Die Pkw-Maut kann kommen. Der Bundesrat hat vorigen Freitag den Weg frei gemacht für die umstrittene Infrastrukturabgabe.
Das CSU-Projekt könnte damit in der nächsten Legislaturperiode starten. Zuvor hatten sich bei einem Anhörungs-Marathon im Haushalts- und im Verkehrsausschuss des Bundestags Experten Kritik sowohl zur Pkw-Maut, als auch zum anderen verkehrspolitischen Großprojekt, der Infrastrukturgesellschaft Verkehr – besser bekannt als Autobahngesellschaft – geäußert.
Bei der Pkw-Maut sind es vordergründig keine monetären Gründe, die das Gesetz letztlich über die parlamentarischen Hürden gebracht haben. Vielmehr gilt hier ganz offenbar die Koalitionsdisziplin, schließlich ist die Pkw-Maut Teil des Koalitionsvertrags. Das zeigte sich im Bundesrat, der die Anrufung eines Vermittlungsausschusses mehrheitlich ablehnte. Und das wurde zuvor auch bei der 2. und 3. Lesung des Änderungsgesetzes im Bundestag deutlich. Teile der CDU mögen die CSU-Maut nicht, und die SPD schon gar nicht. Vor diesem Hintergrund waren die vorgeschalteten Anhörungen im Haushalts- und Verkehrsausschuss für die einen „reiner Wahlkampf“, für weniger Wohlmeinende eher „Wahlkrampf“. Der Streit um die Einnahme sowie um die Frage, ob die Pkw-Maut europarechtskonform ist, habe dabei keine neuen Erkenntnisse erbracht. Am Ende werde ohnehin die EU-Kommission entscheiden, ob sie diese strittige Maut trotz der Absprachen im Vorfeld wirklich wolle. Wenn ja, muss sie das noch anhängige Vertragsverletzungsverfahren förmlich zurücknehmen.
Gut möglich aber, dass es dazu gar nicht kommt. Denn nach der Bundestagswahl im Herbst werden wohl auch diese verkehrspolitischen Karten neu gemischt. Wie in Berlin zu hören ist, beschäftigen sich CDU und SPD bereits mit neuen, EU-konformen Verkehrsfinanzierungsplänen, bei denen unter anderem der europäische elektronische Mautdienst sowie die EU-Mautrichtlinie, die die Interoperabilität elektronischer Mautsysteme regelt, Pate stehen.
Was das nächste Großprojekt angeht, den Aufbau einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr, sehen mehrere Fachleute die Gefahr einer „Privatisierung der Autobahnen durch die Hintertür“. Die in den Gesetzentwürfen enthaltenen Privatisierungsschranken seien unzureichend, urteilte in der Anhörung Prof. Thorsten Beckers von der Technischen Universität Berlin. Auch Prof. Christoph Gröpl von der Universität des Saarlandes sieht die Gefahr, „dass eine Privatisierung geplant ist“. Wenn der Gesetzgeber dies nicht wolle, müsse er das auch klarstellen.
In das gleiche Horn blies Prof. Georg Hermes von der Goethe-Universität Frankfurt. Wenn man der Infrastrukturgesellschaft das wirtschaftliche Eigentum an den Autobahnen übertrage, laufe das auf ein Geschäftsmodell hinaus, bei dem es „nicht um die Bereitstellung von Autobahnen als staatliche Daseinsvorsorge geht, sondern um die entgeltliche Zurverfügungstellung von Autobahnen“, und das nenne man Privatisierung.
Von den Erfahrungen mit der Gründung einer Autobahngesellschaft in Österreich berichtete Klaus Schierhackl, Vorstand bei der dortigen Autobahngesellschaft Asfinag. Er rate von einer zu starken Beteiligung der Bundesländer ab, sagte er. Statt 16 Regionalgesellschaften sollte man sich auf je eine für Deutschland Nord und Deutschland Süd beschränken.
Im Bundesverkehrsministerium sieht man zu dieser Frage „keinen aktuellen Handlungsbedarf“. Hinsichtlich der Tochtergesellschaften sollte es bei der Gesetzesformulierung bleiben, heißt es. Wie das später dann im Einzelnen ausgefüllt werde, sei ohnehin „Sache der nächsten Bundesregierung“. Sie müsse bis zum voraussichtlichen Start der Infrastrukturgesellschaft Verkehr im Jahre 2022 „ohnehin einen riesigen Berg bislang nicht geklärter Einzelfragen lösen“.
Viele Fragen über Details
Dazu gehört auch die Frage, wer künftig die Pensionslasten der Beschäftigten in privatrechtlich organisierten Straßenbaugesellschaften und staatlichen Straßenbauverwaltungen der Länder trägt und wo diese rund 12.000 Menschen künftig arbeiten werden.
Eines gilt bei Experten aller Couleur indes heute schon als geklärt: die Entscheidungshoheit darüber, welche Fernstraßen letztlich geplant und gebaut werden. „Das lassen die Politiker sich doch nicht aus der Hand nehmen“, sind sich Berliner Insider gewiss. Schließlich gehe es um „ihre“ Umgehungsstraße im Wahlkreis und um „ihren“ Autobahnanschluss. Insofern werde sich das Gerede von der Gefahr der Privatisierung von ganz alleine in Luft auflösen.
Text: Hans-Peter Colditz
Der Zeitplan
Der Zeitplan, um die Infrastrukturgesellschaft Verkehr durch den Bundesrat zu bringen, ist eng: Als wahrscheinlich gilt, dass der Bundesrat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause am 7. Juli, dem großen Werk abschließend zustimmt.
Da die Gesellschaft Teil einer umfangreichen Neuregelung des Bund-Länder-Finanzausgleichs ist, wird sie voraussichtlich trotz aller Kritik die letzten Hürden nehmen. Ein Scheitern würde sich der Bundesrat bei den vielen Milliarden, die die Länder im Gegenzug einheimsen, nicht leisten.