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Maut-Aufzeichnung Rot gegen Grün

Fehlerhafte Maut-Aufzeichnung Foto: Archiv

Hat Lkw-Fahrer Peter Hölzer die Maut geprellt? Toll Collect sagt Ja, Hölzer sagt Nein – die Tücke steckt im technischen Detail.

Wenn alles reibungslos funktioniert, ist die On-Board-Unit, die sogenannte OBU, eine intelligente Sache: Per Satellit und mit den Funkbaken über den Autobahnen ermittelt das System die zurückgelegte Wegstrecke und sendet die Daten per eingebautem GSM-Modem an die Mautzentrale. Die ermittelt anhand der gesendeten Daten mittels Kfz-Kennzeichen, Anzahl der Achsen und der Abgasklasse die Mautgebühr. Alles automatisch. Doch was passiert, wenn die OBU zwar funktionsfähig erscheint, aber tatsächlich keine Daten erfasst?

Peter Hölzer bekam ein Bußgeldbescheid vom Bundesamt für Güterverkehr

Diese Erfahrung machte Lkw-Fahrer Peter Hölzer. Er bekam ein Bußgeldbescheid vom Bundesamt für Güterverkehr (BAG), in dem man ihm vorwirft, die Maut nicht entrichtet und damit eine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben. Sollte er nicht innerhalb von zwei Wochen die fälligen 123,50 Euro bezahlen, drohte ihm das BAG ohne Umschweife mit "Erzwingungshaft bis zur Dauer von sechs Wochen".

Was war passiert? Anfang Oktober 2010 war Hölzer ab der Mautstelle Kruft auf der Autobahn 61 in Richtung Plaidt unterwegs – angeblich, ohne die Mautgebühr bezahlt zu haben. Ab Sinsheim-Süd setzte die automatische Erfassung der Maut dann wieder ein. Zwar ist der fragliche Abschnitt deutlich kürzer als 500 Kilometer, doch laut Paragraf 8,  Absatz 2 des Autobahnmautgesetzes liegt bei nicht mehr feststellbaren tatsächlichen Strecken eine Pauschale von 500 Kilometer für die Berechnung zugrunde. Im Fall von Hölzer ergibt sich daraus der Betrag von 77,50 Euro, den er nachentrichten muss.

Nach Paragraf 2 des Autobahnmautgesetzes

Der 64-Jährige ließ damals die Anschuldigungen nicht auf sich sitzen, wandte sich an einen Anwalt und legte Widerspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Darin erklärt er ausführlich, dass er weder mit einer rot leuchtenden LED-Anzeige der OBU gefahren ist, noch habe das Gerät ein akustisches Signal von sich gegeben. Denn wenn eine Erfassung der Daten nicht stattfinden kann, leuchtet die LED-Anzeige rot statt grün und der Fahrer wird zusätzlich mit einem Warnton darauf hingewiesen, dass die Wegstrecke nicht erfasst wird. So sollte es zumindest sein.

Mehr als seine Aussage und die Überzeugung, nichts falsch gemacht zu haben, hat Hölzer leider nicht vorzuweisen. "Hätte ich einen Zeugen gehabt, hätte die Richterin den Fall gleich schließen müssen", sagt Hölzer. Stattdessen war für das Gericht seine Begründung nicht hinreichend. Im Urteil heißt es unter anderem: Nach Paragraf 2 des Autobahnmautgesetzes wäre Hölzer als Fahrzeugführer während der Benutzung von mautpflichtigen Straßen eigenständiger Mautschuldner – neben dem Halter und dem Disponenten. Hölzer hätte spätestens vor Beginn der mautpflichtigen Strecke  die Funktionsweise sowie Warn- und Fehlermeldungen des Fahrzeuggerätes (On-Board-Unit) sicherstellen müssen. Zudem hätte er geeignete Maßnahmen einleiten müssen, um die erforderliche Maut zu entrichten, sollte die OBU nicht funktionieren.

Störungen beim GPS-Signal

Die von seinem Anwalt angeführten möglichen GPS-Störungen, die zu einer Fehlschaltung geführt haben könnten, ließ das Gericht nicht gelten. Störungen beim GPS-Signal seien in diesen Zusammenhang "unerheblich, weil sie ausweislich keine Rotschaltung des OBU-Status zur Folge hatten", heißt es in der Abschrift weiter.

Einen Freispruch konnte Hölzer mit seiner Aussage also nicht erwirken. Von den ursprünglichen 123,50 Euro Bußgeld musste er trotzdem 35 Euro zahlen. Hinzu kamen 200 Euro Selbstbeteiligung für die Rechtschutzversicherung und Auslagen für den Anwalt. Was den berufserfahrenen Fahrer, der demnächst in Rente geht, trotzdem wurmt, ist nicht so sehr die Strafe, sondern die Tatsache, dass er nicht der einzige ist, dem es so erging.

Selbst die zuständige Richterin am Amtsgericht Köln ließ beim Betreiber Toll-Collect erfragen, ob es technisch möglich sei, dass der Status des OBU eine Rotschaltung haben könnte, während die LED-Anzeige dagegen grün leuchtet. Aus dem Schriftverkehr, der FERNFAHRER vorliegt, heißt es seitens Toll-Collect: "Uns [ist] kein Fehlerzustand bekannt, durch den es zu Abweichungen zwischen dem angezeigten und dem geloggten LED-Status kommen kann."

Die Causa Hölzer ist kein Einzelfall

Allerdings geht ebenfalls aus dem Schriftverkehr hervor, dass bereits in der Vergangenheit ähnliche Anfragen von Richtern an den Betreiber gestellt wurden und die Causa Hölzer somit kein Einzelfall ist. Auch auf die Anfrage von FERNFAHRER beim BAG heißt es, dass die Anzahl ähnlicher Fälle zwar "nicht beziffert" werden könne, aber dass solche Aussagen von Fahrern bereits häufig vorgekommen seien.

Hölzer fühlt sich "ungerecht behandelt" und ist bis heute felsenfest davon überzeugt, keine Warnsignale der OBU überhört oder übersehen zu haben. "Mir geht es ums Prinzip und darum, dass anderen Kollegen so etwas nicht passiert".

Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht oder kennt ihr Kollegen, denen Bußgeldbescheide trotzt grün leuchtender LED-Anzeige ins Haus flatterten? Dann schreibt uns:

Redaktion FERNFAHRER, Stichwort "OBU",
Postfach 81 02 07, 70519 Stuttgart

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