der Gläubigerausschuss die Eigenverwaltung, soll das Gericht daran gebunden sein

"Ein solcher vorläufiger Gläubigerausschuss war zwar auch bislang bereits im vorläufigen Insolvenzverfahren in beratender Funktion möglich, jedoch nicht mit den nunmehrigen Kompetenzen und zu einem so frühen Zeitpunkt", sagt dazu Frank Hanselmann, Fachanwalt für Insolvenzrecht in Würzburg. Befürwortet der Gläubigerausschuss etwa die Eigenverwaltung, soll das Gericht daran gebunden sein. Auch Vorgaben des Ausschusses zur Person des Verwalters sollen unter bestimmten Umständen bindend sein.

Die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses ist nur bei bestimmten Kriterien zwingend. Etwa muss das Unternehmen im Geschäftsjahr vor der Insolvenz zwei von folgenden drei Merkmalen erfüllt haben: Bilanzsumme von mindestens  4,84 Millionen Euro nach Abzug eines auf der Aktivseite ausgewiesenen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrags, mindestens 9,68 Millionen Euro Umsatzerlöse sowie im Jahresdurchschnitt mindestens 50 Mitarbeiter.

Vorläufiger Gläubigerausschuss kann eingesetzt werden

Kleinere Speditionen erreichen diese Schwellenwerte eher selten. Das Insolvenzgericht kann aber trotzdem auf Antrag einen vorläufigen Gläubigerausschuss einsetzen, wenn zur Amtsübernahme bereite Mitglieder benannt werden. "Da diese gesetzgeberische Empfehlung für die Insolvenzgerichte nicht zwingend ist, bleibt abzuwarten, wie sich die Praxis hierzu entwickeln wird", meint Hanselmann.

Der Anwalt sieht zudem durch die Neuregelung die Gefahr, dass einzelne Gläubigergruppen durch ihren Einfluss auf die Verwalterauswahl versuchen, einseitige Interessen durchzusetzen. Die  Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters sei aber ein maßgeblicher Faktor im Insolvenzverfahren.

Ein weiterer Punkt des ESUG ist die Schaffung eines Schutzschirmverfahren: Ist ein Unternehmen überschuldet oder droht eine Zahlungsunfähigkeit, soll es jetzt die Möglichkeit haben, innerhalb von drei Monaten in einer Art Schutzschirmverfahren unter Aufsicht eins vorläufigen Sachverwalters an einem Sanierungskonzept zu arbeiten. Das Konzept kann anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden. In diesen drei Monaten darf das Gericht weder einen Insolvenzverwalter bestellen, noch den Schuldner in der Verfügungsbefugnis über sein Vermögen beschränken.

Anreize durch Schutzschirmverfahren

"Mit dem neu geschaffenen Schutzschirmverfahren sollen Anreize für eine frühzeitige Insolvenzantragstellung geschaffen werden", sagt Rechtsanwalt Hanselmann. Bei der Wahl des Sachverwalters rät er dazu, jemanden auszuwählen, der in Insolvenzsachen erfahren ist. Das kann etwa ein Fachanwalt oder ein  Wirtschaftsprüfer sein: "Die professionelle Vorbereitung und Durchführung des Verfahrens  ist der Schlüssel zum Erfolg." 

Eingebettet ist das Schutzschirmverfahren laut Hanselmann in die Eigenverwaltung. Für einen Antrag auf das Verfahren beim Insolvenzgericht muss eine Bescheinigung vorgelegt werden, "aus der sich ergeben muss, dass drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, aber noch keine Zahlungsunfähigkeit vorliegt und die angestrebte Sanierung  nicht offensichtlich aussichtslos ist."

Hürden für den Zugang zum Eigenverwaltungsverfahren wie etwa eine bestimmte Unternehmensgröße seien nicht vorgesehen, so dass auch kleine Unternehmen das Instrument der Eigenverwaltung beanspruchen können.

Laut dem Fachanwalt ist das Schutzschirmverfahren also dem eigentlichen eröffneten Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung vorgeschaltet. "Wenn das Schutzschirmverfahren richtig angewandt und dementsprechend sehr frühzeitig bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit der Weg zum Insolvenzgericht gesucht wird, eröffnet es sehr gute Sanierungschancen."

Dept-equity-swap heißt das neue Sanierungsgesetzes

Die dritte Säule des neuen Sanierungsgesetzes betrifft den Ausbau und die Straffung des Planverfahrens: Im Rahmen des Planverfahrens soll es den Unternehmen möglich sein, als Sanierungsinstrument auch Forderungen von Gläubigern in Gesellschaftsanteile umzuwandeln – dept-equity-swap heißt das dann. Außerdem wurden die Rechtsmittel gegen die Planbestätigung moderat beschränkt.

Hanselmann sieht dies positiv: "Das Instrument des Planverfahrens wurde sinnvoll ausgebaut." Einzelne Gläubiger können nun nicht mehr in missbräuchlicher Weise das Wirksamwerden des Plans verhindern, was zur  Verfahrensbeschleunigung beitrage.

Die Stärkung des Vollstreckungsschutzes nach Verfahrensabhebung ist die vierte Säule des neuen ESUG. Damit soll vermieden werden, dass Forderungen, die im Insolvenzverfahren nicht angemeldet wurden und erst nach Abschluss des Planverfahrens geltend gemacht werden, die Finanzplanung nachträglich stören. Der Schuldner hat laut dem ESUG also die Möglichkeit, bei Vollstreckungsversuchen nach der Verfahrensaufhebung über das Insolvenzgericht einen Vollstreckungsschutz zu erhalten. Außerdem werden die Verjährungsfristen für verspätete Forderungen auf ein Jahr verkürzt.

Neu geschaffenen Möglichkeiten als strategische Option

Laut Frank Hanselmann werden vor allem größere Unternehmen die im Rahmen des ESUG neu geschaffenen Möglichkeiten als strategische Option nutzen. Kleinere und mittlere Unternehmen würden aber in einer Krise nach immer dem gleichen Handlungsmuster verfahren: den Insolvenzantrag vermeiden, und sei es auf Kosten einer Insolvenzverschleppung. Nicht selten werde erst dann Insolvenzantrag gestellt, wenn bereits Löhne  rückständig sind und das Unternehmen über keine oder nur noch sehr geringe Liquidität verfügt. "Ob die Gesetzesänderung  diese seit Jahrzehnten verfestigte Mentalität verändern wird, erscheint angesichts der gestiegenen Anforderungen an die Vorbereitung der Insolvenz zumindest für kleinere und mittlere Unternehmen eher fraglich", sagt der Fachanwalt für Insolvenzrecht.

Das neue Gesetz

Das Gesetz zu weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) ist am 1. März in Kraft getreten. Wesentliche Punkte des neuen Gesetzes sind:

  • Stärkung der Gläubigerautonomie
  • Schaffung eines Schutzschirmverfahrens
  • Ausbau und Straffung des Planverfahrens
  • 
Stärkung des Vollstreckungsschutzes nach Verfahrensaufhebung
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