Lkw-Parkplatzmangel und Co. Auch unkonventionelle Lösungen gefragt

Parkplatznot Foto: euroluftbild.de/Hans Blossey/Siemens

Beim digitalen Forum des ADAC diskutieren Experten über die Probleme, die Lkw-Fahrer an deutschen Autobahnen haben – Unfallrisiken, Parkplatzmangel und Co.

„Zu viele Lkw und zu wenige Parkplätze“ – so bringt es ein Lkw-Fahrer im Interview auf der Rastanlage Brohltal West mit dem ADAC auf den Punkt. Das führt dazu, dass die Parkplätze oft überfüllt sind und manche ihren Lkw gar in der Einfahrt zur Rastanlage parken, weil anderswo schlicht kein Platz ist. Ein anderer Lkw-Fahrer klagt: „Ab 19 Uhr hat man meine keine Chance mehr, etwas zu finden.“

2018 wurden laut Ulrich Chiellino, Leiter Verkehrspolitik beim ADAC e.V. 94.100 abgestellte Lkw gezählt. Die treffen auf nur 70.800 Parkplätze. Und die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage wächst. Entsprechend nimmt auch die Fahrleistung mautpflichtiger Lkw stetig zu, abgesehen von der Corona-bedingten Delle 2020. Das gilt besonders auch für ausländische Lkw. Dabei hilft es laut ADAC nur bedingt, wenn künftig der Anteil der Schiene zunähme. Denn das Güteraufkommen insgesamt wächst. Die Schiene könnte also zwar einen Teil des Güterwachstums abfedern. Doch die Überlastung auf der Straße ist bereits mit dem heutigen Volumen problematisch.

BMVI mit Maßnahmenplan

Was tut das BMVI? Man wolle prüfen, wie sich die vorhandenen Flächen besser nutzen lassen und wo noch Verbesserungspotenzial liegt. Dazu kommen Parkleitsysteme auch per Telematik. Bis 2024 sollen zumindest 4.000 neue Parkplätze bei privaten Betreibern in Autobahnnähe entstehen. „Es ist schon zu lange nichts passiert“, sagt dazu Dr. Klaus Manns, Vorsitzender beim ADAC Mittelrhein e.V. und fordert kurzfristige Initiative.

Daniela Grabert, Lkw-Fahrerin bei der Spedition Gebr. Schröder in Ebernhahn: „Die Geschwindigkeit nimmt ab 15 Uhr zu.“ Viele fahren demnach „ohne Rücksicht auf Verluste“, um noch einen Parkplatz zu ergattern. Dazu zählt auch, dass Überholverbote missachtet werden. Digitale Angebote könnten die Planung erleichtern und die Situation auf der Autobahn speziell zu dieser Stoßzeit zu entschärfen. Dabei kommen auch die Lenk- und Ruhezeiten auf den Tisch. Eine Kulanzregelung, wie sie auch das Mobilitätspaket in engen Grenzen vorsieht, könnte hier für ein wenig Entspannung sorgen. Die Gefahr ist aber groß, dass dies zum neuen Normal wird und direkt in der Planung ausgereizt wird. Der Vorteil der Flexibilität in der Not würde so wieder zunichte gemacht.

Lkw auf dem Standstreifen

Problematisch sei, so Dr. Manns, wenn Lkw auf dem Standstreifen stehen. Dort sei kein erholsamer Schlaf möglich, abgesehen vom Unfallrisiko. Ein strenges Verbot sei nötig. Laut Daniela Grabert geht dies aber am Ziel vorbei. „Wer dort steht, tut das nicht zum Spaß.“ Vielmehr sei dann einfach die Lenkzeit abgelaufen und die Ruhezeit muss eingelegt werden. Abseits der Autobahn, in Industriegebieten beispielsweise, fehlen einerseits sanitäre Anlagen. Andererseits werden Parkflächen oft mit Hindernissen versperrt, um aktiv zu verhindern, das Lkw dort parken können.

Prof. Dr. Dirk Engelhardt, Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), zeichnet noch ein etwas kritischeres Bild. Die Dunkelziffer der fehlenden Parkplätze sei noch deutlich höher. Und überdies hätten wir einen enormen Fahrermangel. Dabei spielten auch die Arbeitsbedingungen eine Rolle, also auch die Parksituation. Dem pflichten Grabert und Dr. Manns bei. „Ich kann mich nicht einfach irgendwo in eine dunkle Ecke stellen“, sagt Daniela Grabert und spricht damit auch das Problem der persönlichen Sicherheit an.

Realer Parkplatzmangel noch höher als gedacht

Johannes Witt, Vorsitzender Vereinigung Deutscher Autohöfe e.V., geht ebenso davon aus, dass der reale Parkplatzmangel nochmals höher ist. Autohofbetreiber müssen allerdings selbst für den Ausbau ihrer Stellplatzkapazitäten aufkommen. „Ein Stellplatz kostet rund 50.000 Euro.“ Daher sieht er den Plan des BMVI und vor allem die Subventionen für private Anbieter als wichtiges Mittel.

Prof. Gerd Riegelhuth, Geschäftsbereichsleiter Verkehrsmanagement, Betrieb und Verkehr bei der Autobahn GmbH des Bundes gibt zu: „Die Herausforderung ist groß.“ Und neben dem Mangel an Flächen müsse auch die Sicherheit auf der Straße im Vorlauf und auf den Parkplätzen selbst im Fokus stehen. Wichtig sei auch, dass möglichst viele Informationen zur Verfügung stehen. Dabei helfen Apps, aber auch Anzeigen direkt an der Autobahn wie bei einem Pilotprojekt an der A45. Letztere funktionieren auch, wenn die Apps im Funkloch versagen. Doch, so Dr. Manns, am Ende geht es nicht ohne zusätzliche Stellplätze, selbst wenn diese noch so gut verwaltet werden. Dabei müssten auch die Logistiker und Verlader selbst helfen und auch eigene Flächen und Sanitäranlagen zur Verfügung stellen. Prof. Engelhardt geht sogar weiter und fordert hier im Zweifel einen verpflichtenden Eingriff seitens der Politik. Fahrer dürfen nicht wie Aussätzige behandelt werden.

Logistiker und Verlader einbeziehen

Dabei müsse man auch berücksichtigen, dass Logistiker und Verlader, Dr. Manns umschreibt hierzu ohne den Namen zu nennen das Beispiel Amazon in die Pflicht genommen werden müssen. Statt selbst genügend Flächen für den Fuhrpark und die Subunternehmer vorzuhalten, werden Industriegebiete zugeparkt. Hier sei der Gesetzgeber gefordert mit entsprechenden Bauauflagen.

Zur Sprache kommt auch die Gebühr, die für manche Parkplätze, zum Beispiel an Autohöfen, anfällt. Johannes Witt rechnet vor: 15 Euro minus 10 Euro Verzehrgutschein ergeben eine de facto Parkgebühr von 5 Euro für einen beleuchteten und kameraüberwachten Stellplatz. Der Preis sei also eigentlich gar nicht hoch. Laut Witt sei eher die Frage zu klären, ob der Fahrer dies zahlen muss.

Unkonventionelle Lösungen

Neben der Situation an sich bringt Prof. Engelhardt eine Verlängerung der ziehenden Einheiten ins Gespräch – feste Ladelänge, aber ein freier konfigurierbares Zugfahrzeug mit etwas mehr Raum für den Fahrer und bestenfalls mit eigenem Sanitärmodul. Denn, das weiß auch Daniela Grabert zu berichten: Die hygienischen Zustände vor allem an Raststätten in Toiletten und Duschen ist teils unerträglich. „Da fahre ich lieber einen teuren Autohof an.“ Prof. Riegelhuth will künftig Standards definieren, um diesem Problem beizukommen. „Das ist natürlich für uns ein ganz wichtiger Punkt, dass wir hier serviceorientiert unterwegs sein.“ Prof. Engelhardt relativiert dies aber dennoch ein wenig. Er kenne viele Raststätten, die in dieser Hinsicht völlig in Ordnung sind, gibt aber zu: „Es gibt natürlich auch Negativbeispiele.“ Insgesamt müsse der Fahrerberuf aber in der Gesellschaft eine höhere Wertschätzung erfahren. Zusammen mit allen Beteiligten – Fahrern, Industrie, Politik etc. – müsse man auch mit unkonventionellen Lösungen daran arbeiten, dass der Fahrerberuf wieder Spaß macht.

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