Ein einsamer Tod Mordkommission ermittelt an der Autobahn

Toter Fernfahrer auf der A6 Foto: BeckerBredel, Saarbrücker Zeitung

Auf einem Parkplatz der Autobahnraststätte Homburg/Saar wurde der ukrainische Fahrer eines polnischen Transportunternehmens am Sonntagabend, dem 14. Januar, in seinem Lkw mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen. Eine Mordkommission bittet um Mithilfe.

Es ist ein erschütternder Fall, der meines Erachtens allerdings eng mit den aktuellen Entwicklungen im internationalen Straßengütertransport zusammenhängt. Am Montag, 15. Januar, vermissten die Mitarbeiter des polnischen Transportunternehmens SAS Trans einen ihrer ukrainischen Fahrer. Er war nicht zur vereinbarten Zeit an die geplante Ladestelle gekommen. Einer der Mitarbeiter fand ihn nach der Fahrzeugortung per GPS schließlich tot im Fahrerhaus seines roten MAN und alarmierte die Polizei. Die Obduktion ergab, dass der Fahrer "durch stumpfe Gewalt gegen den Kopf" verstorben ist. Die Rechtsmedizin hat den möglichen Todeszeitpunkt auf etwa 18 Uhr am Sonntagabend, 14. Januar, ermittelt. Der Lkw hatte von Samstagmorgen ab 06:42 Uhr dort gestanden. 

Datenschutz geht vor Klärung eines Mordes

Das Landespolizeipräsidium Saarland hat eine Mordkommission eingerichtet, die "MoKo Rastplatz". Ich habe länger mit ihr telefoniert, weil mir das Muster dieses Falles aus meinen Beobachtungen der Entwicklung im Transportgewerbe sehr bekannt vorkommt. Die Mordkommission ermittelt in alle Richtungen und schließt auch einen Streit unter den Fahrern nicht aus. Am Sonntag waren dort rund 25 Lkw abgestellt. Ob das Opfer zur Tatzeit Alkohol getrunken hat, wie ich vermute, wurde zwar ebenfalls geklärt, wird aber aus ermittlungstechnischen Gründen derzeit nicht bekannt gegeben. 

Im Grunde wäre es relativ einfach über die Mautdaten herauszufinden, welche Lkw in dem besagten Zeitraum dort spätestens am Samstag geparkt und dann frühestens am Sonntagabend weiter die A 6 Richtung Reinland-Pfalz genommen haben. Doch selbst bei einem Mord kommen die Ermittler nicht ohne weiteres an die Daten von Toll Collect. Nach wie vor genießt der Datenschutz in Deutschland einen hohen Stellenwert. Im Falle eines rumänischen Lkw-Fahrers, der im Raum Freiburg eine Joggerin ermordet hatte, konnte ihn die Polizei schlussendlich mit Hilfe der Mautdaten aus Österreich überführen.

Die Polizei bittet um Mithilfe

Die Polizei bittet nun Zeugen, die zwischen Samstag (13.01.2018, 06:42 Uhr) und Sonntag (14.01.2018, 18:00 Uhr) an der Tank- und Rastanlage bei Homburg Auffälligkeiten beobachtet haben, die mit der Tat in Zusammenhang stehen könnten, sich unter der Rufnummer 0681/962-2133 beim Kriminaldauerdienst zu melden.
Auch ich habe dies getan und der Polizei meine These erzählt. Denn ganz besonders erschreckt mich persönlich, dass dieser für mich mutmaßliche Totschlag im Affekt so ziemlich genau dem entspricht, was ich im Finale meines Kriminalromans "Spur der Laster" als fast perfektes Verbrechen fiktiv erzählt habe. Deswegen interessiert mich dieser Fall auch so. Im Roman geraten an einem langen Wochenende betrunkene Fahrer aus Frust und Langeweile aneinander. Ein Toter bleibt zurück, die möglichen Täter sind in alle Himmelsrichtungen unterwegs. 

Immer mehr Vorfälle unter Alkohol

Dass es solche Fälle auch in der Realität gibt, zeigt ein nicht lange zurückliegender Fall auf dem SVG-Autohof Eifeltor. Dort gerieten drei stark angetrunkene Fahrer aus Rumänien in Streit. Ein Fahrer musste nach Handgreiflichkeiten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Wie groß das Thema Alkohol mittlerweile geworden ist, zeigt nicht nur der schlimme Unfall durch einen betrunkenen Fahrer aus der Ukraine am Mittwoch nach Weihnachten. Auf der A 2 hat nun die Polizei Mitte Januar einen ebenfalls betrunkenen Fahrer aus Polen aus dem Verkehr gezogen. Und wie schlimm das Problem besonders an den Wochenenden geworden ist, zeigt diese vorsorgliche Kontrolle der Autobahnpolizei an der A 61 in Rheinland-Pfalz: sieben von 16 Lkw-Fahrern wurde am Sonntagabend die Weiterfahrt untersagt.

Ost-West-Wanderung der Fahrer

Für mich trägt ein neues Problem wesentlich zu dem von mir nun wiederholt beschriebenen Phänomen der "sozialen Verwahrlosung" mancher Fahrer aus Osteuropa bei: die neue Ost-West-Wanderung der Fahrer. Allein in Deutschland hat die Beschäftigung von Fahrern aus dem Ausland laut BAG mit rund 15 Prozent eine neue Dimension erreicht. Die meisten davon kommen aus dem grenznahen Polen, immer öfter aber auch aus Rumänien und Bulgarien. Viele arbeiten hier nach dem Rhythmus drei Wochen fahren, eine Woche frei.

Da aber gleichzeitig die Anteile der ausländischen Lkw, allen voran der polnischen Firmen, bei der deutschen Mautstatistik weiter steigen, rekrutieren die dortigen Firmen immer öfter Fahrer aus der Ukraine, aus Moldawien oder aus Weißrussland. Bilaterale Abkommen mit diesen Nicht-EU-Staaten machen das möglich. Ein Thema, dem ich mich gesondert widmen werde, weil es sonst hier den Rahmen sprengen würde. Wer zwischen Weihnachten und dem ersten Wochenende im neuen Jahr auf deutschen Autobahnen unterwegs war, wird festgestellt haben, wie viele ausländische Lkw dort auf öffentlichen und privaten Parkplätzen abgestellt waren. 

Sozialdumping in neuem Ausmaß

Ein Transportunternehmer aus Rinteln hat zwischen Weihnachten und Neujahr ein Video bei Facebook eingestellt. Es zeigt einen erheblichen Teil der Flotte der polnischen SAS Trans, die auf einem umzäunten Gelände abgestellt waren. Für die Rückkehr nach Hause, so hat mir der Unternehmer erzählt, wurden zwei große Busse eingesetzt. Nach Neujahr kamen die Fahrer in kleineren Gruppen mit Kleinbussen zurück und sollen dort unter üblen Umständen mehrere Tage bis zur individuellen Abfahrt nach dem Wochenende ohne wirklichen Zugang zu sanitären Einrichtungen in und um ihre Lkw herum gehaust haben. Alkohol inbegriffen. Zweimal habe ich bei SAS Trans schriftlich nachgefragt, wie viele Fahrer aus der Ukraine dort beschäftigt sind. Es kam keine Antwort, möglicherweise hängt das mit den laufenden Ermittlungen zusammen. 

Am Wochenende weiter im Lkw - trotz der Verbote

Ich habe das auch mit der ermittelnden Kripo diskutiert: nach jeder Logik der derzeitigen Entwicklung im Transportgewerbe sind diese Fahrer, egal welcher Nationalität, mehrere Wochen am Stück im Lkw unterwegs und verbringen offenbar auch die Wochenenden weiter dort, entgegen der nun bestehenden Verbote in Belgien, Frankreich, den Niederlanden und Deutschland. Für die Fahrer aus der Ukraine kommt meines Erachtens erschwerend hinzu, dass sie wahrscheinlich selbst auf der regelmäßigen Relation zwischen Polen und Frankreich, die SAS fährt, nicht regelmäßig nach Hause kommen. Das alles steigert einfach den Frust ins Unerträgliche. 

Für einen Mord oder Totschlag gibt es immer ein Motiv. Nach allem, was ich weiß, hat der Fahrer seinen mutmaßlichen Mörder vielleicht ins Fahrerhaus gelassen - oder sich verletzt dort noch hingeschleppt. Nach dem Anschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt mit einem polnischen Lkw, dessen Fahrer während seiner Ruhezeit mitten in Berlin im Lkw erschossen wurde, ist meiner Meinung nach davon auszugehen, dass kaum ein Fahrer aus Osteuropa fremde Leute in seinen Lkw lässt. Der Lkw wurde nicht entwendet, es wurde kein Diesel geklaut, auch keine Ware. Für mich ist es mit großer Wahrscheinlichkeit eine Beziehungstat unter Fahrern, die zulange unterwegs sind, bei der das Opfer weit der Heimat einsam gestorben ist. Ich kann nur hoffen, dass die Polizei den Täter bald findet. Ob die deutschen Fahrer dabei als Zeugen wirklich von großer Hilfe sein werden, wage ich allerdings zu bezweifeln. Die meisten werden zur mutmaßlichen Tatzeit am Sonntagabend wohl daheim bei ihren Familien gewesen sein. 

Wie die Mordkommission vor Ort gearbeitet hat, zeigt dieser Bericht der Saarbrücker Zeitung.

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