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Branche apelliert an neue Bundesregierung Klimaziele unter Druck

LNG-Tankstelle Uniper Meyer Logistik

Eine verbesserte Umweltbilanz bleibt für die Transportbranche auch unter einer neuen Bundesregierung ein wichtiges Thema. Mögliche Abstriche der Politik bei den Klimazielen stoßen hier nicht nur auf Zustimmung. Einen Beitrag zu weniger CO2-Emissionen kann der geplante Ausbau der LNG-Infrastruktur leisten.

Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) betont, dass mit dem Ergebnis der Sondierungsgespräche zwischen Union und SPD keine Klimaziele aufgegeben wurden. Das Ziel, die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent unter das Niveau von 1990 zu bringen, sei vielmehr als nicht mehr erreichbar eingeschätzt worden. "Die Politik legt ja jetzt nicht die Hände in den Schoß", sagte BGL-Hauptgeschäftsführer Prof. Dirk Engelhardt. So würden beispielsweise "die Feldversuche mit Oberleitungs-Lkw in Hessen, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg unverändert durchgezogen".

Gewerbe setzt verbrauchsarme Fahrzeuge ein

Die Politik führe die bisherigen Anstrengungen von Verladern und Logistikern zum Klimaschutz nicht ad absurdum, erläuterte Engelhardt. Und da der CO2-Ausstoß eines Lkw linear vom Spritverbrauch abhänge, gehöre das Gewerbe von jeher zu den Klimaschützern und setze möglichst verbrauchsarme Fahrzeuge ein. Werde das Ziel nicht erreicht, gebe es im Prinzip nur zwei Möglichkeiten, sagte er. "Entweder waren die Maßnahmen zu seiner Erreichung nicht ausreichend dimensioniert, oder die Zielvorgabe war von vornherein unrealistisch hoch gewählt."

Formuliertes Ziel unrealistisch?

Am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML in Dortmund sagt Prof. Uwe Clausen: "Das für 2020 formulierte Ziel ist unrealistisch und wird sowieso nicht erreicht werden." Auf den Lkw bezogen erläutert er, dass die spezifischen Emissionen pro Tonnenkilometer gesunken seien - im Bereich Schwefeldioxid beispielsweise seit 1995 um 99 Prozent, im Bereich CO2 um 30 Prozent. Dass es hier unter dem Strich einen Anstieg des Kohlendioxidausstoßes um 16 Prozent auf knapp 40 Millionen Tonnen gebe, liege am Verkehrswachstum von mehr als 30 Prozent.

Dieses möglicherweise zu drosseln, bedürfe eines gesellschaftlichen Konsenses, sagte Clausen. Er plädiert dafür, das Verbrennen von fossilen Kraftstoffen mit Preisen zu versehen, sinnvoll wäre es unter anderem auch, den Rabatt auf Diesel zu streichen. Es sei zudem bisher im gesellschaftlichen Bewusstsein nicht präsent, dass der ökologische Fußabdruck privater (Urlaubs-)Mobilität den der Handelslogistik bei weitem übertreffe.

Bereits beschlossene Projekte inkludieren

Das Deutsche Verkehrsforum (DVF) begrüßt die im Sondierungsergebnis aufgegriffenen Vorhaben. Die bereits durch die letzte Regierung beschlossenen Projekte wie die Einführung der Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen, die Ertüchtigung des Schienennetzes für lange Güterzüge, die Trassenpreissenkung und die Umsetzung des Nationalen Luftverkehrs- und Hafenkonzepts müssten in möglichen Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden, sagte DVF-Präsidiumsvorsitzender Ulrich Nußbaum.

Verkehrspolitik braucht klaren Rahmen

Der Stiftung 2°, einer Initiative von Vorstandsvorsitzenden, Geschäftsführern und Familienunternehmern, zu der auch DB-Vorstand Richard Lutz und der Aufsichtsratsvorsitzende der Otto Group, Michael Otto, gehören, reicht das nicht. Die Sondierer hätten es verpasst, dem Verkehrssektor einen klaren politischen Rahmen zu geben, bemängelt Stiftungsvorstand Sabine Nallinger. "Ein vages Bekenntnis zum Pariser Klimaschutzabkommen und die stichwortartige Nennung von Handlungsbereichen wie Elektromobilität oder Schienenverkehr alleine genügen nicht, um die Klimaziele zu erreichen."
Gerade Unternehmen aus dem Bereich Transport und Logistik brauchen Planungs- und Investitionssicherheit, betont Nallinger. Eine Große Koalition müsse mehr leisten, als Fahrverbote vermeiden und die Luftreinhaltung verbessern zu wollen. "In den Koalitionsverhandlungen muss sichergestellt sein, dass die Schiene und CO2-arme Infrastruktur besonders berücksichtigt werden", fordert sie.

Deutschland verliert Vorbildfunktion

Am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält Klima- und Energieexpertin Claudia Kemfert ein Abrücken vom Klimaziel 2020 für ein fatales Signal. "Wir verlieren unsere Vorbildfunktion, wenn wir nicht einmal versuchen, unsere Klimaziele noch zu erreichen", sagte sie in einem Interview mit "WeltN24". Klimaschutz habe zu Innovationen geführt, und deutsche Unternehmen seien in bestimmten Bereichen Weltmarktführer. "Investitionen in Zukunftstechnologien bringen Wettbewerbsvorteile", betonte Kemfert. Diese positive Entwicklung sei nun gefährdet.

Mit LNG Emissionen reduzieren

Mit dieser Einschätzung liegt Kemfert auf einer Linie mit Matthias Strehl, dem Geschäftsführer von Meyer Logistik mit einer Flotte von mehr als 1.000 Lkw. Der Lebensmittellogistiker hat auf seinem Betriebsgelände in Berlin die deutschlandweit erste öffentlich zugängliche LNG-Tankstelle, die von dem Anbieter Liqvis betrieben wird, und will damit zur Reduzierung von CO2-Emissionen beitragen. Auch Strehl hält den Abschied beziehungsweise die Verschiebung der Klimaziele für ein völlig falsches Signal. "Das zeigt einmal mehr, wie konzeptlos oder wenig nachhaltig Politik und Industrie die Herausforderungen angehen", sagte er trans aktuell. Die Verbraucher oder auch Vorreiter wie Meyer hätten das Nachsehen.

Für Strehl immerhin gibt es perspektivisch gute Nachrichten, denn bis 2019 sollen in Deutschland acht neue Erdgastankstellen an zentralen Standorten gebaut werden. "LNG ist definitiv eine Alternative zum Diesel im Fernverkehr", sagt der Meyer-Geschäftsführer. Er geht davon aus, dass mit dem Aufbau einer Tankstelleinfrastruktur die Nachfrage nach Fahrzeugen mit Gasmotor deutlich steigt.

Acht neue LNG-Tankstellen
 

Bis 2019 sollen in Deutschland acht neue LNG-Tankstellen gebaut werden. Die Uniper-Tochter Liqvis erhält für den Bau von insgesamt 14 Lkw-Tankstellen im Rahmen ihres Projekts "LNG4Trucks" eine EU-Förderung in Höhe von bis zu 9,6 Millionen Euro. Die Tankstellen mit dem für das Klima günstigeren Kraftstoff sollen an strategischen Knotenpunkten entstehen, die ein besonders hohes Aufkommen an Lieferverkehr aufweisen. Für Deutschland werden dabei zentrale Standorte wie Hannover, Köln oder München genannt, jeweils drei Tankstellen sollen in Belgien und Frankreich entstehen. 

Marktbarrieren für Logistiker senken

Ziel ist, die bestehenden Markteintrittsbarrieren für Kunden aus der Logistikbranche zu senken. "Im Rahmen von weiteren Partnerschaften wollen wir in den nächsten Jahren in Deutschland und ausgewählten Nachbarländern ein leistungsfähiges LNG-Tankstellennetz aufbauen", sagte Eckhardt Rümmler, als Geschäftsführer bei Uniper unter anderem für die Entwicklung neuer Geschäftsbereiche verantwortlich.

20 Prozent weniger CO2-Ausstoß

LNG (Liquefied Natural Gas) ist Erdgas, das durch Abkühlung auf unter minus 160 Grad verflüssigt wird. Der fossile Energieträger vermindert durch eine vergleichsweise saubere Verbrennung den CO2-Aussstoß gegenüber herkömmlicher Diesel-Technik um bis zu 20 Prozent, außerdem sind die Fahrzeuge wesentlich leiser und haben kein Feinstaubproblem.

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