In der Corona-Pandemie hat Deutschland 2020 seine Treibhausgasemissionen gegenüber dem Vorjahr um etwa zehn Prozent gesenkt und damit sein Klimaziel erreicht, berichtet die Denkfabrik Agora Energiewende.
Die positive Nachricht ist aber nur kurzfristig gut. Zwar liegen die Emissionen etwa 42,3 Prozent unter dem Niveau von 1990 und sind damit stärker als die für 2020 angepeilten 40 Prozent zurückgegangen. Etwa zwei Drittel des Effekts gehen aber auf die Corona-Wirtschaftskrise mit deutlich weniger Verkehr, gesunkener Industrieproduktion und geringerer Energienachfrage zurück. Ohne diesen Effekt lägen die Emissionen bei minus 37,8 Prozent und das Ziel wäre verfehlt worden, so die Analyse.
Windkraft-Ausbau verschleppt
Neue Antriebstechnologien wie E-Mobilität, Wasserstoff-Lkw oder E-Fuels sind auf regenerativ erzeugten Strom angewiesen, um klimaschonend zu sein. Da scheint es erfreulich, dass der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch 2020 mit 46,2 Prozent (2019:42,4%) einen Höchstwert erreicht hat. Knapp die Hälfte des verzeichneten Plus muss aber auch hier dem Corona-Effekt zugeschrieben werden, der über die weiter andauernde Ausbauproblematik von Windenergieanlagen an Land hinwegtäusche. „Im Jahr 2021 könnte der Erneuerbare-Energien-Anteil aufgrund einer sich erholenden Stromnachfrage und des aktuell unzureichenden Erneuerbaren-Ausbaus erstmals seit etwa 20 Jahren sinken“, warnt Agora.
Berlin muss das Tempo steigern
Die Denkfabrik weist darauf hin, dass der Europäische Rat im Dezember das EU-Klimaziel für 2030 auf mindestens -55 Prozent erhöht hat. Das bedeute, dass auch Deutschland sein Ziel auf mindestens -65 Prozent erhöhen müsse. „Im Jahr 2021 steht daher eine erhebliche Beschleunigung der Klimapolitik an“, betont Agora. Die EU-Kommission will im Juni ein Maßnahmenpaket präsentieren und auch Deutschland müsse sich mehr ranhalten, um die Ziele für 2030 zu erreichen. Der für Gebäude und Verkehr in diesem Jahr eingeführte CO2-Preis in Höhe von 25 Euro pro Tonne sei nicht ausreichend, um wesentliche Effekte zu erzielen. Insgesamt bleibe Deutschland derzeit „weit hinter dem Notwendigen zurück“.
Investitionen in neue Technologien gefragt
„Entscheidend für klimapolitische Erfolge sind nicht kurzfristige Emissionsrückgänge aufgrund von Wirtschaftskrisen, sondern Investitionen in neue, klimaneutrale Technologien“, fasst Agora zusammen. Nur so könnten dauerhafte Emissionsminderungen erreicht werden. Es sei daher zentral, dass zum einen die Corona-Wirtschaftshilfen noch stärker genutzt würden, um die Anreize in Richtung Erneuerbare Energien, energetische Sanierung, klimafreundliche Mobilität und klimaneutrale Industrie-Technologien deutlich zu verstärken. Zum anderen müssten bestehende Regularien wie die Kfz-Besteuerung schnell so novelliert werden, dass Investitionen in neue, klimaschonende Technologien angereizt würden.
Klimaschädlicher Wasserstoff
Aufgrund des geringeren Verkehrsaufkommens sank 2020 der Absatz und Verbrauch von Kraftstoffen. Ottokraftstoffe wiesen ein Absatzminus von 9,4 Prozent auf, Diesel von minus 7,7 Prozent. Die Bundesregierung bekennt sich zur „Zukunftsressource“ Wasserstoff. Der Hauptteil des in Deutschland genutzten Wasserstoffs ist aber „grau“ und wird mithilfe von fossilem Gas oder Kohle hergestellt. Bis 2030 soll zusätzlich eine Kapazität von fünf Gigawatt an Erzeugungsanlagen installiert werden. Dabei sollen den Angaben zufolge mindestens 14 Terawattstunden an grünem Wasserstoff produziert werden, bei einem geschätzten Gesamtbedarf von 90 bis 110 Terawattstunden. Im ersten Halbjahr 2020 waren Pilotanlagen zur Weiterentwicklung der Herstellung von grünem Wasserstoff mit einer Kapazität von 25 Megawatt in Betrieb.