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Neue Entwicklungen zum Platooning Straßentests über europäische Grenzen hinweg

Foto: MAN

Die Forschung zum gemischten Platooning schreitet voran. Allerdings hapert es noch an rechtlichen Fragen und an der Akzeptanz der Fahrer.

Platooning, das Sprit sparende dichte Hintereinanderfahren von Lkw, macht Fortschritte. Im Mai hatte sich die EU-Kommission in ihrem dritten Mobilitätspaket klar zu vernetzter und automatisierter Mobilität bekannt und sich das Ziel gesetzt, hier weltweit führend zu werden. Seit Juni läuft nun mit ihrer Unterstützung das EU-Projekt "Ensemble", auf Deutsch "Zusammmen", bei dem bis 2021 erprobt werden soll, wie das Fahren von verschiedenen Lkw-Modellen und -Marken in einer Kolonne unter realen Bedingungen gemeistert werden kann. Dabei sind die Hersteller DAF, Daimler, Iveco, MAN, Scania und die Volvo Group (Volvo Trucks & Renault Trucks), aber auch Zulieferer wie NXP, Wabco und ZF. Die niederländische Organisation für angewandte naturwissenschaftliche Forschung, TNO, leitet das Konsortium. Außerdem ist ERTICO-ITS Europe als Kooperationsplattform beteiligt. Drei Jahre lang geht es um Auswirkungen auf Infrastruktur, Verkehrssicherheit und Verkehrsfluss, eingebunden werden sollen auch Behörden, um die Anforderungen für Straßenzulassungen zu definieren.

Wichtige Daten für die Logistik liefern

Die Erwartungen sind hoch: Man erhofft sich nicht nur weniger Kraftstoffverbrauch, sondern damit verbunden auch weniger CO2-Emissionen, die Entlastung stark befahrener Straßen und insgesamt mehr Effektivität. Die Straßentests über europäische Grenzen hinweg sollen auch wichtige Daten für die Logistik liefern. Angepeilt wird, dass künftig jeder Lkw mit jedem beliebigen anderen Lkw eine Platoon-Einheit bilden kann. "Dank der automatisierten dynamischen Kontrolle zwischen den Lkw wird der Fahrbetrieb sicherer und weniger anstrengend", heißt es beim "European Truck Platooning". In Deutschland wird das Fahren im Konvoi auf öffentlichen Straßen getestet. Für den weltweit erstmaligen Pilotversuch haben sich der Logistiker DB Schenker, der Hersteller MAN und die Hochschule Fresenius als wissenschaftlicher Partner zusammengetan. Die mit einer elektronischen Deichsel aneinander gekoppelten Lkw sind seit Ende Juni auf einer 145 Kilometer langen Strecke der A9 zwischen München und Nürnberg im Einsatz und nutzen das Digitale Testfeld Autobahn. Gefahren werden täglich bis zu drei Mal Stückgut-Maschinenteile, Getränke oder Papier.

Tests finden unter anderem auch in Frankreich statt. Dort hat das am Projekt beteiligte Institut IFSTTAR ermittelt, dass die Technik bei zwei Fahrern bis zu sechs Stunden zusätzliche Fahrtzeit ermöglicht. Wird der Führungs-Lkw im Platoon zum Folgefahrzeug, könnten statt einer bisher 750 Kilometer langen Strecke 950 Kilometer zurückgelegt werden, erläutert der wissenschaftliche Direktor Bernard Jacob. Mit einem Platoon, der aus vier oder fünf Lkw gebildet wird, soll die auf der Straße zur Verfügung stehende Kapazität um 1,2 bis 1,5 Mal gesteigert werden. "Truck Platooning ersetzt den Fahrer nicht", betont mit Nachdruck Ron Borsboom, Vorstandsmitglied beim niederländischen Hersteller DAF Trucks. Jeder Lkw benötige einen Mann oder eine Frau hinter dem Steuer, sagt der Manager, der für die Produktentwicklung verantwortlich ist. "Auf Nebenstraßen oder im städtischen Verkehr muss der Fahrer jederzeit die Kontrolle über den Lkw haben." Truck Platooning sei in erster Linie eine effiziente Lösung für den Fernverkehr auf Autobahnen und Schnellstraßen. DAF ist zusammen mit TNO, Ricardo und dem Logistiker DHL an einem zweijährigen Feldversuch in Großbritannien beteiligt.

Sicherheit angesichts der drahtlosen Vernetzung fraglich

"Dieser Feldtest wird unser Verständnis und Wissen um die Vorteile des Fahrens im Verbund vertiefen, während wir gleichzeitig dem britischen Verkehrsministerium den Beweis liefern können, wie Platooning die Transporteffizienz nachhaltig verbessert", sagt Borsboom. Die Arbeit hinter dem Steuer solle erleichtert werden: "Der Verkehr nimmt mehr und mehr zu, und die Herausforderung für den Fahrer wird immer größer", erläutert der DAF-Manager. Intelligente Systeme wie Platooning würden Fahrern künftig helfen, mit den steigenden Anforderungen besser umzugehen. Es sei aber noch einiges an Entwicklungsarbeit erforderlich, bevor Platooning zur Marktreife gebracht werden könne. Auf der vom Reifenhersteller Michelin organisierten Konferenz "Movin’ On" zur nachhaltigen Mobilität waren sich Experten im kanadischen Montreal bereits Ende Mai einig, dass die Technologie für die kommerzielle Nutzung bereit ist. Die Hersteller verbauten zunehmend Fahrerassistenz- und Sicherheitssysteme wie Abstandswarner und Spurhalter, die die Basis für Platooning seien, sagte Mike Roeth, Geschäftsführer des North American Council for Freight Efficiency (NACFE). Platoons mit zwei Trucks seien ein Schritt hin zur Automatisierung. Allerdings müssten auch noch Hindernisse überwunden werden, offen seien nicht zuletzt rechtliche Fragen und die Akzeptanz der Fahrer. Letztere ist auch für Bill Brentar, Technik-Direktor bei UPS, ein Problem. Bisher würden die Fahrer darauf geschult, Sicherheitsabstände einzuhalten, jetzt sollten sie plötzlich dicht auffahren.

Außerdem gebe es operative Herausforderungen, sagte er dem Online-Portal Freightwaves zufolge. Schließlich verließen die Fahrzeuge nicht gleichzeitig den Hof, und es sei fraglich, ob UPS oder andere Unternehmen bereit wären, mit der Konkurrenz zusammen in einem Platoon zu fahren. "Wenn man aber die Möglichkeiten beschränkt, wann und mit wem man ein Platoon bilden kann, limitiert man auch die Möglichkeiten, Sprit zu sparen", gibt er zu bedenken. Auch Verkehrsplaner haben ob der Technologie ihre liebe Not, denn so sind beispielsweise viele Brücken noch nicht einmal für den derzeitigen Verkehr ausgelegt. Dicht aufeinander fahrende Lkw wären eine noch größere Belastung und könnten zu einem veritablen Sicherheitsrisiko werden, Auf- und Abfahrten von Autobahnen sind vielfach noch viel zu kurz, und es besteht die Gefahr, dass sie von den Kolonnen versperrt werden. Die fast alles entscheidende Frage aber wird die Sicherheit angesichts der drahtlosen Vernetzung der Fahrzeuge sein. Internetbasierte Netzwerke bieten häufig nicht ausreichenden Schutz vor Hackern. Ungeklärt ist aber auch weiterhin, wer im Falle eines Unfalls die Haftung übernehmen wird und wo die von den Assistenzsystemen gesammelten Daten landen sollen. Hier ist der Gesetzgeber gefragt. Von 2014 bis 2020 sollen insgesamt 300 Millionen Euro in Forschung und Innovationen zu automatisierten Fahrzeugen fließen. Um die Digitalisierung des Transportwesens voranzubringen, sind im Programm "Connecting Europe" bis zu 450 Millionen Euro vorgesehen.

In anderen Ländern:

Platooning wird auch anderswo getestet. So will beispielsweise Südkorea die Technologie Medienberichten zufolge ab kommendem Jahr mit zwei sich folgenden Fahrzeugen auf die Straße bringen. Eine Gruppe von vier Lkw soll dann 2021 unterwegs sein. Spitzenreiter dürften die USA sein, wo bereits Versuche in 17 Bundesstaaten auf insgesamt rund 72.000 Kilometern erlaubt sind.

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